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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Zur Landes- und Volkskunde Japans.

sich aber, solche weitere Zugeständnisse zu machen, so lauge nicht die Juris¬
diktion über die Fremden in ihre Hände gelegt ist; sie fürchten überdies, daß
jede weitere Konzession in dieser Richtung dem Lande neue Kosten und manche
Verwicklung bereiten werde; und nicht weniger sträubt sich ihr Stolz dagegen,
daß sie den Vertragsmächten nicht gleichberechtigt sein sollen. Andrerseits werden
diese sich hüten, die Jurisdiktion über ihre Landesangehörigen der japanischen
Regierung zu überlassen, so lange die Rechtsanschauungen der Japaner von den
unsrigen noch so abweichen und das japanische Gefängniswesen noch so im
Argen liegt.

Sehr interessant sind die Schilderungen, welche Rein von der Sprache,
dem häuslichen und öffentlichen Leben und den religiösen Zuständen der Be¬
wohner Japans giebt. Er scheidet die Japaner in zwei Stämme, in die eigent¬
liche" Japaner Und die Ainos, die beide zur mongolischen Rasse gehören. Die
letzter" bewohnen die Insel Aezo und die Kurilen, sowie den südlichen Teil
von Sachalin. Ihre Zahl schätzt Rein auf 17 000; dieselbe ist also verschwin¬
dend klein gegenüber der Gesammtbevölkerung des ganzen japanischen Reiches
(33'/z Millionen).

Da es Rein vergönnt war, einen tiefern Einblick in das japanische Volks¬
leben zu thun, als es seinen Vorgängern möglich war, so dürfte gerade seine
Beurteilung des Volkscharakters besonders wertvoll sein. Das japanische Volk
ist nach Reinh Ansicht in mancher Beziehung ein Volk von Kindern, harmlos,
zutraulich, heiter und zu kindlichen Spielen geneigt auf allen Altersstufen, für
alles neue leicht interessirt, ja begeistert, aber wenn nur halb und kurze Zeit
damit vertraut, ebenso leicht desselben überdrüssig, kurz ein Volk, das vielfach
ohne Stetigkeit und Ausdauer ist. Letzteres dürfte jedoch mehr von der höhern
Gesellschaftsklasse als von dem eigentlichen Volke gelten, auf das Rein alle
Attribute anwenden mochte, die schon Thunberg dem japanischen Volkscharakter
zugeschrieben hat. Das Volk ist im allgemeinen verständig und vorsichtig, lenksam
und höflich, fleißig und geschickt, reinlich, nüchtern und sparsam, gutmütig und
freundlich, ehrlich n"d treu, daneben freilich auch argwöhnisch, abergläubisch
und sinnlich. Eine natürliche Heiterkeit und Unverdrossenheit verläßt den ge¬
meinen Mann auch bei schwerer Arbeit nicht.

Der letzte Abschnitt von Reims Buch, welcher durch zwei Stadtpläne von
Kiöto und Tokio und einige anziehende Landschaftsbilder illustrirt ist, giebt eine
ausführliche topographische Beschreibung des japanischen Reiches. Der Ver¬
leger hat dem Werke eine glänzende Ausstattung gegeben.




Zur Landes- und Volkskunde Japans.

sich aber, solche weitere Zugeständnisse zu machen, so lauge nicht die Juris¬
diktion über die Fremden in ihre Hände gelegt ist; sie fürchten überdies, daß
jede weitere Konzession in dieser Richtung dem Lande neue Kosten und manche
Verwicklung bereiten werde; und nicht weniger sträubt sich ihr Stolz dagegen,
daß sie den Vertragsmächten nicht gleichberechtigt sein sollen. Andrerseits werden
diese sich hüten, die Jurisdiktion über ihre Landesangehörigen der japanischen
Regierung zu überlassen, so lange die Rechtsanschauungen der Japaner von den
unsrigen noch so abweichen und das japanische Gefängniswesen noch so im
Argen liegt.

Sehr interessant sind die Schilderungen, welche Rein von der Sprache,
dem häuslichen und öffentlichen Leben und den religiösen Zuständen der Be¬
wohner Japans giebt. Er scheidet die Japaner in zwei Stämme, in die eigent¬
liche» Japaner Und die Ainos, die beide zur mongolischen Rasse gehören. Die
letzter» bewohnen die Insel Aezo und die Kurilen, sowie den südlichen Teil
von Sachalin. Ihre Zahl schätzt Rein auf 17 000; dieselbe ist also verschwin¬
dend klein gegenüber der Gesammtbevölkerung des ganzen japanischen Reiches
(33'/z Millionen).

Da es Rein vergönnt war, einen tiefern Einblick in das japanische Volks¬
leben zu thun, als es seinen Vorgängern möglich war, so dürfte gerade seine
Beurteilung des Volkscharakters besonders wertvoll sein. Das japanische Volk
ist nach Reinh Ansicht in mancher Beziehung ein Volk von Kindern, harmlos,
zutraulich, heiter und zu kindlichen Spielen geneigt auf allen Altersstufen, für
alles neue leicht interessirt, ja begeistert, aber wenn nur halb und kurze Zeit
damit vertraut, ebenso leicht desselben überdrüssig, kurz ein Volk, das vielfach
ohne Stetigkeit und Ausdauer ist. Letzteres dürfte jedoch mehr von der höhern
Gesellschaftsklasse als von dem eigentlichen Volke gelten, auf das Rein alle
Attribute anwenden mochte, die schon Thunberg dem japanischen Volkscharakter
zugeschrieben hat. Das Volk ist im allgemeinen verständig und vorsichtig, lenksam
und höflich, fleißig und geschickt, reinlich, nüchtern und sparsam, gutmütig und
freundlich, ehrlich n»d treu, daneben freilich auch argwöhnisch, abergläubisch
und sinnlich. Eine natürliche Heiterkeit und Unverdrossenheit verläßt den ge¬
meinen Mann auch bei schwerer Arbeit nicht.

Der letzte Abschnitt von Reims Buch, welcher durch zwei Stadtpläne von
Kiöto und Tokio und einige anziehende Landschaftsbilder illustrirt ist, giebt eine
ausführliche topographische Beschreibung des japanischen Reiches. Der Ver¬
leger hat dem Werke eine glänzende Ausstattung gegeben.




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[0084] Zur Landes- und Volkskunde Japans. sich aber, solche weitere Zugeständnisse zu machen, so lauge nicht die Juris¬ diktion über die Fremden in ihre Hände gelegt ist; sie fürchten überdies, daß jede weitere Konzession in dieser Richtung dem Lande neue Kosten und manche Verwicklung bereiten werde; und nicht weniger sträubt sich ihr Stolz dagegen, daß sie den Vertragsmächten nicht gleichberechtigt sein sollen. Andrerseits werden diese sich hüten, die Jurisdiktion über ihre Landesangehörigen der japanischen Regierung zu überlassen, so lange die Rechtsanschauungen der Japaner von den unsrigen noch so abweichen und das japanische Gefängniswesen noch so im Argen liegt. Sehr interessant sind die Schilderungen, welche Rein von der Sprache, dem häuslichen und öffentlichen Leben und den religiösen Zuständen der Be¬ wohner Japans giebt. Er scheidet die Japaner in zwei Stämme, in die eigent¬ liche» Japaner Und die Ainos, die beide zur mongolischen Rasse gehören. Die letzter» bewohnen die Insel Aezo und die Kurilen, sowie den südlichen Teil von Sachalin. Ihre Zahl schätzt Rein auf 17 000; dieselbe ist also verschwin¬ dend klein gegenüber der Gesammtbevölkerung des ganzen japanischen Reiches (33'/z Millionen). Da es Rein vergönnt war, einen tiefern Einblick in das japanische Volks¬ leben zu thun, als es seinen Vorgängern möglich war, so dürfte gerade seine Beurteilung des Volkscharakters besonders wertvoll sein. Das japanische Volk ist nach Reinh Ansicht in mancher Beziehung ein Volk von Kindern, harmlos, zutraulich, heiter und zu kindlichen Spielen geneigt auf allen Altersstufen, für alles neue leicht interessirt, ja begeistert, aber wenn nur halb und kurze Zeit damit vertraut, ebenso leicht desselben überdrüssig, kurz ein Volk, das vielfach ohne Stetigkeit und Ausdauer ist. Letzteres dürfte jedoch mehr von der höhern Gesellschaftsklasse als von dem eigentlichen Volke gelten, auf das Rein alle Attribute anwenden mochte, die schon Thunberg dem japanischen Volkscharakter zugeschrieben hat. Das Volk ist im allgemeinen verständig und vorsichtig, lenksam und höflich, fleißig und geschickt, reinlich, nüchtern und sparsam, gutmütig und freundlich, ehrlich n»d treu, daneben freilich auch argwöhnisch, abergläubisch und sinnlich. Eine natürliche Heiterkeit und Unverdrossenheit verläßt den ge¬ meinen Mann auch bei schwerer Arbeit nicht. Der letzte Abschnitt von Reims Buch, welcher durch zwei Stadtpläne von Kiöto und Tokio und einige anziehende Landschaftsbilder illustrirt ist, giebt eine ausführliche topographische Beschreibung des japanischen Reiches. Der Ver¬ leger hat dem Werke eine glänzende Ausstattung gegeben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/84>, abgerufen am 01.07.2024.