Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

thaler, Hentschel, Grammann, noch Hofmann, Kretschmer und Neßler -- unter
sich sehr verschieden geartete, in Bezug auf künstlerischen Ernst weit von ein¬
ander abweichende Naturen. Unter ihren und ihrer Genusse" Opern klug zu
sichten und das Bessere womöglich auf längere Dauer dein Repertoire einzu¬
verleiben um mit ihm das überwundene Fremde und einige seichte heimische Pro¬
dukte zu verdrängen, das wäre eine rühmliche Aufgabe für unsre Theaterleiter.
Die Auswahl erfordert freilich eine sichere künstlerische Hand, über die nicht alle
Intendanzen verfügen.

Das find alles fromme Wünsche, bemerkt vielleicht ein Skeptiker. Fromm
sind sie, aber sie können Wirklichkeit werden, wenn diejenigen, in deren Hand
das Heil unsrer Theater ruht, sie ernstlich erwägen wollen. Für unsre Hof-
bühuen sind sie durchaus erfüllbar, und was in diesem Aufsätze bloße Anregung
bleiben mußte, entwickelt hoffentlich ein kluger, künstlerisch gesinnter Praktiker
den Umständen entsprechend zur That. Ein jedes Ideal hat mit dem wider¬
strebenden Stoff zu kompromittiren, das Bühnenideal nicht am wenigsten. Aber
eine phlegmatische Berufung auf die "gute alte Zeit" könnte uuter Umständen
nicht nur eiuen Vorwurf gegen die künstlerische Gegenwart, sondern zugleich
die Verhinderung der bestmöglichen Weiterentwicklung des Theaters bedeuten,
die alle seine Freunde ihm vou Herzen wünschen und zu der sie thatkräftig selbst
mitwirken müssen.


Heinrich Bulthaupt.


Der Van des Reichstagsgebäudes.

urch Reichstagsbeschluß vom 13. Dezember ist endlich der erste
Schritt zur Lösung einer Frage gethan worden, welche ein Jahr¬
zehnt lang heftige, oft politisch zugespitzte Erörterungen hervor¬
gerufen hat, obwohl mau meinen sollte, daß sich ans einem so
neutralen Gebiete die Vertreter aller Parteien einmütig zu¬
sammenfinden könnten. Es ist für unsre parlamentarischen und allgemeinen
Politischen Verhältnisse charakteristisch, daß die Parteien noch nie so uneinig ge¬
wesen sind wie hier, wo es sich um das "monumentale Zeichen deutscher Ein¬
heit" gehandelt hat. Heute steht die Angelegenheit dank dieser Uneinigkeit
genan so, wie sie vor zehn Jahren gestanden hat, nur mit dem Unterschiede,
daß man damals Entwürfe und Baurisse hatte, ohne einen Bauplatz zu haben,
und heute hat man einen Bauplatz, ohne im Besitz der nötigen Entwürfe zu sein.

Die Kommission für den Bau des Reichstagsgebäudes, welche ans dem
Präsidenten, sieben Abgeordneten, fünf Bundesratsmitgliedern und einigen von


thaler, Hentschel, Grammann, noch Hofmann, Kretschmer und Neßler — unter
sich sehr verschieden geartete, in Bezug auf künstlerischen Ernst weit von ein¬
ander abweichende Naturen. Unter ihren und ihrer Genusse» Opern klug zu
sichten und das Bessere womöglich auf längere Dauer dein Repertoire einzu¬
verleiben um mit ihm das überwundene Fremde und einige seichte heimische Pro¬
dukte zu verdrängen, das wäre eine rühmliche Aufgabe für unsre Theaterleiter.
Die Auswahl erfordert freilich eine sichere künstlerische Hand, über die nicht alle
Intendanzen verfügen.

Das find alles fromme Wünsche, bemerkt vielleicht ein Skeptiker. Fromm
sind sie, aber sie können Wirklichkeit werden, wenn diejenigen, in deren Hand
das Heil unsrer Theater ruht, sie ernstlich erwägen wollen. Für unsre Hof-
bühuen sind sie durchaus erfüllbar, und was in diesem Aufsätze bloße Anregung
bleiben mußte, entwickelt hoffentlich ein kluger, künstlerisch gesinnter Praktiker
den Umständen entsprechend zur That. Ein jedes Ideal hat mit dem wider¬
strebenden Stoff zu kompromittiren, das Bühnenideal nicht am wenigsten. Aber
eine phlegmatische Berufung auf die „gute alte Zeit" könnte uuter Umständen
nicht nur eiuen Vorwurf gegen die künstlerische Gegenwart, sondern zugleich
die Verhinderung der bestmöglichen Weiterentwicklung des Theaters bedeuten,
die alle seine Freunde ihm vou Herzen wünschen und zu der sie thatkräftig selbst
mitwirken müssen.


Heinrich Bulthaupt.


Der Van des Reichstagsgebäudes.

urch Reichstagsbeschluß vom 13. Dezember ist endlich der erste
Schritt zur Lösung einer Frage gethan worden, welche ein Jahr¬
zehnt lang heftige, oft politisch zugespitzte Erörterungen hervor¬
gerufen hat, obwohl mau meinen sollte, daß sich ans einem so
neutralen Gebiete die Vertreter aller Parteien einmütig zu¬
sammenfinden könnten. Es ist für unsre parlamentarischen und allgemeinen
Politischen Verhältnisse charakteristisch, daß die Parteien noch nie so uneinig ge¬
wesen sind wie hier, wo es sich um das „monumentale Zeichen deutscher Ein¬
heit" gehandelt hat. Heute steht die Angelegenheit dank dieser Uneinigkeit
genan so, wie sie vor zehn Jahren gestanden hat, nur mit dem Unterschiede,
daß man damals Entwürfe und Baurisse hatte, ohne einen Bauplatz zu haben,
und heute hat man einen Bauplatz, ohne im Besitz der nötigen Entwürfe zu sein.

Die Kommission für den Bau des Reichstagsgebäudes, welche ans dem
Präsidenten, sieben Abgeordneten, fünf Bundesratsmitgliedern und einigen von


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0095" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/86216"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_318" prev="#ID_317"> thaler, Hentschel, Grammann, noch Hofmann, Kretschmer und Neßler &#x2014; unter<lb/>
sich sehr verschieden geartete, in Bezug auf künstlerischen Ernst weit von ein¬<lb/>
ander abweichende Naturen. Unter ihren und ihrer Genusse» Opern klug zu<lb/>
sichten und das Bessere womöglich auf längere Dauer dein Repertoire einzu¬<lb/>
verleiben um mit ihm das überwundene Fremde und einige seichte heimische Pro¬<lb/>
dukte zu verdrängen, das wäre eine rühmliche Aufgabe für unsre Theaterleiter.<lb/>
Die Auswahl erfordert freilich eine sichere künstlerische Hand, über die nicht alle<lb/>
Intendanzen verfügen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_319"> Das find alles fromme Wünsche, bemerkt vielleicht ein Skeptiker. Fromm<lb/>
sind sie, aber sie können Wirklichkeit werden, wenn diejenigen, in deren Hand<lb/>
das Heil unsrer Theater ruht, sie ernstlich erwägen wollen. Für unsre Hof-<lb/>
bühuen sind sie durchaus erfüllbar, und was in diesem Aufsätze bloße Anregung<lb/>
bleiben mußte, entwickelt hoffentlich ein kluger, künstlerisch gesinnter Praktiker<lb/>
den Umständen entsprechend zur That. Ein jedes Ideal hat mit dem wider¬<lb/>
strebenden Stoff zu kompromittiren, das Bühnenideal nicht am wenigsten. Aber<lb/>
eine phlegmatische Berufung auf die &#x201E;gute alte Zeit" könnte uuter Umständen<lb/>
nicht nur eiuen Vorwurf gegen die künstlerische Gegenwart, sondern zugleich<lb/>
die Verhinderung der bestmöglichen Weiterentwicklung des Theaters bedeuten,<lb/>
die alle seine Freunde ihm vou Herzen wünschen und zu der sie thatkräftig selbst<lb/>
mitwirken müssen.</p><lb/>
          <note type="byline"> Heinrich Bulthaupt.</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Der Van des Reichstagsgebäudes.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_320"> urch Reichstagsbeschluß vom 13. Dezember ist endlich der erste<lb/>
Schritt zur Lösung einer Frage gethan worden, welche ein Jahr¬<lb/>
zehnt lang heftige, oft politisch zugespitzte Erörterungen hervor¬<lb/>
gerufen hat, obwohl mau meinen sollte, daß sich ans einem so<lb/>
neutralen Gebiete die Vertreter aller Parteien einmütig zu¬<lb/>
sammenfinden könnten. Es ist für unsre parlamentarischen und allgemeinen<lb/>
Politischen Verhältnisse charakteristisch, daß die Parteien noch nie so uneinig ge¬<lb/>
wesen sind wie hier, wo es sich um das &#x201E;monumentale Zeichen deutscher Ein¬<lb/>
heit" gehandelt hat. Heute steht die Angelegenheit dank dieser Uneinigkeit<lb/>
genan so, wie sie vor zehn Jahren gestanden hat, nur mit dem Unterschiede,<lb/>
daß man damals Entwürfe und Baurisse hatte, ohne einen Bauplatz zu haben,<lb/>
und heute hat man einen Bauplatz, ohne im Besitz der nötigen Entwürfe zu sein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_321" next="#ID_322"> Die Kommission für den Bau des Reichstagsgebäudes, welche ans dem<lb/>
Präsidenten, sieben Abgeordneten, fünf Bundesratsmitgliedern und einigen von</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0095] thaler, Hentschel, Grammann, noch Hofmann, Kretschmer und Neßler — unter sich sehr verschieden geartete, in Bezug auf künstlerischen Ernst weit von ein¬ ander abweichende Naturen. Unter ihren und ihrer Genusse» Opern klug zu sichten und das Bessere womöglich auf längere Dauer dein Repertoire einzu¬ verleiben um mit ihm das überwundene Fremde und einige seichte heimische Pro¬ dukte zu verdrängen, das wäre eine rühmliche Aufgabe für unsre Theaterleiter. Die Auswahl erfordert freilich eine sichere künstlerische Hand, über die nicht alle Intendanzen verfügen. Das find alles fromme Wünsche, bemerkt vielleicht ein Skeptiker. Fromm sind sie, aber sie können Wirklichkeit werden, wenn diejenigen, in deren Hand das Heil unsrer Theater ruht, sie ernstlich erwägen wollen. Für unsre Hof- bühuen sind sie durchaus erfüllbar, und was in diesem Aufsätze bloße Anregung bleiben mußte, entwickelt hoffentlich ein kluger, künstlerisch gesinnter Praktiker den Umständen entsprechend zur That. Ein jedes Ideal hat mit dem wider¬ strebenden Stoff zu kompromittiren, das Bühnenideal nicht am wenigsten. Aber eine phlegmatische Berufung auf die „gute alte Zeit" könnte uuter Umständen nicht nur eiuen Vorwurf gegen die künstlerische Gegenwart, sondern zugleich die Verhinderung der bestmöglichen Weiterentwicklung des Theaters bedeuten, die alle seine Freunde ihm vou Herzen wünschen und zu der sie thatkräftig selbst mitwirken müssen. Heinrich Bulthaupt. Der Van des Reichstagsgebäudes. urch Reichstagsbeschluß vom 13. Dezember ist endlich der erste Schritt zur Lösung einer Frage gethan worden, welche ein Jahr¬ zehnt lang heftige, oft politisch zugespitzte Erörterungen hervor¬ gerufen hat, obwohl mau meinen sollte, daß sich ans einem so neutralen Gebiete die Vertreter aller Parteien einmütig zu¬ sammenfinden könnten. Es ist für unsre parlamentarischen und allgemeinen Politischen Verhältnisse charakteristisch, daß die Parteien noch nie so uneinig ge¬ wesen sind wie hier, wo es sich um das „monumentale Zeichen deutscher Ein¬ heit" gehandelt hat. Heute steht die Angelegenheit dank dieser Uneinigkeit genan so, wie sie vor zehn Jahren gestanden hat, nur mit dem Unterschiede, daß man damals Entwürfe und Baurisse hatte, ohne einen Bauplatz zu haben, und heute hat man einen Bauplatz, ohne im Besitz der nötigen Entwürfe zu sein. Die Kommission für den Bau des Reichstagsgebäudes, welche ans dem Präsidenten, sieben Abgeordneten, fünf Bundesratsmitgliedern und einigen von

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/95
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/95>, abgerufen am 01.07.2024.