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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Harmonie der Farben und der Töne.

kraft noch immer von den Physikern perhorrescirt wird, obgleich sich sämtliche
Erscheinungen in diesem Gebiete auf die einfachste und natürlichste Weise
daraus erklären lasse", während dies auf Grund der Newtonschen durchaus
hypothetischen Theorie keineswegs oder nur mit Hilfe neuer, sehr gewagter
Hypothesen in sehr gezwungener Weise möglich ist. Man muß daher Schopenhauer
Recht geben, wenn er die Annahme, das reine weiße Licht sei aus sieben farbigen
Strahlen, und die absolute Helligkeit aus sieben Dunkelheiten zusammengesetzt, mit
der Behauptung vergleicht, eine einfache Wahrheit sei aus sieben Irrtümern
oder ein genialer Gedanke aus sieben Albernheiten zusammengesetzt, Auch Goethe
macht sich in seinen "zahmen Xenien" darüber lustig durch das Epigramm:


Es lehrt ein großer Physikiis
Und seine Anverwandten:
Nil luoo obsourius.
Jawohl I Fiir Obskuranten I*)

Kommen wir nunmehr zu der Frage nach der Analogie der Farben mit
den Tönen zurück. Die Newtousche Theorie hat in neuerer Zeit dazu geführt,
die Schwingungen des sogenannten Äthers, dessen durchaus problematische
Existenz von den Physikern ohne weiteres als feststehende Thatsache ange¬
nommen wird, zu messen, wodurch Zahlen herauskommen, die dem Laien dnrch
ihre Ungeheuerlichkeit imponiren (oben habe ich ein Beispiel davon angeführt).
Diese Messungen haben z. B. Unger veranlaßt, eine Theorie der Farbenharmonie,
begründet auf die Vergleichung der Lichtwellenverhältnisse mit den musikalischen
Intervallen, aufzustellen, indem er eine sogenannte "chromharmonische Scheibe"
konstrnirte, welche zwölf verschiedene -- d. h. sieben ganze und fünf halbe --
Farbentöne enthielt, die den zwölf halben Tönen der Tonleiter entsprechen
sollten. Abweichend davon, aber immer im Zusammenhang mit der Newtonschen
Theorie, wollte Preyer in Jena gefunden haben, daß die Schwingungen der
sieben -- denn sieben müssen es einmal sein -- einfachen Farben in ihren
Schwingnngszahlen genau denen der diatonischen Tonleiter entsprächen, wo¬
gegen Listing herausrechnete, daß die Schwingnngszahlen der Hauptfarben eine
arithmetische Reihe bilden, was bekanntlich bei der Tonskala nicht der Fall ist.
So hebt immer eine Berechnung der Physiker, obschon sie sämtlich auf dem
Prinzip der Siebenfarbentheorie beruhen, die andern auf -- der beste Beweis
für die Haltlosigkeit der ganzen Theorie.



*) Ein andermal sagt er:

Spaltet nur immer das Licht! Wie öfters strebt ihr zu trennen,

Was euch allen zum Trotz eins und ein einziges bleibt.
Neu ist der Einfall nicht; hat man doch selber den höchsten,

Einzigsten reinen Begriff Gottes in Teile zerlegt!

Die Harmonie der Farben und der Töne.

kraft noch immer von den Physikern perhorrescirt wird, obgleich sich sämtliche
Erscheinungen in diesem Gebiete auf die einfachste und natürlichste Weise
daraus erklären lasse», während dies auf Grund der Newtonschen durchaus
hypothetischen Theorie keineswegs oder nur mit Hilfe neuer, sehr gewagter
Hypothesen in sehr gezwungener Weise möglich ist. Man muß daher Schopenhauer
Recht geben, wenn er die Annahme, das reine weiße Licht sei aus sieben farbigen
Strahlen, und die absolute Helligkeit aus sieben Dunkelheiten zusammengesetzt, mit
der Behauptung vergleicht, eine einfache Wahrheit sei aus sieben Irrtümern
oder ein genialer Gedanke aus sieben Albernheiten zusammengesetzt, Auch Goethe
macht sich in seinen „zahmen Xenien" darüber lustig durch das Epigramm:


Es lehrt ein großer Physikiis
Und seine Anverwandten:
Nil luoo obsourius.
Jawohl I Fiir Obskuranten I*)

Kommen wir nunmehr zu der Frage nach der Analogie der Farben mit
den Tönen zurück. Die Newtousche Theorie hat in neuerer Zeit dazu geführt,
die Schwingungen des sogenannten Äthers, dessen durchaus problematische
Existenz von den Physikern ohne weiteres als feststehende Thatsache ange¬
nommen wird, zu messen, wodurch Zahlen herauskommen, die dem Laien dnrch
ihre Ungeheuerlichkeit imponiren (oben habe ich ein Beispiel davon angeführt).
Diese Messungen haben z. B. Unger veranlaßt, eine Theorie der Farbenharmonie,
begründet auf die Vergleichung der Lichtwellenverhältnisse mit den musikalischen
Intervallen, aufzustellen, indem er eine sogenannte „chromharmonische Scheibe"
konstrnirte, welche zwölf verschiedene — d. h. sieben ganze und fünf halbe —
Farbentöne enthielt, die den zwölf halben Tönen der Tonleiter entsprechen
sollten. Abweichend davon, aber immer im Zusammenhang mit der Newtonschen
Theorie, wollte Preyer in Jena gefunden haben, daß die Schwingungen der
sieben — denn sieben müssen es einmal sein — einfachen Farben in ihren
Schwingnngszahlen genau denen der diatonischen Tonleiter entsprächen, wo¬
gegen Listing herausrechnete, daß die Schwingnngszahlen der Hauptfarben eine
arithmetische Reihe bilden, was bekanntlich bei der Tonskala nicht der Fall ist.
So hebt immer eine Berechnung der Physiker, obschon sie sämtlich auf dem
Prinzip der Siebenfarbentheorie beruhen, die andern auf — der beste Beweis
für die Haltlosigkeit der ganzen Theorie.



*) Ein andermal sagt er:

Spaltet nur immer das Licht! Wie öfters strebt ihr zu trennen,

Was euch allen zum Trotz eins und ein einziges bleibt.
Neu ist der Einfall nicht; hat man doch selber den höchsten,

Einzigsten reinen Begriff Gottes in Teile zerlegt!

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[0266] Die Harmonie der Farben und der Töne. kraft noch immer von den Physikern perhorrescirt wird, obgleich sich sämtliche Erscheinungen in diesem Gebiete auf die einfachste und natürlichste Weise daraus erklären lasse», während dies auf Grund der Newtonschen durchaus hypothetischen Theorie keineswegs oder nur mit Hilfe neuer, sehr gewagter Hypothesen in sehr gezwungener Weise möglich ist. Man muß daher Schopenhauer Recht geben, wenn er die Annahme, das reine weiße Licht sei aus sieben farbigen Strahlen, und die absolute Helligkeit aus sieben Dunkelheiten zusammengesetzt, mit der Behauptung vergleicht, eine einfache Wahrheit sei aus sieben Irrtümern oder ein genialer Gedanke aus sieben Albernheiten zusammengesetzt, Auch Goethe macht sich in seinen „zahmen Xenien" darüber lustig durch das Epigramm: Es lehrt ein großer Physikiis Und seine Anverwandten: Nil luoo obsourius. Jawohl I Fiir Obskuranten I*) Kommen wir nunmehr zu der Frage nach der Analogie der Farben mit den Tönen zurück. Die Newtousche Theorie hat in neuerer Zeit dazu geführt, die Schwingungen des sogenannten Äthers, dessen durchaus problematische Existenz von den Physikern ohne weiteres als feststehende Thatsache ange¬ nommen wird, zu messen, wodurch Zahlen herauskommen, die dem Laien dnrch ihre Ungeheuerlichkeit imponiren (oben habe ich ein Beispiel davon angeführt). Diese Messungen haben z. B. Unger veranlaßt, eine Theorie der Farbenharmonie, begründet auf die Vergleichung der Lichtwellenverhältnisse mit den musikalischen Intervallen, aufzustellen, indem er eine sogenannte „chromharmonische Scheibe" konstrnirte, welche zwölf verschiedene — d. h. sieben ganze und fünf halbe — Farbentöne enthielt, die den zwölf halben Tönen der Tonleiter entsprechen sollten. Abweichend davon, aber immer im Zusammenhang mit der Newtonschen Theorie, wollte Preyer in Jena gefunden haben, daß die Schwingungen der sieben — denn sieben müssen es einmal sein — einfachen Farben in ihren Schwingnngszahlen genau denen der diatonischen Tonleiter entsprächen, wo¬ gegen Listing herausrechnete, daß die Schwingnngszahlen der Hauptfarben eine arithmetische Reihe bilden, was bekanntlich bei der Tonskala nicht der Fall ist. So hebt immer eine Berechnung der Physiker, obschon sie sämtlich auf dem Prinzip der Siebenfarbentheorie beruhen, die andern auf — der beste Beweis für die Haltlosigkeit der ganzen Theorie. *) Ein andermal sagt er: Spaltet nur immer das Licht! Wie öfters strebt ihr zu trennen, Was euch allen zum Trotz eins und ein einziges bleibt. Neu ist der Einfall nicht; hat man doch selber den höchsten, Einzigsten reinen Begriff Gottes in Teile zerlegt!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/266>, abgerufen am 23.07.2024.