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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Der zweite Pariser Rr-ich.

Einflüsse irgend etwas anzuhaben. Und daß etwa die französische Regierung
einen finanziellen Konkurrenten irgendwie begünstigen könne, daran ist nicht zu
denken. Die Abhängigkeit dieser Regierung und auch die des französischen
Parlaments von der Börse ist besiegelt.

Im cisleithanischen Österreich aber hatte die Regierung thatsächlich revo¬
lutionäre Gedanken, und deshalb war Bontoux in Wien keineswegs so leicht
zu nehmen wie in Paris. Seit der Gründung der Läuderbank, von der
aus sofort die bedeutendsten Finanzgeschäfte, welche insbesondre die entstehenden
orientalischen Verhältnisse in die Hände Bontoux' bringen sollten, war an der
Donau Gefahr für die Rothschildgruppe und deren Hanptaktionsinstrnment, die
Österreichische Kreditanstalt, entstanden. Bontoux beabsichtigte, indem er sich
zunächst in Serbien festsetzte, nichts geringeres, als von hier aus das ganze
türkische Eisenbahnwesen und das Monopolwesen dort wenigstens nach Thunlich-
keit in seine Gewalt zu bringen. Und wäre ihm dies gelungen, so hätte aller¬
dings der Nothschildsche Einfluß an der Donau den schwersten Schlag er¬
litten. Die Rückwirkung des angebahnten serbischen Erfolges auf Ungarn war
schon bemerklich, und in Osterreich ging Bontoux der Rothschildscheu Position
bereits ohne alle Rücksicht zu Leibe durch verschiedne Gründungen, welche gewisse
Nothschildsche Monopole direkt angriffen. So durch die Alpine Montangesellschaft,
welche bestimmt war, den noch nicht in Nothschildsche Abhängigkeit geratenen
Hüttenwerken Österreichs einen Zentralpnnkt für eine gegen Rothschild zu er¬
öffnende Konkurrenz zu bieten.

In der That, so viele kleine Konkurrenten im Laufe der Zeit auch Roth¬
schild gegeuübergetreten waren, so stark und mit so geschickter Benutzung
schwacher Punkte war noch keiner aufgetreten. Und zugleich war nach dem
Stande der Verhältnisse auch garnicht daran zu denken, diesen Gegner aus dem
Boden, wo er so stark auftrat, anzugreifen und zu stürzen. Man mußte ihn
daher in Paris, wo er an sich wenig gefährlich war, wo er aber seine Reserven
hatte, zu fassen suchen. Daher wurde denn auch der Nothschildsche Angriff
gegen Bontoux dort mit größter Schärfe geführt. Es entwickelte sich eine so
mächtige Kontremine gegen die Bontoux-Werte, insbesondre die Aktien der Union
AMLi'iüg, daß der Sturz Bontoux' schon im November 1881 unvermeidlich
schien. Indeß schlug er den Angriff glänzend ab, die Gegner vermochten am
Liquidationstage die Stücke, welche sie zu jedem Preise verkauft hatten, nicht
zu liefern, da dieselben von Bontoux und seineu Freunden festgehalten wurden.
Bontoux diktirte nun den Liquidationskurs, der fast sechsmal den nomineller
Wert der Titel überstieg, und es kam im Hause Rothschild zu jener geheimnis¬
vollen blutigen Katastrophe, die man vergeblich durch die sonderbarsten Mittel
zu verheimlichen gesucht hat.

Bvntonx stürzte aber doch wenige Monate später, allerdings weniger durch
das Geschick seiner Gegner, als durch seine eigne unbegreifliche Unvorsichtigkeit


Der zweite Pariser Rr-ich.

Einflüsse irgend etwas anzuhaben. Und daß etwa die französische Regierung
einen finanziellen Konkurrenten irgendwie begünstigen könne, daran ist nicht zu
denken. Die Abhängigkeit dieser Regierung und auch die des französischen
Parlaments von der Börse ist besiegelt.

Im cisleithanischen Österreich aber hatte die Regierung thatsächlich revo¬
lutionäre Gedanken, und deshalb war Bontoux in Wien keineswegs so leicht
zu nehmen wie in Paris. Seit der Gründung der Läuderbank, von der
aus sofort die bedeutendsten Finanzgeschäfte, welche insbesondre die entstehenden
orientalischen Verhältnisse in die Hände Bontoux' bringen sollten, war an der
Donau Gefahr für die Rothschildgruppe und deren Hanptaktionsinstrnment, die
Österreichische Kreditanstalt, entstanden. Bontoux beabsichtigte, indem er sich
zunächst in Serbien festsetzte, nichts geringeres, als von hier aus das ganze
türkische Eisenbahnwesen und das Monopolwesen dort wenigstens nach Thunlich-
keit in seine Gewalt zu bringen. Und wäre ihm dies gelungen, so hätte aller¬
dings der Nothschildsche Einfluß an der Donau den schwersten Schlag er¬
litten. Die Rückwirkung des angebahnten serbischen Erfolges auf Ungarn war
schon bemerklich, und in Osterreich ging Bontoux der Rothschildscheu Position
bereits ohne alle Rücksicht zu Leibe durch verschiedne Gründungen, welche gewisse
Nothschildsche Monopole direkt angriffen. So durch die Alpine Montangesellschaft,
welche bestimmt war, den noch nicht in Nothschildsche Abhängigkeit geratenen
Hüttenwerken Österreichs einen Zentralpnnkt für eine gegen Rothschild zu er¬
öffnende Konkurrenz zu bieten.

In der That, so viele kleine Konkurrenten im Laufe der Zeit auch Roth¬
schild gegeuübergetreten waren, so stark und mit so geschickter Benutzung
schwacher Punkte war noch keiner aufgetreten. Und zugleich war nach dem
Stande der Verhältnisse auch garnicht daran zu denken, diesen Gegner aus dem
Boden, wo er so stark auftrat, anzugreifen und zu stürzen. Man mußte ihn
daher in Paris, wo er an sich wenig gefährlich war, wo er aber seine Reserven
hatte, zu fassen suchen. Daher wurde denn auch der Nothschildsche Angriff
gegen Bontoux dort mit größter Schärfe geführt. Es entwickelte sich eine so
mächtige Kontremine gegen die Bontoux-Werte, insbesondre die Aktien der Union
AMLi'iüg, daß der Sturz Bontoux' schon im November 1881 unvermeidlich
schien. Indeß schlug er den Angriff glänzend ab, die Gegner vermochten am
Liquidationstage die Stücke, welche sie zu jedem Preise verkauft hatten, nicht
zu liefern, da dieselben von Bontoux und seineu Freunden festgehalten wurden.
Bontoux diktirte nun den Liquidationskurs, der fast sechsmal den nomineller
Wert der Titel überstieg, und es kam im Hause Rothschild zu jener geheimnis¬
vollen blutigen Katastrophe, die man vergeblich durch die sonderbarsten Mittel
zu verheimlichen gesucht hat.

Bvntonx stürzte aber doch wenige Monate später, allerdings weniger durch
das Geschick seiner Gegner, als durch seine eigne unbegreifliche Unvorsichtigkeit


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[0405] Der zweite Pariser Rr-ich. Einflüsse irgend etwas anzuhaben. Und daß etwa die französische Regierung einen finanziellen Konkurrenten irgendwie begünstigen könne, daran ist nicht zu denken. Die Abhängigkeit dieser Regierung und auch die des französischen Parlaments von der Börse ist besiegelt. Im cisleithanischen Österreich aber hatte die Regierung thatsächlich revo¬ lutionäre Gedanken, und deshalb war Bontoux in Wien keineswegs so leicht zu nehmen wie in Paris. Seit der Gründung der Läuderbank, von der aus sofort die bedeutendsten Finanzgeschäfte, welche insbesondre die entstehenden orientalischen Verhältnisse in die Hände Bontoux' bringen sollten, war an der Donau Gefahr für die Rothschildgruppe und deren Hanptaktionsinstrnment, die Österreichische Kreditanstalt, entstanden. Bontoux beabsichtigte, indem er sich zunächst in Serbien festsetzte, nichts geringeres, als von hier aus das ganze türkische Eisenbahnwesen und das Monopolwesen dort wenigstens nach Thunlich- keit in seine Gewalt zu bringen. Und wäre ihm dies gelungen, so hätte aller¬ dings der Nothschildsche Einfluß an der Donau den schwersten Schlag er¬ litten. Die Rückwirkung des angebahnten serbischen Erfolges auf Ungarn war schon bemerklich, und in Osterreich ging Bontoux der Rothschildscheu Position bereits ohne alle Rücksicht zu Leibe durch verschiedne Gründungen, welche gewisse Nothschildsche Monopole direkt angriffen. So durch die Alpine Montangesellschaft, welche bestimmt war, den noch nicht in Nothschildsche Abhängigkeit geratenen Hüttenwerken Österreichs einen Zentralpnnkt für eine gegen Rothschild zu er¬ öffnende Konkurrenz zu bieten. In der That, so viele kleine Konkurrenten im Laufe der Zeit auch Roth¬ schild gegeuübergetreten waren, so stark und mit so geschickter Benutzung schwacher Punkte war noch keiner aufgetreten. Und zugleich war nach dem Stande der Verhältnisse auch garnicht daran zu denken, diesen Gegner aus dem Boden, wo er so stark auftrat, anzugreifen und zu stürzen. Man mußte ihn daher in Paris, wo er an sich wenig gefährlich war, wo er aber seine Reserven hatte, zu fassen suchen. Daher wurde denn auch der Nothschildsche Angriff gegen Bontoux dort mit größter Schärfe geführt. Es entwickelte sich eine so mächtige Kontremine gegen die Bontoux-Werte, insbesondre die Aktien der Union AMLi'iüg, daß der Sturz Bontoux' schon im November 1881 unvermeidlich schien. Indeß schlug er den Angriff glänzend ab, die Gegner vermochten am Liquidationstage die Stücke, welche sie zu jedem Preise verkauft hatten, nicht zu liefern, da dieselben von Bontoux und seineu Freunden festgehalten wurden. Bontoux diktirte nun den Liquidationskurs, der fast sechsmal den nomineller Wert der Titel überstieg, und es kam im Hause Rothschild zu jener geheimnis¬ vollen blutigen Katastrophe, die man vergeblich durch die sonderbarsten Mittel zu verheimlichen gesucht hat. Bvntonx stürzte aber doch wenige Monate später, allerdings weniger durch das Geschick seiner Gegner, als durch seine eigne unbegreifliche Unvorsichtigkeit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/405>, abgerufen am 29.06.2024.