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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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D^r Ban des Reichstagsgebäudes.

Mission Recht daran thun, der Sache kurzer Hand ein Ende zu machen und
Bvhnstedt mit der Ausarbeitung eines neuen, den veränderten Bodenverhältnissen
angepaßten Entwurfes auf Grund des alten zu betrauen. Und in der That
ist nicht zu leugnen, daß der Bvhnstedtsche Entwurf große, bestechende Vorzüge
hat. Das mächtige Triumphbvgenportal in der Mitte, an welches sich rechts
und links eine stolze Säulenhalle anschließt, und die sich dahinter erhebende
Kuppel, welche den Sitzungssaal charakteristisch als das Centrum der ganzen
Bauanlage kennzeichnet, bilden ein Ensemble von entschieden monumentaler
Wirkung. Weniger befriedigend war die Durchbildung der Details. Indessen
haben nicht jene Vorzüge das für Bvhnstedt günstige Votum herbeiführt, sondern
rein zufällige Umstände, über welche sich damals ein mit den Vorgängen im
Schoße der Jury vertrauter Kritiker, or. Julius Lessing, der jetzige Direktor
der Sammlungen des Kunstgewerbemuseums, folgendermaßen ausließ: "Von den
sachverständigen Stimmen der eingesetzten Jury hatte der Bvhnstedtsche Entwurf
nur eine einzige für sich gehabt. Alle übrigen Architekten aus Nord und Süd
stimmten geschlossen gegen ihn. Die beschließende Jury bestand aus 19 Mit¬
gliedern; bei der Abstimmung für den ersten Preis fielen davon 9 Stimmen
ans Kayser und v. Großheim. Unter diese"? 9 aber befanden sich alle eigentlich
Sachverständigen, die berufenen Architekten mit einziger Ausnahme des Gothikers
Statz. Für Bvhnstedt stimmten dann nur fünf, für Mylius und Bluntschli
einer, für Scott als den besten gothischen Entwurf vier, darunter Statz. Bei
der zweiten Abstimmung ging die eine Stimme für Mylius zu Bvhnstedt über,
und als schließlich ein Resultat erzielt werden mußte, wählten die Gothiker,
welche beiden Entwürfen gleich fern standen, wenigstens nicht den der Berliner
Schule. So sammelte Bohnstedts Entwurf schließlich 10 Stimmen gegen die
^, welche fest geschlossen bei Kayser und v. Großheim blieben. Von einem
Positiven Ergebniß, das zwingend auf die weitern Verhandlungen einzuwirken
berechtigt wäre, kann hiernach nicht die Rede sein."

Man sieht nach dieser Darstellung, wie wenig sachlich begründet die Ansprüche
Bohnstedts auf deu ersten Preis sind, zugleich aber auch, von welchen Zufällig¬
keiten das Urteil einer Jury abhängt und wie wenig ratsam es demnach ist, die
Entscheidung in einer so überaus wichtigen Frage solchen Zufällen preiszugeben.
Wenn Bvhnstedt in Frage kommt, so würde er höchstens als gleichberechtigter
in einer Linie mit den übrigen Architekten stehen, welche zweite Preise erhalten
haben. Von diesen ist der Engländer Scott auszuscheiden, da er inzwischen ge¬
storben ist. Da überdies Herr August Reichensperger abgelehnt hat, der ganzen
Angelegenheit seine schätzbare Mitwirkung angedeihen zu lassen, so ist der Ge¬
danke, daß ein gothischer Entwurf am Ende doch noch eine Berücksichtigung finden
konnte, von vornherein ausgeschlossen.

In Berlin hat die Gothik nicht den geringsten Grund und Boden, weder
unter den Architekten, noch in der Sympathie des großen Publikums. Berlin


Grenzlwtcn 1. I8S2. 12
D^r Ban des Reichstagsgebäudes.

Mission Recht daran thun, der Sache kurzer Hand ein Ende zu machen und
Bvhnstedt mit der Ausarbeitung eines neuen, den veränderten Bodenverhältnissen
angepaßten Entwurfes auf Grund des alten zu betrauen. Und in der That
ist nicht zu leugnen, daß der Bvhnstedtsche Entwurf große, bestechende Vorzüge
hat. Das mächtige Triumphbvgenportal in der Mitte, an welches sich rechts
und links eine stolze Säulenhalle anschließt, und die sich dahinter erhebende
Kuppel, welche den Sitzungssaal charakteristisch als das Centrum der ganzen
Bauanlage kennzeichnet, bilden ein Ensemble von entschieden monumentaler
Wirkung. Weniger befriedigend war die Durchbildung der Details. Indessen
haben nicht jene Vorzüge das für Bvhnstedt günstige Votum herbeiführt, sondern
rein zufällige Umstände, über welche sich damals ein mit den Vorgängen im
Schoße der Jury vertrauter Kritiker, or. Julius Lessing, der jetzige Direktor
der Sammlungen des Kunstgewerbemuseums, folgendermaßen ausließ: „Von den
sachverständigen Stimmen der eingesetzten Jury hatte der Bvhnstedtsche Entwurf
nur eine einzige für sich gehabt. Alle übrigen Architekten aus Nord und Süd
stimmten geschlossen gegen ihn. Die beschließende Jury bestand aus 19 Mit¬
gliedern; bei der Abstimmung für den ersten Preis fielen davon 9 Stimmen
ans Kayser und v. Großheim. Unter diese«? 9 aber befanden sich alle eigentlich
Sachverständigen, die berufenen Architekten mit einziger Ausnahme des Gothikers
Statz. Für Bvhnstedt stimmten dann nur fünf, für Mylius und Bluntschli
einer, für Scott als den besten gothischen Entwurf vier, darunter Statz. Bei
der zweiten Abstimmung ging die eine Stimme für Mylius zu Bvhnstedt über,
und als schließlich ein Resultat erzielt werden mußte, wählten die Gothiker,
welche beiden Entwürfen gleich fern standen, wenigstens nicht den der Berliner
Schule. So sammelte Bohnstedts Entwurf schließlich 10 Stimmen gegen die
^, welche fest geschlossen bei Kayser und v. Großheim blieben. Von einem
Positiven Ergebniß, das zwingend auf die weitern Verhandlungen einzuwirken
berechtigt wäre, kann hiernach nicht die Rede sein."

Man sieht nach dieser Darstellung, wie wenig sachlich begründet die Ansprüche
Bohnstedts auf deu ersten Preis sind, zugleich aber auch, von welchen Zufällig¬
keiten das Urteil einer Jury abhängt und wie wenig ratsam es demnach ist, die
Entscheidung in einer so überaus wichtigen Frage solchen Zufällen preiszugeben.
Wenn Bvhnstedt in Frage kommt, so würde er höchstens als gleichberechtigter
in einer Linie mit den übrigen Architekten stehen, welche zweite Preise erhalten
haben. Von diesen ist der Engländer Scott auszuscheiden, da er inzwischen ge¬
storben ist. Da überdies Herr August Reichensperger abgelehnt hat, der ganzen
Angelegenheit seine schätzbare Mitwirkung angedeihen zu lassen, so ist der Ge¬
danke, daß ein gothischer Entwurf am Ende doch noch eine Berücksichtigung finden
konnte, von vornherein ausgeschlossen.

In Berlin hat die Gothik nicht den geringsten Grund und Boden, weder
unter den Architekten, noch in der Sympathie des großen Publikums. Berlin


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/97>, abgerufen am 01.07.2024.