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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Der Bau des Reichstagsgebäudos,

der Regierung noch zu eruenuendeu Technikern besteht, wird also ihre Arbeit
von vorn anzufangen haben. Denn daß von den Entwürfen, die bei der 1872
erledigten Konkurrenz mit dein ersten und vier zweiten Preisen gekrönt worden
sind, keiner gegenwärtig mehr zu brauchen ist, ergiebt sich schon aus der Ver¬
änderung der Grenzlinien des Bauplatzes und aus dem Umstände, daß sich die
Präsidentenwohnung nicht mehr im Reichstagsgebäude befinden soll. Nachdem
also die Frage des noch nötigen Grunderwerbs gelöst worden ist, wird die
Kommission ihr Augenmerk ans die Beschaffung eines brauchbaren Entwurfs zu
richten haben. Es werden ihr dabei drei Möglichkeiten nahe treten. Entweder
kann sie eine neue, unbeschränkte Konkurrenz ausschreiben, oder sie kann den bei
der frühern Konkurrenz mit dem ersten Preise gekrönten Künstler, Professor
Ludwig Bohustedt in Gotha, mit der Anfertigung eiues neuen Entwurfs be¬
trauen, oder sie kann endlich eine neue, beschränkte Konkurrenz zwischen den¬
jenigen Architekten eröffnen, die bei der ersten Konkurrenz überhaupt Preise er¬
halten haben.

Es sei uns gestattet, die Vor- und Nachteile dieser drei Möglichkeiten
hier zu erörtern. Wird eine allgemeine.Konkurrenz an alle deutschen und viel¬
leicht auch außerdeutschen Architekten ausgeschrieben, so könnte dadurch ein
Projekt gewonnen werden, welches die vorhandenen an Schönheit, Großartigkeit
und praktischer Durchführung des Innern überträfe. Aber diese Eventualität ist
eine sehr unsichere, da, wie wir sogleich an einem uns hier speziell angehenden
Beispiel ersehen werden, im Schoße der Jury nicht immer jene Gesichtspunkte
maßgebend sind, sondern reine Zufälligkeiten entscheiden, die bei einer so eminent
wichtige" Sache eigentlich ausgeschlossen sein sollten. Einer so geringen Wahr¬
scheinlichkeit also steht der ganze umfängliche und unerquickliche Apparat einer.
Konkurrenz gegenüber, deren Termin doch ziemlich weit hinausgerüÄt werden
müßte, wodurch für eine schon ohnehin über Gebühr in die Länge gezogene
Angelegenheit ein neuer Aufschub entstehen würde. Man bedenke dabei den
kolossalen Aufwand von Arbeitskräften, die unnütz vergeudet werde", sowohl die
der Konkurrenten, als die der Juroren, welche sich durch eine Unsumme von
Plänen hindurcharbeiten müßten, vorausgesetzt, daß die Beteiligung eine starke
wäre. Das letztere scheint aber obendrein noch zweifelhaft zu sein, dn die Archi¬
tekten von Ruf nachgerade in den Konkurrenzen ein Haar gefunden haben und
mit Recht Bedenken tragen, ihre Kräfte bei einem so großen Zufällen unter¬
worfenen Dinge wie dem Ausgange einer Konkurrenz einzusetzen. Die Stim¬
mung für eine allgemeine Konkurrenz ist, wie man wohl annehmen darf, in
Architektenkreisen eine wenig günstige. Wozu, so fragt man sich, das Spiel
von neuem beginnen, da man eine Reihe guter Entwürfe hat?

Unter diesen Entwürfen wird zuerst der Bohnstedtsche in Betracht kommen,
welcher mit dem ersten Preise gekrönt worden ist. Wenn bei dieser Auszeichnung
nur rein sachliche Gründe den Ausschlag gegeben hätten, so würde die Kom-


Der Bau des Reichstagsgebäudos,

der Regierung noch zu eruenuendeu Technikern besteht, wird also ihre Arbeit
von vorn anzufangen haben. Denn daß von den Entwürfen, die bei der 1872
erledigten Konkurrenz mit dein ersten und vier zweiten Preisen gekrönt worden
sind, keiner gegenwärtig mehr zu brauchen ist, ergiebt sich schon aus der Ver¬
änderung der Grenzlinien des Bauplatzes und aus dem Umstände, daß sich die
Präsidentenwohnung nicht mehr im Reichstagsgebäude befinden soll. Nachdem
also die Frage des noch nötigen Grunderwerbs gelöst worden ist, wird die
Kommission ihr Augenmerk ans die Beschaffung eines brauchbaren Entwurfs zu
richten haben. Es werden ihr dabei drei Möglichkeiten nahe treten. Entweder
kann sie eine neue, unbeschränkte Konkurrenz ausschreiben, oder sie kann den bei
der frühern Konkurrenz mit dem ersten Preise gekrönten Künstler, Professor
Ludwig Bohustedt in Gotha, mit der Anfertigung eiues neuen Entwurfs be¬
trauen, oder sie kann endlich eine neue, beschränkte Konkurrenz zwischen den¬
jenigen Architekten eröffnen, die bei der ersten Konkurrenz überhaupt Preise er¬
halten haben.

Es sei uns gestattet, die Vor- und Nachteile dieser drei Möglichkeiten
hier zu erörtern. Wird eine allgemeine.Konkurrenz an alle deutschen und viel¬
leicht auch außerdeutschen Architekten ausgeschrieben, so könnte dadurch ein
Projekt gewonnen werden, welches die vorhandenen an Schönheit, Großartigkeit
und praktischer Durchführung des Innern überträfe. Aber diese Eventualität ist
eine sehr unsichere, da, wie wir sogleich an einem uns hier speziell angehenden
Beispiel ersehen werden, im Schoße der Jury nicht immer jene Gesichtspunkte
maßgebend sind, sondern reine Zufälligkeiten entscheiden, die bei einer so eminent
wichtige« Sache eigentlich ausgeschlossen sein sollten. Einer so geringen Wahr¬
scheinlichkeit also steht der ganze umfängliche und unerquickliche Apparat einer.
Konkurrenz gegenüber, deren Termin doch ziemlich weit hinausgerüÄt werden
müßte, wodurch für eine schon ohnehin über Gebühr in die Länge gezogene
Angelegenheit ein neuer Aufschub entstehen würde. Man bedenke dabei den
kolossalen Aufwand von Arbeitskräften, die unnütz vergeudet werde», sowohl die
der Konkurrenten, als die der Juroren, welche sich durch eine Unsumme von
Plänen hindurcharbeiten müßten, vorausgesetzt, daß die Beteiligung eine starke
wäre. Das letztere scheint aber obendrein noch zweifelhaft zu sein, dn die Archi¬
tekten von Ruf nachgerade in den Konkurrenzen ein Haar gefunden haben und
mit Recht Bedenken tragen, ihre Kräfte bei einem so großen Zufällen unter¬
worfenen Dinge wie dem Ausgange einer Konkurrenz einzusetzen. Die Stim¬
mung für eine allgemeine Konkurrenz ist, wie man wohl annehmen darf, in
Architektenkreisen eine wenig günstige. Wozu, so fragt man sich, das Spiel
von neuem beginnen, da man eine Reihe guter Entwürfe hat?

Unter diesen Entwürfen wird zuerst der Bohnstedtsche in Betracht kommen,
welcher mit dem ersten Preise gekrönt worden ist. Wenn bei dieser Auszeichnung
nur rein sachliche Gründe den Ausschlag gegeben hätten, so würde die Kom-


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[0096] Der Bau des Reichstagsgebäudos, der Regierung noch zu eruenuendeu Technikern besteht, wird also ihre Arbeit von vorn anzufangen haben. Denn daß von den Entwürfen, die bei der 1872 erledigten Konkurrenz mit dein ersten und vier zweiten Preisen gekrönt worden sind, keiner gegenwärtig mehr zu brauchen ist, ergiebt sich schon aus der Ver¬ änderung der Grenzlinien des Bauplatzes und aus dem Umstände, daß sich die Präsidentenwohnung nicht mehr im Reichstagsgebäude befinden soll. Nachdem also die Frage des noch nötigen Grunderwerbs gelöst worden ist, wird die Kommission ihr Augenmerk ans die Beschaffung eines brauchbaren Entwurfs zu richten haben. Es werden ihr dabei drei Möglichkeiten nahe treten. Entweder kann sie eine neue, unbeschränkte Konkurrenz ausschreiben, oder sie kann den bei der frühern Konkurrenz mit dem ersten Preise gekrönten Künstler, Professor Ludwig Bohustedt in Gotha, mit der Anfertigung eiues neuen Entwurfs be¬ trauen, oder sie kann endlich eine neue, beschränkte Konkurrenz zwischen den¬ jenigen Architekten eröffnen, die bei der ersten Konkurrenz überhaupt Preise er¬ halten haben. Es sei uns gestattet, die Vor- und Nachteile dieser drei Möglichkeiten hier zu erörtern. Wird eine allgemeine.Konkurrenz an alle deutschen und viel¬ leicht auch außerdeutschen Architekten ausgeschrieben, so könnte dadurch ein Projekt gewonnen werden, welches die vorhandenen an Schönheit, Großartigkeit und praktischer Durchführung des Innern überträfe. Aber diese Eventualität ist eine sehr unsichere, da, wie wir sogleich an einem uns hier speziell angehenden Beispiel ersehen werden, im Schoße der Jury nicht immer jene Gesichtspunkte maßgebend sind, sondern reine Zufälligkeiten entscheiden, die bei einer so eminent wichtige« Sache eigentlich ausgeschlossen sein sollten. Einer so geringen Wahr¬ scheinlichkeit also steht der ganze umfängliche und unerquickliche Apparat einer. Konkurrenz gegenüber, deren Termin doch ziemlich weit hinausgerüÄt werden müßte, wodurch für eine schon ohnehin über Gebühr in die Länge gezogene Angelegenheit ein neuer Aufschub entstehen würde. Man bedenke dabei den kolossalen Aufwand von Arbeitskräften, die unnütz vergeudet werde», sowohl die der Konkurrenten, als die der Juroren, welche sich durch eine Unsumme von Plänen hindurcharbeiten müßten, vorausgesetzt, daß die Beteiligung eine starke wäre. Das letztere scheint aber obendrein noch zweifelhaft zu sein, dn die Archi¬ tekten von Ruf nachgerade in den Konkurrenzen ein Haar gefunden haben und mit Recht Bedenken tragen, ihre Kräfte bei einem so großen Zufällen unter¬ worfenen Dinge wie dem Ausgange einer Konkurrenz einzusetzen. Die Stim¬ mung für eine allgemeine Konkurrenz ist, wie man wohl annehmen darf, in Architektenkreisen eine wenig günstige. Wozu, so fragt man sich, das Spiel von neuem beginnen, da man eine Reihe guter Entwürfe hat? Unter diesen Entwürfen wird zuerst der Bohnstedtsche in Betracht kommen, welcher mit dem ersten Preise gekrönt worden ist. Wenn bei dieser Auszeichnung nur rein sachliche Gründe den Ausschlag gegeben hätten, so würde die Kom-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/96>, abgerufen am 01.07.2024.