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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Harmonie der Farben und der Töne,

von Farbenpaaren die Rede sein könne, schon aus diesem Grunde -- abgesehen
von allen andern Momenten -- die Siebenfarbentheoric einen Widerspruch
gegen die wirkliche Natur der Farben enthalte, weil sie eine ungerade Zahl von
einfachen Farben oder, wie der doktrinäre Ausdruck lautet, von "sieben homogenen
farbigen Lichtstrahlen" annimmt, durch das obige Gesetz der Komplementarität
zur zweifellosen Gewißheit erhoben.

Was daher von einer Parallelisiruug der Farben mit den Tönen hin¬
sichtlich ihrer analogen harmonischen Verhältnisse zu halten sei, die ans diese
falsche Theorie sich gründet, kann man von vornherein schon ermessen: sie ist
in Wahrheit nichts andres als -- um mit Herrn Dubois-Rehmonds, allerdings
in andrer Richtung zur Anwendung kommenden Worten zu rede" -- die "tot
geborne Spielerei" (zwar nicht eines "nntodidaktischeu Dilettanten," wie er die
Farbentheorie Goethes bezeichnet, sondern) eines im Autoritätsglauben be¬
fangenen Fachwissenschaftlers. Als eine solche Spielerei ist namentlich das von
dem Jesuiten Peter Louis Castel erfundene "Farbenklavier" zu bezeichnen, auf
welchem die sieben prismatischen Farben der Art mit den sieben Tönen der
musikalischen Tonleiter in Verbindung gebracht waren, daß beim Anschlagen einer
Taste ein mit einer bestimmten Farbe bemaltes Täfelchen aufklappte, während
gleichzeitig der ihr angeblich entsprechende Ton geflötet wurde. Welche konfuse
Vorstellung der Erfinder dieses famosen Instrumentes von der Natur der Farben
hatte, ersieht man aus der Art, wie er sie unter die Töne zu verteilen suchte.
Blau nämlich bezeichnete er -- aus welchem Grnnde, behielt er für sich --
als den Grundton 0', Rot als die Quint v, Gelb als die Terz über die
übrigen dazwischenliegenden Farben und Töne aber disponirte er auf die Weise,
daß er Grün, weil es zwischen dem Grundton und der Terz in der Mitte liegt,
mit v, Violett dagegen, welches, da es doch zwischen Rot und Blan liegt, ans
demselben Grunde mit L hätte bezeichnet werden müssen, mit ^ markirte, weil
ü schon für Gelb in Anspruch genommen war. Diese unlogische Konsequenz
weist schon den Widerspruch in solcher Parallelisirnng auf, ganz abgesehen von
der Willkür in der ganzen Zusammenstellung. Was die noch fehlenden Töne
betrifft, so sollte ? dem Rosa, d. h. einer bloßen Mischung von Rot und Weiß,
die hier also als einfache Farbe eingeführt wurde, und schließlich H einem
"etwas brennenden" (!) Blau -- einer ganz neuen Erfindung, welche insofern
von Interesse ist, als damit die kälteste aller Farben zur wärmsten gestempelt
wurde -- entsprechen. Nicht nur der bis zur Sinnlosigkeit gehende Wider¬
spruch in der Zusammenstellung selbst, sondern auch, als Konsequenz davon, der
völlige Mangel eines Verständnisses von der Natur der Farben liegt in dieser
phantastischen Spielerei so auf der Hand, daß es keines besondern Nachweises
desselben bedarf und man sich nnr wundern muß, wie selbst in den physikalische"
Lehrbüchern der Gegenwart noch immer frischweg i" Bezug auf Farben von
Terzen, Quinten u. s. f. geredet wird. Die einfache und naheliegende Erwägmig,


Die Harmonie der Farben und der Töne,

von Farbenpaaren die Rede sein könne, schon aus diesem Grunde — abgesehen
von allen andern Momenten — die Siebenfarbentheoric einen Widerspruch
gegen die wirkliche Natur der Farben enthalte, weil sie eine ungerade Zahl von
einfachen Farben oder, wie der doktrinäre Ausdruck lautet, von „sieben homogenen
farbigen Lichtstrahlen" annimmt, durch das obige Gesetz der Komplementarität
zur zweifellosen Gewißheit erhoben.

Was daher von einer Parallelisiruug der Farben mit den Tönen hin¬
sichtlich ihrer analogen harmonischen Verhältnisse zu halten sei, die ans diese
falsche Theorie sich gründet, kann man von vornherein schon ermessen: sie ist
in Wahrheit nichts andres als — um mit Herrn Dubois-Rehmonds, allerdings
in andrer Richtung zur Anwendung kommenden Worten zu rede» — die „tot
geborne Spielerei" (zwar nicht eines „nntodidaktischeu Dilettanten," wie er die
Farbentheorie Goethes bezeichnet, sondern) eines im Autoritätsglauben be¬
fangenen Fachwissenschaftlers. Als eine solche Spielerei ist namentlich das von
dem Jesuiten Peter Louis Castel erfundene „Farbenklavier" zu bezeichnen, auf
welchem die sieben prismatischen Farben der Art mit den sieben Tönen der
musikalischen Tonleiter in Verbindung gebracht waren, daß beim Anschlagen einer
Taste ein mit einer bestimmten Farbe bemaltes Täfelchen aufklappte, während
gleichzeitig der ihr angeblich entsprechende Ton geflötet wurde. Welche konfuse
Vorstellung der Erfinder dieses famosen Instrumentes von der Natur der Farben
hatte, ersieht man aus der Art, wie er sie unter die Töne zu verteilen suchte.
Blau nämlich bezeichnete er — aus welchem Grnnde, behielt er für sich —
als den Grundton 0', Rot als die Quint v, Gelb als die Terz über die
übrigen dazwischenliegenden Farben und Töne aber disponirte er auf die Weise,
daß er Grün, weil es zwischen dem Grundton und der Terz in der Mitte liegt,
mit v, Violett dagegen, welches, da es doch zwischen Rot und Blan liegt, ans
demselben Grunde mit L hätte bezeichnet werden müssen, mit ^ markirte, weil
ü schon für Gelb in Anspruch genommen war. Diese unlogische Konsequenz
weist schon den Widerspruch in solcher Parallelisirnng auf, ganz abgesehen von
der Willkür in der ganzen Zusammenstellung. Was die noch fehlenden Töne
betrifft, so sollte ? dem Rosa, d. h. einer bloßen Mischung von Rot und Weiß,
die hier also als einfache Farbe eingeführt wurde, und schließlich H einem
„etwas brennenden" (!) Blau — einer ganz neuen Erfindung, welche insofern
von Interesse ist, als damit die kälteste aller Farben zur wärmsten gestempelt
wurde — entsprechen. Nicht nur der bis zur Sinnlosigkeit gehende Wider¬
spruch in der Zusammenstellung selbst, sondern auch, als Konsequenz davon, der
völlige Mangel eines Verständnisses von der Natur der Farben liegt in dieser
phantastischen Spielerei so auf der Hand, daß es keines besondern Nachweises
desselben bedarf und man sich nnr wundern muß, wie selbst in den physikalische»
Lehrbüchern der Gegenwart noch immer frischweg i» Bezug auf Farben von
Terzen, Quinten u. s. f. geredet wird. Die einfache und naheliegende Erwägmig,


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[0264] Die Harmonie der Farben und der Töne, von Farbenpaaren die Rede sein könne, schon aus diesem Grunde — abgesehen von allen andern Momenten — die Siebenfarbentheoric einen Widerspruch gegen die wirkliche Natur der Farben enthalte, weil sie eine ungerade Zahl von einfachen Farben oder, wie der doktrinäre Ausdruck lautet, von „sieben homogenen farbigen Lichtstrahlen" annimmt, durch das obige Gesetz der Komplementarität zur zweifellosen Gewißheit erhoben. Was daher von einer Parallelisiruug der Farben mit den Tönen hin¬ sichtlich ihrer analogen harmonischen Verhältnisse zu halten sei, die ans diese falsche Theorie sich gründet, kann man von vornherein schon ermessen: sie ist in Wahrheit nichts andres als — um mit Herrn Dubois-Rehmonds, allerdings in andrer Richtung zur Anwendung kommenden Worten zu rede» — die „tot geborne Spielerei" (zwar nicht eines „nntodidaktischeu Dilettanten," wie er die Farbentheorie Goethes bezeichnet, sondern) eines im Autoritätsglauben be¬ fangenen Fachwissenschaftlers. Als eine solche Spielerei ist namentlich das von dem Jesuiten Peter Louis Castel erfundene „Farbenklavier" zu bezeichnen, auf welchem die sieben prismatischen Farben der Art mit den sieben Tönen der musikalischen Tonleiter in Verbindung gebracht waren, daß beim Anschlagen einer Taste ein mit einer bestimmten Farbe bemaltes Täfelchen aufklappte, während gleichzeitig der ihr angeblich entsprechende Ton geflötet wurde. Welche konfuse Vorstellung der Erfinder dieses famosen Instrumentes von der Natur der Farben hatte, ersieht man aus der Art, wie er sie unter die Töne zu verteilen suchte. Blau nämlich bezeichnete er — aus welchem Grnnde, behielt er für sich — als den Grundton 0', Rot als die Quint v, Gelb als die Terz über die übrigen dazwischenliegenden Farben und Töne aber disponirte er auf die Weise, daß er Grün, weil es zwischen dem Grundton und der Terz in der Mitte liegt, mit v, Violett dagegen, welches, da es doch zwischen Rot und Blan liegt, ans demselben Grunde mit L hätte bezeichnet werden müssen, mit ^ markirte, weil ü schon für Gelb in Anspruch genommen war. Diese unlogische Konsequenz weist schon den Widerspruch in solcher Parallelisirnng auf, ganz abgesehen von der Willkür in der ganzen Zusammenstellung. Was die noch fehlenden Töne betrifft, so sollte ? dem Rosa, d. h. einer bloßen Mischung von Rot und Weiß, die hier also als einfache Farbe eingeführt wurde, und schließlich H einem „etwas brennenden" (!) Blau — einer ganz neuen Erfindung, welche insofern von Interesse ist, als damit die kälteste aller Farben zur wärmsten gestempelt wurde — entsprechen. Nicht nur der bis zur Sinnlosigkeit gehende Wider¬ spruch in der Zusammenstellung selbst, sondern auch, als Konsequenz davon, der völlige Mangel eines Verständnisses von der Natur der Farben liegt in dieser phantastischen Spielerei so auf der Hand, daß es keines besondern Nachweises desselben bedarf und man sich nnr wundern muß, wie selbst in den physikalische» Lehrbüchern der Gegenwart noch immer frischweg i» Bezug auf Farben von Terzen, Quinten u. s. f. geredet wird. Die einfache und naheliegende Erwägmig,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/264>, abgerufen am 23.07.2024.