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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Der zweite Pariser Krach.

und Unüberlegtheit. Die Stärke der Position Bontoux' dem ersten Angriffe
Rothschilds gegenüber hatte wesentlich beruht auf der Rcgistrirung der Aktien
der Union ^ensralv. Die Aktien lauteten nicht auf Inhaber, sondern auf
Namen, und diese Ware" in den Büchern der Bank registrirt, Bontoux kannte
also die Aktienbesitzer, und es war ihm leicht, auf diese so einzuwirken, daß sie
dieselben auch unter den stärksten Einflüssen der Gegenpartei nicht abgaben,
sondern festhielten, indem er darauf hinwies, daß am Lieferuugstage die
Kontreminc weder zu den von ihr limitirten niedrigen Kursen, noch über¬
haupt zu liefern imstande sein würde, und daß dann notwendig die Diffe¬
renz, die alsbald zwischen den niedrigen Kursen und dem effektiven Preise,
den nun die wirklichen Inhaber der Aktien nach Belieben feststellen konnten,
als reiner Gewinn ihnen in die Tasche fallen mußte, Bontoux riet also
seinen Klienten, von dem Angebot der Kontremine, das ja lediglich ein fiktives
war und berechnet, mir zu drücken, den möglichsten Vorteil zu ziehen und zu
laufen, was angeboten werde. So war um Liqnidationstage ein ungeheures
Dekouvert vorhanden. Die Verkäufer, welche liefern sollten, besaßen nichts und
konnten nichts erlangen. Die Käufer, denen geliefert werden mußte, hatten
bereits alles Material und gaben nichts ab. So ergab sich denn mit Not¬
wendigkeit das obenbezeichnete Resultat.

In dieser Weise hatte Herr von Rothschild oft genug gehandelt -- nicht
nur gegen seine unmittelbaren und ausgesprochenen Gegner, sondern weit mehr
noch gegen das Publikum, das durch die Vorspiegelungen der kleinen Helfers¬
helfer der Börse, der Makler, der Kommissionäre und Agenten, veranlaßt
worden war, in Blanko zu kaufen öder zu verkaufen, und das dann am Li¬
quidationstage unbarmherzig "abgeschlachtet" wurde. Der Tag des November
im Jahre 1882, wo die Nemesis ein erstesmal auch gegen diese Herren ihr
Haupt erhob, scheint indeß nicht furchtbar genug gewesen zu sein, um ihrem
Treiben Einhalt zu gebieten.

Die Unvorsichtigkeit Bontonx' nach seinem Siege über die Rothschildgruppc
ging aber nach drei Seiten hin; und sie ist so unbegreiflich, daß man versucht
wird anzunehmen, es sei seinen Feinden geglückt, einen irreführender Ein¬
fluß auf ihn zu gewinnen. Zunächst vergaß er, welchem Umstände er eigentlich
seinen Sieg verdankte. Er ließ in der Generalversammlung der Union MneMg be¬
schließen, die Namenaktien in Inhaberaktien umzuwandeln, wodurch er alle Kontrole
über die Besitzer verlor, welche Kontrole doch, wie wir gesehen haben, ihm den
Sieg über seine Gegner in die Hand gegeben hatte. Nunmehr konnte sich eine
Kontremine gegen ihn mit Erfolg etabliren, dieselbe konnte unter der Hand sich
der nötigen Stücke zur Lieferung versichern und damit am Tage einer neuen
Liquidation eine Hausseposition, die damit sofort luftig wurde, über den Haufen
blasen wie ein Kartenhaus. Hierzu kam, daß Bontoux unterließ, sich nach
Möglichkeit neu zu stärken, obgleich er der stärksten Kapitalmacht gegenüber-


Der zweite Pariser Krach.

und Unüberlegtheit. Die Stärke der Position Bontoux' dem ersten Angriffe
Rothschilds gegenüber hatte wesentlich beruht auf der Rcgistrirung der Aktien
der Union ^ensralv. Die Aktien lauteten nicht auf Inhaber, sondern auf
Namen, und diese Ware» in den Büchern der Bank registrirt, Bontoux kannte
also die Aktienbesitzer, und es war ihm leicht, auf diese so einzuwirken, daß sie
dieselben auch unter den stärksten Einflüssen der Gegenpartei nicht abgaben,
sondern festhielten, indem er darauf hinwies, daß am Lieferuugstage die
Kontreminc weder zu den von ihr limitirten niedrigen Kursen, noch über¬
haupt zu liefern imstande sein würde, und daß dann notwendig die Diffe¬
renz, die alsbald zwischen den niedrigen Kursen und dem effektiven Preise,
den nun die wirklichen Inhaber der Aktien nach Belieben feststellen konnten,
als reiner Gewinn ihnen in die Tasche fallen mußte, Bontoux riet also
seinen Klienten, von dem Angebot der Kontremine, das ja lediglich ein fiktives
war und berechnet, mir zu drücken, den möglichsten Vorteil zu ziehen und zu
laufen, was angeboten werde. So war um Liqnidationstage ein ungeheures
Dekouvert vorhanden. Die Verkäufer, welche liefern sollten, besaßen nichts und
konnten nichts erlangen. Die Käufer, denen geliefert werden mußte, hatten
bereits alles Material und gaben nichts ab. So ergab sich denn mit Not¬
wendigkeit das obenbezeichnete Resultat.

In dieser Weise hatte Herr von Rothschild oft genug gehandelt — nicht
nur gegen seine unmittelbaren und ausgesprochenen Gegner, sondern weit mehr
noch gegen das Publikum, das durch die Vorspiegelungen der kleinen Helfers¬
helfer der Börse, der Makler, der Kommissionäre und Agenten, veranlaßt
worden war, in Blanko zu kaufen öder zu verkaufen, und das dann am Li¬
quidationstage unbarmherzig „abgeschlachtet" wurde. Der Tag des November
im Jahre 1882, wo die Nemesis ein erstesmal auch gegen diese Herren ihr
Haupt erhob, scheint indeß nicht furchtbar genug gewesen zu sein, um ihrem
Treiben Einhalt zu gebieten.

Die Unvorsichtigkeit Bontonx' nach seinem Siege über die Rothschildgruppc
ging aber nach drei Seiten hin; und sie ist so unbegreiflich, daß man versucht
wird anzunehmen, es sei seinen Feinden geglückt, einen irreführender Ein¬
fluß auf ihn zu gewinnen. Zunächst vergaß er, welchem Umstände er eigentlich
seinen Sieg verdankte. Er ließ in der Generalversammlung der Union MneMg be¬
schließen, die Namenaktien in Inhaberaktien umzuwandeln, wodurch er alle Kontrole
über die Besitzer verlor, welche Kontrole doch, wie wir gesehen haben, ihm den
Sieg über seine Gegner in die Hand gegeben hatte. Nunmehr konnte sich eine
Kontremine gegen ihn mit Erfolg etabliren, dieselbe konnte unter der Hand sich
der nötigen Stücke zur Lieferung versichern und damit am Tage einer neuen
Liquidation eine Hausseposition, die damit sofort luftig wurde, über den Haufen
blasen wie ein Kartenhaus. Hierzu kam, daß Bontoux unterließ, sich nach
Möglichkeit neu zu stärken, obgleich er der stärksten Kapitalmacht gegenüber-


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[0406] Der zweite Pariser Krach. und Unüberlegtheit. Die Stärke der Position Bontoux' dem ersten Angriffe Rothschilds gegenüber hatte wesentlich beruht auf der Rcgistrirung der Aktien der Union ^ensralv. Die Aktien lauteten nicht auf Inhaber, sondern auf Namen, und diese Ware» in den Büchern der Bank registrirt, Bontoux kannte also die Aktienbesitzer, und es war ihm leicht, auf diese so einzuwirken, daß sie dieselben auch unter den stärksten Einflüssen der Gegenpartei nicht abgaben, sondern festhielten, indem er darauf hinwies, daß am Lieferuugstage die Kontreminc weder zu den von ihr limitirten niedrigen Kursen, noch über¬ haupt zu liefern imstande sein würde, und daß dann notwendig die Diffe¬ renz, die alsbald zwischen den niedrigen Kursen und dem effektiven Preise, den nun die wirklichen Inhaber der Aktien nach Belieben feststellen konnten, als reiner Gewinn ihnen in die Tasche fallen mußte, Bontoux riet also seinen Klienten, von dem Angebot der Kontremine, das ja lediglich ein fiktives war und berechnet, mir zu drücken, den möglichsten Vorteil zu ziehen und zu laufen, was angeboten werde. So war um Liqnidationstage ein ungeheures Dekouvert vorhanden. Die Verkäufer, welche liefern sollten, besaßen nichts und konnten nichts erlangen. Die Käufer, denen geliefert werden mußte, hatten bereits alles Material und gaben nichts ab. So ergab sich denn mit Not¬ wendigkeit das obenbezeichnete Resultat. In dieser Weise hatte Herr von Rothschild oft genug gehandelt — nicht nur gegen seine unmittelbaren und ausgesprochenen Gegner, sondern weit mehr noch gegen das Publikum, das durch die Vorspiegelungen der kleinen Helfers¬ helfer der Börse, der Makler, der Kommissionäre und Agenten, veranlaßt worden war, in Blanko zu kaufen öder zu verkaufen, und das dann am Li¬ quidationstage unbarmherzig „abgeschlachtet" wurde. Der Tag des November im Jahre 1882, wo die Nemesis ein erstesmal auch gegen diese Herren ihr Haupt erhob, scheint indeß nicht furchtbar genug gewesen zu sein, um ihrem Treiben Einhalt zu gebieten. Die Unvorsichtigkeit Bontonx' nach seinem Siege über die Rothschildgruppc ging aber nach drei Seiten hin; und sie ist so unbegreiflich, daß man versucht wird anzunehmen, es sei seinen Feinden geglückt, einen irreführender Ein¬ fluß auf ihn zu gewinnen. Zunächst vergaß er, welchem Umstände er eigentlich seinen Sieg verdankte. Er ließ in der Generalversammlung der Union MneMg be¬ schließen, die Namenaktien in Inhaberaktien umzuwandeln, wodurch er alle Kontrole über die Besitzer verlor, welche Kontrole doch, wie wir gesehen haben, ihm den Sieg über seine Gegner in die Hand gegeben hatte. Nunmehr konnte sich eine Kontremine gegen ihn mit Erfolg etabliren, dieselbe konnte unter der Hand sich der nötigen Stücke zur Lieferung versichern und damit am Tage einer neuen Liquidation eine Hausseposition, die damit sofort luftig wurde, über den Haufen blasen wie ein Kartenhaus. Hierzu kam, daß Bontoux unterließ, sich nach Möglichkeit neu zu stärken, obgleich er der stärksten Kapitalmacht gegenüber-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/406>, abgerufen am 01.07.2024.