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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

Kommen Sie, Herr Eschenburg, wir wollen hinuntergehen, sagte das Fräu¬
lein, und sie führte ihn eine enge, gewundne Stiege hinab, welche, augenscheinlich
zum Gebrauche des Orchesters erbaut, unmittelbar in ein kleines, an die Halle
stoßendes Zimmer mündete, von wo aus beide auf die Ecke zuschritten, in der
Baron von Sextus mit seinem Freunde, dem Grafen von Franeker, saß.

Dieser Platz bildete einen traulichen Winkel in der majestätischen Halle.
Zwei weichgepolsterte Divans waren hier zusammengeschoben, dicke Bärenfelle
bedeckten den aus bunten Steinplatten zusammengesetzten Fußboden, und der
runde, schwere Tisch trug einen großen, altertümlichen Steinkrug mit Bier, Hin¬
geben von geschliffenen Humpen.

Eberhard: betrachtete, während die Zeremonie der Vorstellung vor sich ging,
mit Interesse den alten General, dessen Dorothea so ehrenvoll Erwähnung ge¬
than hatte, und fühlte sich in der That durch seine Erscheinung sympathisch be¬
rührt. Es war ein hoher und schlanker Herr, dessen Runzeln und weißes
Haar ein weit vorgerücktes Alter anzeigten, dessen dunkle Augen aber in jugend¬
lichem Feuer glänzten, und dessen Züge das deutliche Gepräge des Wohlwollens,
der Güte und Freundlichkeit trugen. Dazu war seine Gestalt und sein Be¬
nehmen veredelt und ausgezeichnet durch ein gewisses unbeschreibliches Etwas
von Vornehmheit und Höflichkeit, wie Eberhardt sich uicht erinnern konnte
jemals in solcher Vollendung an einem Manne gesehen zu haben, und der außer¬
ordentlich einfache Anzug des Grafen, sein blauer, offenbar schon lange getra¬
gener Rock und die langen, lederfarbigen Gamaschen, that diesem distinguirten
Äußern keinen Eintrag.

Es war kühl in der Halle, trotzdem daß draußen eine hohe Temperatur
herrschte, nur wehten vom Garten her warme Lüfte herein und trugen den an¬
mutigen Duft von Rosen und Reseda mit sich. Diese Umgebung, wie die Ge¬
sellschaft, in der er sich befand, hatte etwas wohlthuendes und erhebendes für
Eberhardt, und er saß neben der schönen Dorothea in dem hohen, wappenge¬
schmückten Lehnstuhl mit dem Behagen eines Königs, der auf langer Irr¬
fahrt einen Besuch in den: ihm zugehörenden Reiche macht, ohne daran zu denken,
daß seine Reise noch nicht vollendet ist.

Was die Bewaffnung der Kavallerie betrifft -- mit diesen Worten nahm
der Baron von Sextus das unterbrochne Gespräch wieder auf --, so ist meiner
Meinung nach die Lanze die vorzüglichste Waffe. Sie ist ebensowohl für den
geschlossenen Angriff wie für das Einzelgefecht im höchsten Maße geeignet.
Der gehörig ausexerzirte Mann hält sich auf freiem Felde, wo er Raum hat, zu
drehen, zu wenden und die Lanze über dem Kopfe zu schwingen, den besten Säbel¬
reiter vom Leibe. Er bleibt ruhig stehen und zeigt dem Gegner, der ihn um¬
schwärmt, stets die Spitze. So wie dieser nur einen Augenblick still hält oder
langsa zuwendet, sitzt er ihm mit einigen Galoppsprüngen in den Rippen. Ebenso
vorteilhaft ist die Lanze beim Nachsetzen. Der Lanzenreiter erreicht den Feind,


Die Grafen von Altenschwerdt.

Kommen Sie, Herr Eschenburg, wir wollen hinuntergehen, sagte das Fräu¬
lein, und sie führte ihn eine enge, gewundne Stiege hinab, welche, augenscheinlich
zum Gebrauche des Orchesters erbaut, unmittelbar in ein kleines, an die Halle
stoßendes Zimmer mündete, von wo aus beide auf die Ecke zuschritten, in der
Baron von Sextus mit seinem Freunde, dem Grafen von Franeker, saß.

Dieser Platz bildete einen traulichen Winkel in der majestätischen Halle.
Zwei weichgepolsterte Divans waren hier zusammengeschoben, dicke Bärenfelle
bedeckten den aus bunten Steinplatten zusammengesetzten Fußboden, und der
runde, schwere Tisch trug einen großen, altertümlichen Steinkrug mit Bier, Hin¬
geben von geschliffenen Humpen.

Eberhard: betrachtete, während die Zeremonie der Vorstellung vor sich ging,
mit Interesse den alten General, dessen Dorothea so ehrenvoll Erwähnung ge¬
than hatte, und fühlte sich in der That durch seine Erscheinung sympathisch be¬
rührt. Es war ein hoher und schlanker Herr, dessen Runzeln und weißes
Haar ein weit vorgerücktes Alter anzeigten, dessen dunkle Augen aber in jugend¬
lichem Feuer glänzten, und dessen Züge das deutliche Gepräge des Wohlwollens,
der Güte und Freundlichkeit trugen. Dazu war seine Gestalt und sein Be¬
nehmen veredelt und ausgezeichnet durch ein gewisses unbeschreibliches Etwas
von Vornehmheit und Höflichkeit, wie Eberhardt sich uicht erinnern konnte
jemals in solcher Vollendung an einem Manne gesehen zu haben, und der außer¬
ordentlich einfache Anzug des Grafen, sein blauer, offenbar schon lange getra¬
gener Rock und die langen, lederfarbigen Gamaschen, that diesem distinguirten
Äußern keinen Eintrag.

Es war kühl in der Halle, trotzdem daß draußen eine hohe Temperatur
herrschte, nur wehten vom Garten her warme Lüfte herein und trugen den an¬
mutigen Duft von Rosen und Reseda mit sich. Diese Umgebung, wie die Ge¬
sellschaft, in der er sich befand, hatte etwas wohlthuendes und erhebendes für
Eberhardt, und er saß neben der schönen Dorothea in dem hohen, wappenge¬
schmückten Lehnstuhl mit dem Behagen eines Königs, der auf langer Irr¬
fahrt einen Besuch in den: ihm zugehörenden Reiche macht, ohne daran zu denken,
daß seine Reise noch nicht vollendet ist.

Was die Bewaffnung der Kavallerie betrifft — mit diesen Worten nahm
der Baron von Sextus das unterbrochne Gespräch wieder auf —, so ist meiner
Meinung nach die Lanze die vorzüglichste Waffe. Sie ist ebensowohl für den
geschlossenen Angriff wie für das Einzelgefecht im höchsten Maße geeignet.
Der gehörig ausexerzirte Mann hält sich auf freiem Felde, wo er Raum hat, zu
drehen, zu wenden und die Lanze über dem Kopfe zu schwingen, den besten Säbel¬
reiter vom Leibe. Er bleibt ruhig stehen und zeigt dem Gegner, der ihn um¬
schwärmt, stets die Spitze. So wie dieser nur einen Augenblick still hält oder
langsa zuwendet, sitzt er ihm mit einigen Galoppsprüngen in den Rippen. Ebenso
vorteilhaft ist die Lanze beim Nachsetzen. Der Lanzenreiter erreicht den Feind,


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[0163] Die Grafen von Altenschwerdt. Kommen Sie, Herr Eschenburg, wir wollen hinuntergehen, sagte das Fräu¬ lein, und sie führte ihn eine enge, gewundne Stiege hinab, welche, augenscheinlich zum Gebrauche des Orchesters erbaut, unmittelbar in ein kleines, an die Halle stoßendes Zimmer mündete, von wo aus beide auf die Ecke zuschritten, in der Baron von Sextus mit seinem Freunde, dem Grafen von Franeker, saß. Dieser Platz bildete einen traulichen Winkel in der majestätischen Halle. Zwei weichgepolsterte Divans waren hier zusammengeschoben, dicke Bärenfelle bedeckten den aus bunten Steinplatten zusammengesetzten Fußboden, und der runde, schwere Tisch trug einen großen, altertümlichen Steinkrug mit Bier, Hin¬ geben von geschliffenen Humpen. Eberhard: betrachtete, während die Zeremonie der Vorstellung vor sich ging, mit Interesse den alten General, dessen Dorothea so ehrenvoll Erwähnung ge¬ than hatte, und fühlte sich in der That durch seine Erscheinung sympathisch be¬ rührt. Es war ein hoher und schlanker Herr, dessen Runzeln und weißes Haar ein weit vorgerücktes Alter anzeigten, dessen dunkle Augen aber in jugend¬ lichem Feuer glänzten, und dessen Züge das deutliche Gepräge des Wohlwollens, der Güte und Freundlichkeit trugen. Dazu war seine Gestalt und sein Be¬ nehmen veredelt und ausgezeichnet durch ein gewisses unbeschreibliches Etwas von Vornehmheit und Höflichkeit, wie Eberhardt sich uicht erinnern konnte jemals in solcher Vollendung an einem Manne gesehen zu haben, und der außer¬ ordentlich einfache Anzug des Grafen, sein blauer, offenbar schon lange getra¬ gener Rock und die langen, lederfarbigen Gamaschen, that diesem distinguirten Äußern keinen Eintrag. Es war kühl in der Halle, trotzdem daß draußen eine hohe Temperatur herrschte, nur wehten vom Garten her warme Lüfte herein und trugen den an¬ mutigen Duft von Rosen und Reseda mit sich. Diese Umgebung, wie die Ge¬ sellschaft, in der er sich befand, hatte etwas wohlthuendes und erhebendes für Eberhardt, und er saß neben der schönen Dorothea in dem hohen, wappenge¬ schmückten Lehnstuhl mit dem Behagen eines Königs, der auf langer Irr¬ fahrt einen Besuch in den: ihm zugehörenden Reiche macht, ohne daran zu denken, daß seine Reise noch nicht vollendet ist. Was die Bewaffnung der Kavallerie betrifft — mit diesen Worten nahm der Baron von Sextus das unterbrochne Gespräch wieder auf —, so ist meiner Meinung nach die Lanze die vorzüglichste Waffe. Sie ist ebensowohl für den geschlossenen Angriff wie für das Einzelgefecht im höchsten Maße geeignet. Der gehörig ausexerzirte Mann hält sich auf freiem Felde, wo er Raum hat, zu drehen, zu wenden und die Lanze über dem Kopfe zu schwingen, den besten Säbel¬ reiter vom Leibe. Er bleibt ruhig stehen und zeigt dem Gegner, der ihn um¬ schwärmt, stets die Spitze. So wie dieser nur einen Augenblick still hält oder langsa zuwendet, sitzt er ihm mit einigen Galoppsprüngen in den Rippen. Ebenso vorteilhaft ist die Lanze beim Nachsetzen. Der Lanzenreiter erreicht den Feind,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/163>, abgerufen am 25.08.2024.