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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Harmonie der Farben und der Töne,

von Gelb und Blan, nämlich Grün, des Komplement zu Rot, die von Gelb und
Not, nämlich Orange, das Komplement zu Blau, die von Not und Blau, nämlich
Violett, das Komplement zu Gelb,

Die hohe Wichtigkeit dieses Gesetzes mag es rechtfertigen, wenn ich diesen
Punkt behufs besserer Verständlichkeit, mit Hilfe einer einfachen Konstruktion,
etwas näher zu crlüuteru versuche. Bekanntlich ist die Reihenfolge der einfachen
Farben im prismatischen Spektrum sowie im Regenbogen folgende: Rot, Orange,
Gelb, Grün, Blau, Violett, Die gesperrt gedruckten Farben sind die Urfarben,
die andern drei Grundfarben ihre Komplemente, welche aus der Mischung der
ihnen benachbarten Urfarben entstehen. Nun liegt aber auf der Hemd, daß, da
ebenso wie Orange aus Rot und Gelb, Grün aus Gelb und Blau hervorgeht,
auch Violett aus Blau und Rot entsteht, an Violett also sich Not anreihen
oder, was dasselbe bedeutet, die mit Violett schließende Reihe sich zu Rot zurück¬
wenden muß, d. h, daß die Farben¬



reihe nicht eine gerade Linie, sondern
ihrem Wesen nach einen Kreis bildet.
Trägt man daher ans einen solchen
Kreis, dessen formale Notwendigkeit
sich aus dem Gesagte" von selbst er¬
giebt, die Namen der Farben auf, so
erhält man die nebenstehende Kon¬
struktion, bei der der Leser gebeten
wird, die auf dem Kreise ander-
wenig verzeichneten Linien und Be-

zeichnnngen zunächst unberücksichtigt zu lassen, um vorläufig nur die Name"
und Stellungen der sechs Grundfarben im Ange zu behalten.

Der Ausdruck Komplement (von eollixlcM, ausfüllen, ergänzen) bedeutet
Ergünzungsfarbe, d. h. eine Farbe, welche sich mit einer andern, ihr entgegen¬
gesetzten zum gesamten Farbenkreis ergänzt. Denn da dieselbe, z, B. Grün,
schon zwei Urfarben, nämlich Blau und Gelb, enthält, so bildet sie mit der
dritten, Rot, ein Fnrbenpaar, in welchem alle drei Urfarben, d. h. eben der
ganze Farbenkreis, enthalten sind. Ebenso Gelb mit Violett, Blau mit Orange.

Wenn man nun mit diesem einfachen, aber gerade in dieser Einfachheit
die Beziehungen der sechs prismatischen Farben zu einander mit mathematischer
Unbedingtheit offenbarenden Grundgesetz die Siebeufarbentheorie Newtons, die
noch heute in den physikalischen Lehrbüchern spukt, vergleicht, so ist mau wirklich
versucht, Schopenhauer Recht zu geben, wenn er behauptet, daß die Physiker,
weil sie in den Farben nichts als Namen und Zahlen sehen, vom Wesen der
Farbe keine Ahnung haben, sondern, blind in vea'w rag-gistri schwörend, schon
zufrieden sind, wenn sie nnr rechnen und kalkuliren können. Vor allem aber
ist der Ausspruch Schopenhauers, daß, da prinzipiell in der Theorie immer nur


Die Harmonie der Farben und der Töne,

von Gelb und Blan, nämlich Grün, des Komplement zu Rot, die von Gelb und
Not, nämlich Orange, das Komplement zu Blau, die von Not und Blau, nämlich
Violett, das Komplement zu Gelb,

Die hohe Wichtigkeit dieses Gesetzes mag es rechtfertigen, wenn ich diesen
Punkt behufs besserer Verständlichkeit, mit Hilfe einer einfachen Konstruktion,
etwas näher zu crlüuteru versuche. Bekanntlich ist die Reihenfolge der einfachen
Farben im prismatischen Spektrum sowie im Regenbogen folgende: Rot, Orange,
Gelb, Grün, Blau, Violett, Die gesperrt gedruckten Farben sind die Urfarben,
die andern drei Grundfarben ihre Komplemente, welche aus der Mischung der
ihnen benachbarten Urfarben entstehen. Nun liegt aber auf der Hemd, daß, da
ebenso wie Orange aus Rot und Gelb, Grün aus Gelb und Blau hervorgeht,
auch Violett aus Blau und Rot entsteht, an Violett also sich Not anreihen
oder, was dasselbe bedeutet, die mit Violett schließende Reihe sich zu Rot zurück¬
wenden muß, d. h, daß die Farben¬



reihe nicht eine gerade Linie, sondern
ihrem Wesen nach einen Kreis bildet.
Trägt man daher ans einen solchen
Kreis, dessen formale Notwendigkeit
sich aus dem Gesagte» von selbst er¬
giebt, die Namen der Farben auf, so
erhält man die nebenstehende Kon¬
struktion, bei der der Leser gebeten
wird, die auf dem Kreise ander-
wenig verzeichneten Linien und Be-

zeichnnngen zunächst unberücksichtigt zu lassen, um vorläufig nur die Name»
und Stellungen der sechs Grundfarben im Ange zu behalten.

Der Ausdruck Komplement (von eollixlcM, ausfüllen, ergänzen) bedeutet
Ergünzungsfarbe, d. h. eine Farbe, welche sich mit einer andern, ihr entgegen¬
gesetzten zum gesamten Farbenkreis ergänzt. Denn da dieselbe, z, B. Grün,
schon zwei Urfarben, nämlich Blau und Gelb, enthält, so bildet sie mit der
dritten, Rot, ein Fnrbenpaar, in welchem alle drei Urfarben, d. h. eben der
ganze Farbenkreis, enthalten sind. Ebenso Gelb mit Violett, Blau mit Orange.

Wenn man nun mit diesem einfachen, aber gerade in dieser Einfachheit
die Beziehungen der sechs prismatischen Farben zu einander mit mathematischer
Unbedingtheit offenbarenden Grundgesetz die Siebeufarbentheorie Newtons, die
noch heute in den physikalischen Lehrbüchern spukt, vergleicht, so ist mau wirklich
versucht, Schopenhauer Recht zu geben, wenn er behauptet, daß die Physiker,
weil sie in den Farben nichts als Namen und Zahlen sehen, vom Wesen der
Farbe keine Ahnung haben, sondern, blind in vea'w rag-gistri schwörend, schon
zufrieden sind, wenn sie nnr rechnen und kalkuliren können. Vor allem aber
ist der Ausspruch Schopenhauers, daß, da prinzipiell in der Theorie immer nur


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[0263] Die Harmonie der Farben und der Töne, von Gelb und Blan, nämlich Grün, des Komplement zu Rot, die von Gelb und Not, nämlich Orange, das Komplement zu Blau, die von Not und Blau, nämlich Violett, das Komplement zu Gelb, Die hohe Wichtigkeit dieses Gesetzes mag es rechtfertigen, wenn ich diesen Punkt behufs besserer Verständlichkeit, mit Hilfe einer einfachen Konstruktion, etwas näher zu crlüuteru versuche. Bekanntlich ist die Reihenfolge der einfachen Farben im prismatischen Spektrum sowie im Regenbogen folgende: Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Violett, Die gesperrt gedruckten Farben sind die Urfarben, die andern drei Grundfarben ihre Komplemente, welche aus der Mischung der ihnen benachbarten Urfarben entstehen. Nun liegt aber auf der Hemd, daß, da ebenso wie Orange aus Rot und Gelb, Grün aus Gelb und Blau hervorgeht, auch Violett aus Blau und Rot entsteht, an Violett also sich Not anreihen oder, was dasselbe bedeutet, die mit Violett schließende Reihe sich zu Rot zurück¬ wenden muß, d. h, daß die Farben¬ [Abbildung] reihe nicht eine gerade Linie, sondern ihrem Wesen nach einen Kreis bildet. Trägt man daher ans einen solchen Kreis, dessen formale Notwendigkeit sich aus dem Gesagte» von selbst er¬ giebt, die Namen der Farben auf, so erhält man die nebenstehende Kon¬ struktion, bei der der Leser gebeten wird, die auf dem Kreise ander- wenig verzeichneten Linien und Be- zeichnnngen zunächst unberücksichtigt zu lassen, um vorläufig nur die Name» und Stellungen der sechs Grundfarben im Ange zu behalten. Der Ausdruck Komplement (von eollixlcM, ausfüllen, ergänzen) bedeutet Ergünzungsfarbe, d. h. eine Farbe, welche sich mit einer andern, ihr entgegen¬ gesetzten zum gesamten Farbenkreis ergänzt. Denn da dieselbe, z, B. Grün, schon zwei Urfarben, nämlich Blau und Gelb, enthält, so bildet sie mit der dritten, Rot, ein Fnrbenpaar, in welchem alle drei Urfarben, d. h. eben der ganze Farbenkreis, enthalten sind. Ebenso Gelb mit Violett, Blau mit Orange. Wenn man nun mit diesem einfachen, aber gerade in dieser Einfachheit die Beziehungen der sechs prismatischen Farben zu einander mit mathematischer Unbedingtheit offenbarenden Grundgesetz die Siebeufarbentheorie Newtons, die noch heute in den physikalischen Lehrbüchern spukt, vergleicht, so ist mau wirklich versucht, Schopenhauer Recht zu geben, wenn er behauptet, daß die Physiker, weil sie in den Farben nichts als Namen und Zahlen sehen, vom Wesen der Farbe keine Ahnung haben, sondern, blind in vea'w rag-gistri schwörend, schon zufrieden sind, wenn sie nnr rechnen und kalkuliren können. Vor allem aber ist der Ausspruch Schopenhauers, daß, da prinzipiell in der Theorie immer nur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/263>, abgerufen am 23.07.2024.