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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Das Manifest des Prinzen Napoleon,

können." Das "Parlament," gleichfalls ein republikanisches Blatt, äußert, die
Sache sei nicht geeignet, ängstlich zu stimmen, wohl aber, nachdenklich und zu
veränderter Politik bereit. Die "Patrie" schreibt: "Republikaner, ihr habt
eine willkürliche und ungesetzliche Verhaftung vollzogen. Das Manifest des
Prinzen enthält auch nicht den Schatten eines Versuches gegen die Sicherheit
des Staates, und wenn ihr bei eurer Verfolgung beharrt, so werdet ihr euch
lächerlich machen. Das wißt ihr auch ganz wohl. Indem ihr den Prinzen
verfolgtet, dientet ihr seiner Sache. Ihr habt ihm seine Festung Ham geschaffen.
Ihr habt gestern vielen das Wort Kaiser auf die Lippen gebracht. Prinz Na¬
poleon ist in seinem Manifest als Prätendent aufgetreten, und ihr Republikaner
habt durch eure Verfolgung, eure Debatte in der Kammer und eure Abstimmung
diese seine Stellung als Prätendent anerkannt und geweiht." Cassagnac endlich
im "Pays" greift den Prinzen an, weil er nicht mit Gewaltschritten vorgegangen
ist. Er schreibt: "Ein wirkliches Manifest hat kein Recht, so platonisch zu sein.
Wenn jemand denkt, daß das Land unter einer monströsen Regierung leide,
und daß er als dessen Retter auftreten müsse, so hat er etwas andres zu thun
als mit Druckerschwärze zu hantiren. Er thut, was General Mallet that, er
versucht mit einigen ergebenen Leuten die Regierung zu stürzen. Er riskirt es,
erschossen oder auf Lebenszeit in die Festung Ham eingeschlossen zu werden...
Wollen Ew. Hoheit mir wohl sagen, was Sie zu thun bereit sind? Was für
eine materielle Organisation ist geschaffen worden, auf welche Regimenter können
wir uns verlassen, und welche Generale haben sich Ihnen angeschlossen? . ..
Mit einem Worte, man hat zwei dumme Streiche begangen: der Prinz wird
seinen Schritt bitter bereuen, denn er dachte ihn ungestraft zu thun, und die
Regierung ist in Verlegenheit wegen seiner Verhaftung."

Fragen wir nun, was den Prinzen Napoleon bewogen haben kann, gerade
jetzt gegen die Republik aufzutreten, so ist schon angedeutet worden, daß er,
ähnlich wie die Legitimsten, von der Meinung ausgegangen sein muß, daß
dieselbe mit Gambettas Tode allen Halt verloren habe. Das ist aber, wo
nicht ein grober Irrtum, so doch eine arge Übertreibung, wie die Behauptungen
der ersten Sätze seines Mauifests, von denen nur soviel wahr ist, daß die
Republik und ihr Parlamentarismus sich uach außen hin ziemlich schwach und
im Innern wenig fruchtbar erwiesen haben. Vielleicht verbreitet sich diese
Erkenntnis in nicht sehr langer Zeit über größere Kreise, und vielleicht gelingt
es dann einem populären und energischen Politiker, an die Stelle der jetzigen
Regierungsform eine andre zu setzen. Gegenwärtig steht es noch nicht so
schlimm mit der Existenzfähigkeit der französischen Republik, und dem Prinzen
Napoleon wird es voraussichtlich niemals beschieden sein, die Rolle dessen zu
spielen, der ihr das Lebenslicht ausbläst. Er hat niemals viele Anhänger
gehabt. Wahrend des Kaiserreichs fand er zuweilen einigen Beifall, wenn er
als Führer der dynastischen Opposition sprach, aber immer hegte man dabei


Das Manifest des Prinzen Napoleon,

können." Das „Parlament," gleichfalls ein republikanisches Blatt, äußert, die
Sache sei nicht geeignet, ängstlich zu stimmen, wohl aber, nachdenklich und zu
veränderter Politik bereit. Die „Patrie" schreibt: „Republikaner, ihr habt
eine willkürliche und ungesetzliche Verhaftung vollzogen. Das Manifest des
Prinzen enthält auch nicht den Schatten eines Versuches gegen die Sicherheit
des Staates, und wenn ihr bei eurer Verfolgung beharrt, so werdet ihr euch
lächerlich machen. Das wißt ihr auch ganz wohl. Indem ihr den Prinzen
verfolgtet, dientet ihr seiner Sache. Ihr habt ihm seine Festung Ham geschaffen.
Ihr habt gestern vielen das Wort Kaiser auf die Lippen gebracht. Prinz Na¬
poleon ist in seinem Manifest als Prätendent aufgetreten, und ihr Republikaner
habt durch eure Verfolgung, eure Debatte in der Kammer und eure Abstimmung
diese seine Stellung als Prätendent anerkannt und geweiht." Cassagnac endlich
im „Pays" greift den Prinzen an, weil er nicht mit Gewaltschritten vorgegangen
ist. Er schreibt: „Ein wirkliches Manifest hat kein Recht, so platonisch zu sein.
Wenn jemand denkt, daß das Land unter einer monströsen Regierung leide,
und daß er als dessen Retter auftreten müsse, so hat er etwas andres zu thun
als mit Druckerschwärze zu hantiren. Er thut, was General Mallet that, er
versucht mit einigen ergebenen Leuten die Regierung zu stürzen. Er riskirt es,
erschossen oder auf Lebenszeit in die Festung Ham eingeschlossen zu werden...
Wollen Ew. Hoheit mir wohl sagen, was Sie zu thun bereit sind? Was für
eine materielle Organisation ist geschaffen worden, auf welche Regimenter können
wir uns verlassen, und welche Generale haben sich Ihnen angeschlossen? . ..
Mit einem Worte, man hat zwei dumme Streiche begangen: der Prinz wird
seinen Schritt bitter bereuen, denn er dachte ihn ungestraft zu thun, und die
Regierung ist in Verlegenheit wegen seiner Verhaftung."

Fragen wir nun, was den Prinzen Napoleon bewogen haben kann, gerade
jetzt gegen die Republik aufzutreten, so ist schon angedeutet worden, daß er,
ähnlich wie die Legitimsten, von der Meinung ausgegangen sein muß, daß
dieselbe mit Gambettas Tode allen Halt verloren habe. Das ist aber, wo
nicht ein grober Irrtum, so doch eine arge Übertreibung, wie die Behauptungen
der ersten Sätze seines Mauifests, von denen nur soviel wahr ist, daß die
Republik und ihr Parlamentarismus sich uach außen hin ziemlich schwach und
im Innern wenig fruchtbar erwiesen haben. Vielleicht verbreitet sich diese
Erkenntnis in nicht sehr langer Zeit über größere Kreise, und vielleicht gelingt
es dann einem populären und energischen Politiker, an die Stelle der jetzigen
Regierungsform eine andre zu setzen. Gegenwärtig steht es noch nicht so
schlimm mit der Existenzfähigkeit der französischen Republik, und dem Prinzen
Napoleon wird es voraussichtlich niemals beschieden sein, die Rolle dessen zu
spielen, der ihr das Lebenslicht ausbläst. Er hat niemals viele Anhänger
gehabt. Wahrend des Kaiserreichs fand er zuweilen einigen Beifall, wenn er
als Führer der dynastischen Opposition sprach, aber immer hegte man dabei


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[0236] Das Manifest des Prinzen Napoleon, können." Das „Parlament," gleichfalls ein republikanisches Blatt, äußert, die Sache sei nicht geeignet, ängstlich zu stimmen, wohl aber, nachdenklich und zu veränderter Politik bereit. Die „Patrie" schreibt: „Republikaner, ihr habt eine willkürliche und ungesetzliche Verhaftung vollzogen. Das Manifest des Prinzen enthält auch nicht den Schatten eines Versuches gegen die Sicherheit des Staates, und wenn ihr bei eurer Verfolgung beharrt, so werdet ihr euch lächerlich machen. Das wißt ihr auch ganz wohl. Indem ihr den Prinzen verfolgtet, dientet ihr seiner Sache. Ihr habt ihm seine Festung Ham geschaffen. Ihr habt gestern vielen das Wort Kaiser auf die Lippen gebracht. Prinz Na¬ poleon ist in seinem Manifest als Prätendent aufgetreten, und ihr Republikaner habt durch eure Verfolgung, eure Debatte in der Kammer und eure Abstimmung diese seine Stellung als Prätendent anerkannt und geweiht." Cassagnac endlich im „Pays" greift den Prinzen an, weil er nicht mit Gewaltschritten vorgegangen ist. Er schreibt: „Ein wirkliches Manifest hat kein Recht, so platonisch zu sein. Wenn jemand denkt, daß das Land unter einer monströsen Regierung leide, und daß er als dessen Retter auftreten müsse, so hat er etwas andres zu thun als mit Druckerschwärze zu hantiren. Er thut, was General Mallet that, er versucht mit einigen ergebenen Leuten die Regierung zu stürzen. Er riskirt es, erschossen oder auf Lebenszeit in die Festung Ham eingeschlossen zu werden... Wollen Ew. Hoheit mir wohl sagen, was Sie zu thun bereit sind? Was für eine materielle Organisation ist geschaffen worden, auf welche Regimenter können wir uns verlassen, und welche Generale haben sich Ihnen angeschlossen? . .. Mit einem Worte, man hat zwei dumme Streiche begangen: der Prinz wird seinen Schritt bitter bereuen, denn er dachte ihn ungestraft zu thun, und die Regierung ist in Verlegenheit wegen seiner Verhaftung." Fragen wir nun, was den Prinzen Napoleon bewogen haben kann, gerade jetzt gegen die Republik aufzutreten, so ist schon angedeutet worden, daß er, ähnlich wie die Legitimsten, von der Meinung ausgegangen sein muß, daß dieselbe mit Gambettas Tode allen Halt verloren habe. Das ist aber, wo nicht ein grober Irrtum, so doch eine arge Übertreibung, wie die Behauptungen der ersten Sätze seines Mauifests, von denen nur soviel wahr ist, daß die Republik und ihr Parlamentarismus sich uach außen hin ziemlich schwach und im Innern wenig fruchtbar erwiesen haben. Vielleicht verbreitet sich diese Erkenntnis in nicht sehr langer Zeit über größere Kreise, und vielleicht gelingt es dann einem populären und energischen Politiker, an die Stelle der jetzigen Regierungsform eine andre zu setzen. Gegenwärtig steht es noch nicht so schlimm mit der Existenzfähigkeit der französischen Republik, und dem Prinzen Napoleon wird es voraussichtlich niemals beschieden sein, die Rolle dessen zu spielen, der ihr das Lebenslicht ausbläst. Er hat niemals viele Anhänger gehabt. Wahrend des Kaiserreichs fand er zuweilen einigen Beifall, wenn er als Führer der dynastischen Opposition sprach, aber immer hegte man dabei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/236>, abgerufen am 23.07.2024.