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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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eine Einheitswaffe vorschlage", die gleichzeitig Kavallerie und Infanterie uiw
faßte, sodaß alle Reiter zu schlechten Jnfanteristen und alle Jnfanteristen zu
schlechten Reitern würden.

Der General lächelte, aber der Baron fuhr hitzig fort: Einheit ist das
Motto der Zeit, der Nachklang des verruchten K^like von neuuundachtzig! Daß
der Schöpfer selbst die Verschiedenheit eingerichtet hat, das ist den Herren gleichgültig.
So haben wir denn ja auch ein einheitliches Reich bekommen, und innerhalb desselben
wird alles einheitlich gemacht, bis endlich alle Vorzüge und Auszeichnungen des
guten alten Preußens verwischt, abgeschliffen und zu Grnnde gerichtet sein werden.

Ich habe doch das Vertrauen zu Gott, entgegnete der Graf, daß er unsrer
Regierung Weisheit geben wird, das alte Prcußenland und mit ihm das deutsche
Reich zu einem guten Ziele zu führen.

Exzellenz, dies Vertrauen geht mir immer mehr verloren, wenn ich sehe,
wie es bei uns hergeht. Es wird mit jedem Jahrzehnt merklich schlechter,
und das kann auch gar nicht anders sein, denn der Untergrund, auf dem
gebaut wird, ist faul. Solange man von dem Grundsätze ausgeht, der Staat
sei aus dem Bedürfnis gegenseitiger Hilfsleistung entstanden, und der Monarch
sei dazu da, diese Hilfsleistungen zu dirigiren und das Volk glücklich zu macheu,
solange wird der Staat bergab gehen. Es ist das die reine Teufelei, die uns
die Schreiber und Schwätzer ans der französischen Revolution herübergebracht
haben. Damals setzten sie den lieben Gott ab. Natürlich, denn der hatte eine
andre Ordnung geschaffen. Es macht mich toll, wenn ich den Unsinn höre, die
Menschen hätten sich zu Anfang Oberhäupter gewählt, und daher seien die
Staaten entstanden. Nie ist es noch gesehen worden, daß ein Hauswesen von
selbst zusammengelaufen wäre und gesagt hätte: nun laßt uns einen Hausherrn
wühlen. Sondern es ist immer der Hausherr zuerst dagewesen, und er hat
Familie bekommen und Dienstboten und Knechte in seinen Dienst genommen.
Ebensowenig hat er die Aufgabe, sie glücklich zu machen, sondern er trägt jedem
seine Leistungen auf und hält sie in Ordnung und übt Gerechtigkeit aus eigner
Macht und eignem Willen. Mit dem Staat aber ist es gerade so. Es sind
nicht etwa Bauern, Bürger und Adel zusammengelaufen und haben ein Ober¬
haupt gewühlt, das sie glücklich mache, sondern der Staat ist aus Familien
entstanden, die sich unter den Schutz und die Macht eines an Ansehen hervor¬
ragenden Familienvaters begaben. Er aber beschützte sie unter der Bedingung,
daß sie ihm gehorchten. Der Fürst war allenthalben eher da, als das Volk.
Er hat sich sein Volk erst geschaffen, und er herrscht aus eigner Machtvollkommen¬
heit. So ist es auch in Preußen gewesen. Der Burggraf von Nürnberg kaufte
die Mark Brandenburg für baares Geld, seine Nachkommen schufen die preußische
Monarchie, indem sie durch Erbschaft Pommern, Preußen, Eleve, durch Er¬
oberung Schlesien, Hannover, Hessen, Schleswig und Holstein, Nassau und so
weiter erwarben. Es ist lücherlich und schlägt jeder Historie ins Gesicht,


eine Einheitswaffe vorschlage», die gleichzeitig Kavallerie und Infanterie uiw
faßte, sodaß alle Reiter zu schlechten Jnfanteristen und alle Jnfanteristen zu
schlechten Reitern würden.

Der General lächelte, aber der Baron fuhr hitzig fort: Einheit ist das
Motto der Zeit, der Nachklang des verruchten K^like von neuuundachtzig! Daß
der Schöpfer selbst die Verschiedenheit eingerichtet hat, das ist den Herren gleichgültig.
So haben wir denn ja auch ein einheitliches Reich bekommen, und innerhalb desselben
wird alles einheitlich gemacht, bis endlich alle Vorzüge und Auszeichnungen des
guten alten Preußens verwischt, abgeschliffen und zu Grnnde gerichtet sein werden.

Ich habe doch das Vertrauen zu Gott, entgegnete der Graf, daß er unsrer
Regierung Weisheit geben wird, das alte Prcußenland und mit ihm das deutsche
Reich zu einem guten Ziele zu führen.

Exzellenz, dies Vertrauen geht mir immer mehr verloren, wenn ich sehe,
wie es bei uns hergeht. Es wird mit jedem Jahrzehnt merklich schlechter,
und das kann auch gar nicht anders sein, denn der Untergrund, auf dem
gebaut wird, ist faul. Solange man von dem Grundsätze ausgeht, der Staat
sei aus dem Bedürfnis gegenseitiger Hilfsleistung entstanden, und der Monarch
sei dazu da, diese Hilfsleistungen zu dirigiren und das Volk glücklich zu macheu,
solange wird der Staat bergab gehen. Es ist das die reine Teufelei, die uns
die Schreiber und Schwätzer ans der französischen Revolution herübergebracht
haben. Damals setzten sie den lieben Gott ab. Natürlich, denn der hatte eine
andre Ordnung geschaffen. Es macht mich toll, wenn ich den Unsinn höre, die
Menschen hätten sich zu Anfang Oberhäupter gewählt, und daher seien die
Staaten entstanden. Nie ist es noch gesehen worden, daß ein Hauswesen von
selbst zusammengelaufen wäre und gesagt hätte: nun laßt uns einen Hausherrn
wühlen. Sondern es ist immer der Hausherr zuerst dagewesen, und er hat
Familie bekommen und Dienstboten und Knechte in seinen Dienst genommen.
Ebensowenig hat er die Aufgabe, sie glücklich zu machen, sondern er trägt jedem
seine Leistungen auf und hält sie in Ordnung und übt Gerechtigkeit aus eigner
Macht und eignem Willen. Mit dem Staat aber ist es gerade so. Es sind
nicht etwa Bauern, Bürger und Adel zusammengelaufen und haben ein Ober¬
haupt gewühlt, das sie glücklich mache, sondern der Staat ist aus Familien
entstanden, die sich unter den Schutz und die Macht eines an Ansehen hervor¬
ragenden Familienvaters begaben. Er aber beschützte sie unter der Bedingung,
daß sie ihm gehorchten. Der Fürst war allenthalben eher da, als das Volk.
Er hat sich sein Volk erst geschaffen, und er herrscht aus eigner Machtvollkommen¬
heit. So ist es auch in Preußen gewesen. Der Burggraf von Nürnberg kaufte
die Mark Brandenburg für baares Geld, seine Nachkommen schufen die preußische
Monarchie, indem sie durch Erbschaft Pommern, Preußen, Eleve, durch Er¬
oberung Schlesien, Hannover, Hessen, Schleswig und Holstein, Nassau und so
weiter erwarben. Es ist lücherlich und schlägt jeder Historie ins Gesicht,


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[0165] eine Einheitswaffe vorschlage», die gleichzeitig Kavallerie und Infanterie uiw faßte, sodaß alle Reiter zu schlechten Jnfanteristen und alle Jnfanteristen zu schlechten Reitern würden. Der General lächelte, aber der Baron fuhr hitzig fort: Einheit ist das Motto der Zeit, der Nachklang des verruchten K^like von neuuundachtzig! Daß der Schöpfer selbst die Verschiedenheit eingerichtet hat, das ist den Herren gleichgültig. So haben wir denn ja auch ein einheitliches Reich bekommen, und innerhalb desselben wird alles einheitlich gemacht, bis endlich alle Vorzüge und Auszeichnungen des guten alten Preußens verwischt, abgeschliffen und zu Grnnde gerichtet sein werden. Ich habe doch das Vertrauen zu Gott, entgegnete der Graf, daß er unsrer Regierung Weisheit geben wird, das alte Prcußenland und mit ihm das deutsche Reich zu einem guten Ziele zu führen. Exzellenz, dies Vertrauen geht mir immer mehr verloren, wenn ich sehe, wie es bei uns hergeht. Es wird mit jedem Jahrzehnt merklich schlechter, und das kann auch gar nicht anders sein, denn der Untergrund, auf dem gebaut wird, ist faul. Solange man von dem Grundsätze ausgeht, der Staat sei aus dem Bedürfnis gegenseitiger Hilfsleistung entstanden, und der Monarch sei dazu da, diese Hilfsleistungen zu dirigiren und das Volk glücklich zu macheu, solange wird der Staat bergab gehen. Es ist das die reine Teufelei, die uns die Schreiber und Schwätzer ans der französischen Revolution herübergebracht haben. Damals setzten sie den lieben Gott ab. Natürlich, denn der hatte eine andre Ordnung geschaffen. Es macht mich toll, wenn ich den Unsinn höre, die Menschen hätten sich zu Anfang Oberhäupter gewählt, und daher seien die Staaten entstanden. Nie ist es noch gesehen worden, daß ein Hauswesen von selbst zusammengelaufen wäre und gesagt hätte: nun laßt uns einen Hausherrn wühlen. Sondern es ist immer der Hausherr zuerst dagewesen, und er hat Familie bekommen und Dienstboten und Knechte in seinen Dienst genommen. Ebensowenig hat er die Aufgabe, sie glücklich zu machen, sondern er trägt jedem seine Leistungen auf und hält sie in Ordnung und übt Gerechtigkeit aus eigner Macht und eignem Willen. Mit dem Staat aber ist es gerade so. Es sind nicht etwa Bauern, Bürger und Adel zusammengelaufen und haben ein Ober¬ haupt gewühlt, das sie glücklich mache, sondern der Staat ist aus Familien entstanden, die sich unter den Schutz und die Macht eines an Ansehen hervor¬ ragenden Familienvaters begaben. Er aber beschützte sie unter der Bedingung, daß sie ihm gehorchten. Der Fürst war allenthalben eher da, als das Volk. Er hat sich sein Volk erst geschaffen, und er herrscht aus eigner Machtvollkommen¬ heit. So ist es auch in Preußen gewesen. Der Burggraf von Nürnberg kaufte die Mark Brandenburg für baares Geld, seine Nachkommen schufen die preußische Monarchie, indem sie durch Erbschaft Pommern, Preußen, Eleve, durch Er¬ oberung Schlesien, Hannover, Hessen, Schleswig und Holstein, Nassau und so weiter erwarben. Es ist lücherlich und schlägt jeder Historie ins Gesicht,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/165>, abgerufen am 25.08.2024.