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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

Es gab in diesen Anlagen manchen malerischen Anblick, Es trug das alles
den Stempel des Gewordenen, im Gegensatz zu den künstlich hervorgebrachten
Parks manches andern reichen Herrn, Hier fanden sich die alten Stämme und
stolzen Äste, welche das Geld nicht schaffen kann, hier blickte altes Gemäuer,
Überreste einer fremdgewordenen Vergangenheit, mit jener Echtheit schwarzer und
grüner Tinten hervor, die den modernen Ruinen zu verleihen unmöglich erscheint,
hier war wirklich der vollsaftigen Natur mit schwerer Mühe die Erlaubnis zu
Lichtungen, freien Plätzen und bequemen Wegen abgerungen worden, im Gegensatz
zu jenen Parks in englischem Geschmack, welche der Gießkanne mehr verdanken
als der Axt. Ja mau sah in der Ferne unter dem schattigen Waldsaum ein
rotfarbiges Nudel Daumont auftauche", das sich beim Näherkommen des
Paares mit leichten Sätzen tiefer in das undurchsichtige Grün zurückzog.

Doch gingen alle Motive zu landschaftlichen Bildern heute in flüchtigem
Zuge an Eberhardts Auge vorüber. Er war zu sehr beschäftigt mit seiner
Führerin, Wenn sie stehen blieb, um ihm etwas zu zeigen, wenn sie ihm er¬
zählte, hier dieses jetzige Badehaus in dem Winkel zwischen den Eichen und
dem Bach sei ehedem eine Mühle gewesen, dort jener Thurm, in welchem nun
Gartengerätschaften aufbewahrt würden, habe vormals als Luginsland ein Vor¬
werk des Schlosses gebildet, so heftete er Wohl den Blick auf die bezeichneten
Stellen und hörte wohl das Rauschen des Wassers, das über die Steine herab¬
plätscherte, aber deutlich war ihm nur der Glanz in ihren Augen und der Toi:
ihrer Stimme, Er schritt in einem traumhaften Wohlgefühl an ihrer Seite
hin, und wenn ja dem Maler ein Bild vorschwebte, so war es das des Dorn¬
röschens, und er selbst der Ritter, der die Schöne im übmvuchernden Gerank
des verzauberten Palastes fand,

Dorothea bemerkte seine Unaufmerksamkeit und lächelte darüber.

Wenn Sie gelegentlich wünschen sollten, sagte sie, einzelne dieser Punkte
durch Ihren Pinsel zu verherrlichen, so erteile ich Ihnen hiermit die Genehmigung
zu freiem Besuch, doch scheint es mir sast so, als wäre Ihr Auge verwöhnt
durch großartigere Ansichten, oder vielleicht sind Sie Spezialist in Marine¬
bildern, da Sie so nahe am Meere Ihre Residenz aufgeschlagen haben,

Eberhard: schüttelte den Kopf. Ich fürchte, es ist überhaupt wenig Maler¬
talent in mir, entgegnete er. Wenn ich offenherzig reden soll, so muß ich ge¬
stehen, daß ich nur zu leicht aus meinem Metier herausgelockt werde. Und
heute -- vielleicht habe ich meinen Beruf verfehlt und hätte den Dienst in der
Kavallerie zu meiner Lebensaufgabe machen sollen.

Er errötete, als er so gesprochen hatte, und fuhr hastig fort: Was denken
Sie von der naturalistischen Richtung unsrer Landschaftsmaler, mein gnädiges
Fräulein? Halten Sie es für richtig, daß man mit dem Pinsel Photographien
anfertigt?


Grenzboten I. 1383. 21
Die Grafen von Altenschwerdt.

Es gab in diesen Anlagen manchen malerischen Anblick, Es trug das alles
den Stempel des Gewordenen, im Gegensatz zu den künstlich hervorgebrachten
Parks manches andern reichen Herrn, Hier fanden sich die alten Stämme und
stolzen Äste, welche das Geld nicht schaffen kann, hier blickte altes Gemäuer,
Überreste einer fremdgewordenen Vergangenheit, mit jener Echtheit schwarzer und
grüner Tinten hervor, die den modernen Ruinen zu verleihen unmöglich erscheint,
hier war wirklich der vollsaftigen Natur mit schwerer Mühe die Erlaubnis zu
Lichtungen, freien Plätzen und bequemen Wegen abgerungen worden, im Gegensatz
zu jenen Parks in englischem Geschmack, welche der Gießkanne mehr verdanken
als der Axt. Ja mau sah in der Ferne unter dem schattigen Waldsaum ein
rotfarbiges Nudel Daumont auftauche», das sich beim Näherkommen des
Paares mit leichten Sätzen tiefer in das undurchsichtige Grün zurückzog.

Doch gingen alle Motive zu landschaftlichen Bildern heute in flüchtigem
Zuge an Eberhardts Auge vorüber. Er war zu sehr beschäftigt mit seiner
Führerin, Wenn sie stehen blieb, um ihm etwas zu zeigen, wenn sie ihm er¬
zählte, hier dieses jetzige Badehaus in dem Winkel zwischen den Eichen und
dem Bach sei ehedem eine Mühle gewesen, dort jener Thurm, in welchem nun
Gartengerätschaften aufbewahrt würden, habe vormals als Luginsland ein Vor¬
werk des Schlosses gebildet, so heftete er Wohl den Blick auf die bezeichneten
Stellen und hörte wohl das Rauschen des Wassers, das über die Steine herab¬
plätscherte, aber deutlich war ihm nur der Glanz in ihren Augen und der Toi:
ihrer Stimme, Er schritt in einem traumhaften Wohlgefühl an ihrer Seite
hin, und wenn ja dem Maler ein Bild vorschwebte, so war es das des Dorn¬
röschens, und er selbst der Ritter, der die Schöne im übmvuchernden Gerank
des verzauberten Palastes fand,

Dorothea bemerkte seine Unaufmerksamkeit und lächelte darüber.

Wenn Sie gelegentlich wünschen sollten, sagte sie, einzelne dieser Punkte
durch Ihren Pinsel zu verherrlichen, so erteile ich Ihnen hiermit die Genehmigung
zu freiem Besuch, doch scheint es mir sast so, als wäre Ihr Auge verwöhnt
durch großartigere Ansichten, oder vielleicht sind Sie Spezialist in Marine¬
bildern, da Sie so nahe am Meere Ihre Residenz aufgeschlagen haben,

Eberhard: schüttelte den Kopf. Ich fürchte, es ist überhaupt wenig Maler¬
talent in mir, entgegnete er. Wenn ich offenherzig reden soll, so muß ich ge¬
stehen, daß ich nur zu leicht aus meinem Metier herausgelockt werde. Und
heute — vielleicht habe ich meinen Beruf verfehlt und hätte den Dienst in der
Kavallerie zu meiner Lebensaufgabe machen sollen.

Er errötete, als er so gesprochen hatte, und fuhr hastig fort: Was denken
Sie von der naturalistischen Richtung unsrer Landschaftsmaler, mein gnädiges
Fräulein? Halten Sie es für richtig, daß man mit dem Pinsel Photographien
anfertigt?


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[0169] Die Grafen von Altenschwerdt. Es gab in diesen Anlagen manchen malerischen Anblick, Es trug das alles den Stempel des Gewordenen, im Gegensatz zu den künstlich hervorgebrachten Parks manches andern reichen Herrn, Hier fanden sich die alten Stämme und stolzen Äste, welche das Geld nicht schaffen kann, hier blickte altes Gemäuer, Überreste einer fremdgewordenen Vergangenheit, mit jener Echtheit schwarzer und grüner Tinten hervor, die den modernen Ruinen zu verleihen unmöglich erscheint, hier war wirklich der vollsaftigen Natur mit schwerer Mühe die Erlaubnis zu Lichtungen, freien Plätzen und bequemen Wegen abgerungen worden, im Gegensatz zu jenen Parks in englischem Geschmack, welche der Gießkanne mehr verdanken als der Axt. Ja mau sah in der Ferne unter dem schattigen Waldsaum ein rotfarbiges Nudel Daumont auftauche», das sich beim Näherkommen des Paares mit leichten Sätzen tiefer in das undurchsichtige Grün zurückzog. Doch gingen alle Motive zu landschaftlichen Bildern heute in flüchtigem Zuge an Eberhardts Auge vorüber. Er war zu sehr beschäftigt mit seiner Führerin, Wenn sie stehen blieb, um ihm etwas zu zeigen, wenn sie ihm er¬ zählte, hier dieses jetzige Badehaus in dem Winkel zwischen den Eichen und dem Bach sei ehedem eine Mühle gewesen, dort jener Thurm, in welchem nun Gartengerätschaften aufbewahrt würden, habe vormals als Luginsland ein Vor¬ werk des Schlosses gebildet, so heftete er Wohl den Blick auf die bezeichneten Stellen und hörte wohl das Rauschen des Wassers, das über die Steine herab¬ plätscherte, aber deutlich war ihm nur der Glanz in ihren Augen und der Toi: ihrer Stimme, Er schritt in einem traumhaften Wohlgefühl an ihrer Seite hin, und wenn ja dem Maler ein Bild vorschwebte, so war es das des Dorn¬ röschens, und er selbst der Ritter, der die Schöne im übmvuchernden Gerank des verzauberten Palastes fand, Dorothea bemerkte seine Unaufmerksamkeit und lächelte darüber. Wenn Sie gelegentlich wünschen sollten, sagte sie, einzelne dieser Punkte durch Ihren Pinsel zu verherrlichen, so erteile ich Ihnen hiermit die Genehmigung zu freiem Besuch, doch scheint es mir sast so, als wäre Ihr Auge verwöhnt durch großartigere Ansichten, oder vielleicht sind Sie Spezialist in Marine¬ bildern, da Sie so nahe am Meere Ihre Residenz aufgeschlagen haben, Eberhard: schüttelte den Kopf. Ich fürchte, es ist überhaupt wenig Maler¬ talent in mir, entgegnete er. Wenn ich offenherzig reden soll, so muß ich ge¬ stehen, daß ich nur zu leicht aus meinem Metier herausgelockt werde. Und heute — vielleicht habe ich meinen Beruf verfehlt und hätte den Dienst in der Kavallerie zu meiner Lebensaufgabe machen sollen. Er errötete, als er so gesprochen hatte, und fuhr hastig fort: Was denken Sie von der naturalistischen Richtung unsrer Landschaftsmaler, mein gnädiges Fräulein? Halten Sie es für richtig, daß man mit dem Pinsel Photographien anfertigt? Grenzboten I. 1383. 21

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/169>, abgerufen am 25.08.2024.