Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.Der Regen. Witterungsprognosen anfangen soll; es mißversteht sie und unterläßt es meist, Hier fehlt es noch an einer genügenden Organisation. Es scheint, als Kleinere Staaten wie Sachsen sind dem größer" Nachbar mit gutem Bei¬ Der Regen. Witterungsprognosen anfangen soll; es mißversteht sie und unterläßt es meist, Hier fehlt es noch an einer genügenden Organisation. Es scheint, als Kleinere Staaten wie Sachsen sind dem größer» Nachbar mit gutem Bei¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0368" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/152046"/> <fw type="header" place="top"> Der Regen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1278" prev="#ID_1277"> Witterungsprognosen anfangen soll; es mißversteht sie und unterläßt es meist,<lb/> die allgemeine Prognose der Hamburger Seewarte, welche ganz Mitteleuropa<lb/> umfaßt, zu lotalisiren. Natürlich muß ein von der Wetterwarte vorausgesagter<lb/> Regen zu andrer Zeit und andrer Weise auftreten, je nachdem die Lokalbeobachtnng<lb/> in Köln oder München oder Breslau stattfindet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1279"> Hier fehlt es noch an einer genügenden Organisation. Es scheint, als<lb/> sollten die politischen Nöte, aus denen wir Deutschen nun einmal nicht heraus¬<lb/> kommen, auch nach der Richtung des Wetterdienstes von übeln Einflüsse sei».<lb/> Schon seit Jahren wird im preußischen Abgeordnetenhaus? wie auch im Reichs¬<lb/> tage auf eine Organisation des Wetterdienstes gedrängt, aber ohne Erfolg. Die<lb/> Reservatrechte der Mittelstaatcn in Bezug auf den Post- und Telegraphendienst<lb/> haben es verhindert, daß der Plan ernstlich in die Hand genommen wurde.<lb/> Sodann hat man es aber auch in Preußen überhaupt nicht allzueilig, Geld<lb/> auszugeben für Dinge, deren praktischer Nutzen noch nicht zahlenmäßig fest¬<lb/> steht. Man hofft, daß die gegenwärtigen Überschwemmungen die Sache in Fluß<lb/> bringen werden; ich glaube es nicht, denn in der That würde eine Organisation<lb/> des Wetterdienstes solche Ereignisse weder voraussagen noch abwenden können.</p><lb/> <p xml:id="ID_1280"> Kleinere Staaten wie Sachsen sind dem größer» Nachbar mit gutem Bei¬<lb/> spiele vorausgegangen. In Preußen, besonders in der Provinz Sachsen ist auf An¬<lb/> regung der MagdebnrgischenZeituug ein landwirtschaftlicher meteorologischer Verein<lb/> ins Leben getreten. Ob freilich mit den Kräften von Privatleuten eine große<lb/> Organisation für die Dauer aufrecht erhalten werden kann, scheint zweifelhaft,<lb/> umsomehr, als man in den weitern Kreisen von dem direkten praktischen Werte<lb/> der Wetterbeobachtungen noch sehr unzutreffende Vorstellungen hat. Ihr Wert<lb/> wird entweder überschätzt, worauf dann die Enttäuschung nicht ausbleiben kann,<lb/> oder, wie oben gezeigt, man versteht nicht die allgemeine Prognose zu lotalisiren.<lb/> Es fehlt gewiß nicht in jedem Zentrum einer Provinz an einem unterrichteten<lb/> Manne, welcher es übernehmen würde, die allgemeine Prognose zu individuali-<lb/> siren; es kommt nur darauf an, eine möglichst allgemeine und schnelle Ver¬<lb/> breitung zu verschaffen. Man ist hierbei zunächst noch auf die Presse an¬<lb/> gewiesen; es müßte möglich sein, daß auch Lokalblätter die bekannten Wetterbild¬<lb/> karten bringen und mit einer erläuternden Bemerkung versehen. Bisher haben<lb/> nur wenige große Blätter das Opfer gebracht, Karten herstellen zu lassen, von<lb/> denen die meisten recht gut sind, diejenige des größten Neklameblattes in<lb/> Deutschland sehr schlecht ist.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0368]
Der Regen.
Witterungsprognosen anfangen soll; es mißversteht sie und unterläßt es meist,
die allgemeine Prognose der Hamburger Seewarte, welche ganz Mitteleuropa
umfaßt, zu lotalisiren. Natürlich muß ein von der Wetterwarte vorausgesagter
Regen zu andrer Zeit und andrer Weise auftreten, je nachdem die Lokalbeobachtnng
in Köln oder München oder Breslau stattfindet.
Hier fehlt es noch an einer genügenden Organisation. Es scheint, als
sollten die politischen Nöte, aus denen wir Deutschen nun einmal nicht heraus¬
kommen, auch nach der Richtung des Wetterdienstes von übeln Einflüsse sei».
Schon seit Jahren wird im preußischen Abgeordnetenhaus? wie auch im Reichs¬
tage auf eine Organisation des Wetterdienstes gedrängt, aber ohne Erfolg. Die
Reservatrechte der Mittelstaatcn in Bezug auf den Post- und Telegraphendienst
haben es verhindert, daß der Plan ernstlich in die Hand genommen wurde.
Sodann hat man es aber auch in Preußen überhaupt nicht allzueilig, Geld
auszugeben für Dinge, deren praktischer Nutzen noch nicht zahlenmäßig fest¬
steht. Man hofft, daß die gegenwärtigen Überschwemmungen die Sache in Fluß
bringen werden; ich glaube es nicht, denn in der That würde eine Organisation
des Wetterdienstes solche Ereignisse weder voraussagen noch abwenden können.
Kleinere Staaten wie Sachsen sind dem größer» Nachbar mit gutem Bei¬
spiele vorausgegangen. In Preußen, besonders in der Provinz Sachsen ist auf An¬
regung der MagdebnrgischenZeituug ein landwirtschaftlicher meteorologischer Verein
ins Leben getreten. Ob freilich mit den Kräften von Privatleuten eine große
Organisation für die Dauer aufrecht erhalten werden kann, scheint zweifelhaft,
umsomehr, als man in den weitern Kreisen von dem direkten praktischen Werte
der Wetterbeobachtungen noch sehr unzutreffende Vorstellungen hat. Ihr Wert
wird entweder überschätzt, worauf dann die Enttäuschung nicht ausbleiben kann,
oder, wie oben gezeigt, man versteht nicht die allgemeine Prognose zu lotalisiren.
Es fehlt gewiß nicht in jedem Zentrum einer Provinz an einem unterrichteten
Manne, welcher es übernehmen würde, die allgemeine Prognose zu individuali-
siren; es kommt nur darauf an, eine möglichst allgemeine und schnelle Ver¬
breitung zu verschaffen. Man ist hierbei zunächst noch auf die Presse an¬
gewiesen; es müßte möglich sein, daß auch Lokalblätter die bekannten Wetterbild¬
karten bringen und mit einer erläuternden Bemerkung versehen. Bisher haben
nur wenige große Blätter das Opfer gebracht, Karten herstellen zu lassen, von
denen die meisten recht gut sind, diejenige des größten Neklameblattes in
Deutschland sehr schlecht ist.
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