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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grafen von Altcnschwerdt.

Wenn dieser für den Hieb noch zu weit vor ist, und es macht außerdem ein
Lanzenstich ganz andern Eindruck als der Hieb des Säbels oder der Stich mit
dem Degen, Ich habe gesehen, daß die Fliehenden eine ganze Tracht von Säbel¬
hieben aufluden und, obwohl verwundet, doch davonkamen; wenn aber mit
der Lanze verfolgt wird, so wirft sich gewöhnlich alles von den Pferden, Haben
wir doch vor kurzem noch gesehen, welchen Respekt die Franzosen vor unsern
Ulanen hatten, obwohl ich zugestehen will, daß sich, wie das wohl im Kriege
geschieht, eine Märchenbildung an eine bestimmte Truppe heften kann, die in
ganz unsinniger Weise deren Bedeutung übertreibt.

Sie haben in manchen Stücken Recht, Herr Rittmeister, antwortete der
alte General. Aber denken Sie zum Beispiel an das Gedränge des stehenden
Gefechts. Mit einem guten Degen schneidet man hier jede Lanze entzwei, und
ich glaube, daß das Einzelgefecht im freien Raum, für welches ich deu Vorzug
der Lanze zugeben will, nur in seltneren Fällen vorkommt. Ich bin der Meinung,
daß hinsichtlich der Waffe Rücksicht auf die Nationalität genommen werden
sollte, und da scheint mir für unsre Kavallerie der Degen die geeignetste
Waffe zu sein. Er ist für uns die natürlichste, während die östlichen Völker,
Kosaken und Polen, allerdings mit Vorliebe zur Lanze greifen. Gegenwärtig
ist der Säbel in der Mode, der eigentlich eine asiatische Waffe ist, und ich habe denn
auch meistens gesehen, daß er getragen wird, ohne daß mau seinen Gebrauch ver¬
steht. Man will damit wie mit dem Degen fechten, wozu er nicht gemacht und
wenig brauchbar ist. Das gute Fechten mit dem Degen besteht aus schnellen
Hieben mit der Spitze und aus einem Pariren, wobei der an der Klinge
heruntergleitcnde Hieb des Gegners mit dem Korbe aufgefangen wird. Das
Fechten mit dem Säbel aber besteht aus laugen Schnitten, und man soll damit
parire", indem man die Hiebe des Gegners mit der Klinge auffängt und weg¬
schlägt oder nach der Spitze hin abgleiten läßt. Deshalb haben anch die Völker,
denen der Säbel eigentümlich ist, selten einen Bügel, oft nicht einmal eine Parir-
stcmge. Wir aber setzen dem Säbel einen großen Bügel und Korb an, um die
Faust zu schützen, was beim Säbelfechten ganz naturwidrig ist, und damit ver¬
derben wir den Säbel. Was meinen Sie drzu, Herr Kamerad? sagte er, sich
an Eberhard: wendend.

Meine Erfahrung ist zu gering, antwortete dieser bescheiden, als daß ich
eine eigne Ansicht in Gegenwart Eurer Exzellenz und des Herrn Rittmeisters
äußern möchte. Man spricht gegenwärtig viel von einer Einheitskavallerie,
und dabei ist stellenweise die Meinung ausgesprochen worden, es müsse das
erste Glied mit der Lanze, das zweite mit dem Säbel bewaffnet werdeu,
während beide Glieder den Karabiner oder einen schweren Revolver führen
sollten.

Einheitskavallerie! rief der Baron heftig. Wahrhaftig, das ist ein Zeichen
der Zeit! Ich glaube, wenn die Pferde nicht so teuer wären, würden sie auch


Die Grafen von Altcnschwerdt.

Wenn dieser für den Hieb noch zu weit vor ist, und es macht außerdem ein
Lanzenstich ganz andern Eindruck als der Hieb des Säbels oder der Stich mit
dem Degen, Ich habe gesehen, daß die Fliehenden eine ganze Tracht von Säbel¬
hieben aufluden und, obwohl verwundet, doch davonkamen; wenn aber mit
der Lanze verfolgt wird, so wirft sich gewöhnlich alles von den Pferden, Haben
wir doch vor kurzem noch gesehen, welchen Respekt die Franzosen vor unsern
Ulanen hatten, obwohl ich zugestehen will, daß sich, wie das wohl im Kriege
geschieht, eine Märchenbildung an eine bestimmte Truppe heften kann, die in
ganz unsinniger Weise deren Bedeutung übertreibt.

Sie haben in manchen Stücken Recht, Herr Rittmeister, antwortete der
alte General. Aber denken Sie zum Beispiel an das Gedränge des stehenden
Gefechts. Mit einem guten Degen schneidet man hier jede Lanze entzwei, und
ich glaube, daß das Einzelgefecht im freien Raum, für welches ich deu Vorzug
der Lanze zugeben will, nur in seltneren Fällen vorkommt. Ich bin der Meinung,
daß hinsichtlich der Waffe Rücksicht auf die Nationalität genommen werden
sollte, und da scheint mir für unsre Kavallerie der Degen die geeignetste
Waffe zu sein. Er ist für uns die natürlichste, während die östlichen Völker,
Kosaken und Polen, allerdings mit Vorliebe zur Lanze greifen. Gegenwärtig
ist der Säbel in der Mode, der eigentlich eine asiatische Waffe ist, und ich habe denn
auch meistens gesehen, daß er getragen wird, ohne daß mau seinen Gebrauch ver¬
steht. Man will damit wie mit dem Degen fechten, wozu er nicht gemacht und
wenig brauchbar ist. Das gute Fechten mit dem Degen besteht aus schnellen
Hieben mit der Spitze und aus einem Pariren, wobei der an der Klinge
heruntergleitcnde Hieb des Gegners mit dem Korbe aufgefangen wird. Das
Fechten mit dem Säbel aber besteht aus laugen Schnitten, und man soll damit
parire», indem man die Hiebe des Gegners mit der Klinge auffängt und weg¬
schlägt oder nach der Spitze hin abgleiten läßt. Deshalb haben anch die Völker,
denen der Säbel eigentümlich ist, selten einen Bügel, oft nicht einmal eine Parir-
stcmge. Wir aber setzen dem Säbel einen großen Bügel und Korb an, um die
Faust zu schützen, was beim Säbelfechten ganz naturwidrig ist, und damit ver¬
derben wir den Säbel. Was meinen Sie drzu, Herr Kamerad? sagte er, sich
an Eberhard: wendend.

Meine Erfahrung ist zu gering, antwortete dieser bescheiden, als daß ich
eine eigne Ansicht in Gegenwart Eurer Exzellenz und des Herrn Rittmeisters
äußern möchte. Man spricht gegenwärtig viel von einer Einheitskavallerie,
und dabei ist stellenweise die Meinung ausgesprochen worden, es müsse das
erste Glied mit der Lanze, das zweite mit dem Säbel bewaffnet werdeu,
während beide Glieder den Karabiner oder einen schweren Revolver führen
sollten.

Einheitskavallerie! rief der Baron heftig. Wahrhaftig, das ist ein Zeichen
der Zeit! Ich glaube, wenn die Pferde nicht so teuer wären, würden sie auch


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[0164] Die Grafen von Altcnschwerdt. Wenn dieser für den Hieb noch zu weit vor ist, und es macht außerdem ein Lanzenstich ganz andern Eindruck als der Hieb des Säbels oder der Stich mit dem Degen, Ich habe gesehen, daß die Fliehenden eine ganze Tracht von Säbel¬ hieben aufluden und, obwohl verwundet, doch davonkamen; wenn aber mit der Lanze verfolgt wird, so wirft sich gewöhnlich alles von den Pferden, Haben wir doch vor kurzem noch gesehen, welchen Respekt die Franzosen vor unsern Ulanen hatten, obwohl ich zugestehen will, daß sich, wie das wohl im Kriege geschieht, eine Märchenbildung an eine bestimmte Truppe heften kann, die in ganz unsinniger Weise deren Bedeutung übertreibt. Sie haben in manchen Stücken Recht, Herr Rittmeister, antwortete der alte General. Aber denken Sie zum Beispiel an das Gedränge des stehenden Gefechts. Mit einem guten Degen schneidet man hier jede Lanze entzwei, und ich glaube, daß das Einzelgefecht im freien Raum, für welches ich deu Vorzug der Lanze zugeben will, nur in seltneren Fällen vorkommt. Ich bin der Meinung, daß hinsichtlich der Waffe Rücksicht auf die Nationalität genommen werden sollte, und da scheint mir für unsre Kavallerie der Degen die geeignetste Waffe zu sein. Er ist für uns die natürlichste, während die östlichen Völker, Kosaken und Polen, allerdings mit Vorliebe zur Lanze greifen. Gegenwärtig ist der Säbel in der Mode, der eigentlich eine asiatische Waffe ist, und ich habe denn auch meistens gesehen, daß er getragen wird, ohne daß mau seinen Gebrauch ver¬ steht. Man will damit wie mit dem Degen fechten, wozu er nicht gemacht und wenig brauchbar ist. Das gute Fechten mit dem Degen besteht aus schnellen Hieben mit der Spitze und aus einem Pariren, wobei der an der Klinge heruntergleitcnde Hieb des Gegners mit dem Korbe aufgefangen wird. Das Fechten mit dem Säbel aber besteht aus laugen Schnitten, und man soll damit parire», indem man die Hiebe des Gegners mit der Klinge auffängt und weg¬ schlägt oder nach der Spitze hin abgleiten läßt. Deshalb haben anch die Völker, denen der Säbel eigentümlich ist, selten einen Bügel, oft nicht einmal eine Parir- stcmge. Wir aber setzen dem Säbel einen großen Bügel und Korb an, um die Faust zu schützen, was beim Säbelfechten ganz naturwidrig ist, und damit ver¬ derben wir den Säbel. Was meinen Sie drzu, Herr Kamerad? sagte er, sich an Eberhard: wendend. Meine Erfahrung ist zu gering, antwortete dieser bescheiden, als daß ich eine eigne Ansicht in Gegenwart Eurer Exzellenz und des Herrn Rittmeisters äußern möchte. Man spricht gegenwärtig viel von einer Einheitskavallerie, und dabei ist stellenweise die Meinung ausgesprochen worden, es müsse das erste Glied mit der Lanze, das zweite mit dem Säbel bewaffnet werdeu, während beide Glieder den Karabiner oder einen schweren Revolver führen sollten. Einheitskavallerie! rief der Baron heftig. Wahrhaftig, das ist ein Zeichen der Zeit! Ich glaube, wenn die Pferde nicht so teuer wären, würden sie auch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/164>, abgerufen am 25.08.2024.