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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Zur Landes- und Volkskunde Japans.

dehnung der Inseln, die Meeresströmungen und das Klima ein teilweises Be¬
rühren und Vermischen beider Zonen bewirken.

Die zweite und umfangreichste Abteilung des vorliegenden Bandes bringt zu¬
nächst eine zusammenhangende Darstellung der Geschichte des japanischen Volkes
von der Gründung des Reiches Aamato an bis zur Gegenwart. Ganz besonders
dürften hier die Abschnitte, welche die Beziehungen der Holländer, Engländer
und Russen zu Japan im 17. und 18. Jahrhundert sowie die Geschichte Japans
seit 1854 behandeln, allen denen willkommen sein, die sich für die neueste Ent¬
wicklung des Mikadoreiches interessiren. Die Knlturbcstrebnngen Japans müssen
"nsre Teilnahme in hohem Maße in Anspruch nehmen. Es läßt sich nicht leugnen,
daß die Japaner nach Beseitigung der Feudalherrschaft einen enormen Fortschritt
in der Kultur gemacht haben. Die Regierung hat freilich bei ihren Bestrebungen,
die Civilisation des Abendlandes in Japan einzuführen, vielfache Mißgriffe gethan,
indem sie sich von fremden, selbstsüchtigen Ratgebern leiten ließ. Die Japaner
waren bei diesen Bestrebungen der Ansicht, daß es keinen besseren Weg gäbe,
ihr Ziel zu erreichen, als wenn sie gewissermaßen aus der Vogelperspektive sich
Europa und Amerika betrachteten und dann den Rahm abschöpften, wo sie ihn
finden würden, und es gab Ratgeber genug, die, um ihre Taschen zu füllen,
diese Illusion unterstützten. Der erste Anstoß der japanischen Kulturbestrebungen
Mg aus innerer Notwendigkeit hervor, aus dem Gefühle der Inferiorität in der
Bewaffnung und den Verkehrsmitteln. Kanonen und Hinterlader, Dampfschiffe
und Leuchtthürme, Eisenbahnen und Telegraphen waren die begehrenswertesten
Dinge, wegen deren man mit Europa zunächst in Beziehung trat. Japan ist
jetzt in den Weltverkehr eingetreten, unterhält in Europa und Amerika Gesandt¬
schaften und Konsulate und beteiligt sich mit Auszeichnung an den internationalen
Ausstellungen. Es interessirt sich für die Vorgänge in der großen Welt. Auf
seinen Landstraßen reist der Fremde sicherer als in manchem europäische" Laude
und ohne vou Bettlern belästigt zu werden; seine Briefe vermittelt eine wohl-
vrgcmisirte Post ebenso sicher wie in der Heimat. Dies alles sind große Fort¬
schritte, die während einer verhältnismäßig kurzen Zeit gemacht worden sind.
Diese Neuerungen haben aber dem Lande schwere Opfer gekostet, und die Finanz-
verhültnisse des japanischen Staates sind gegenwärtig so ungünstig, daß der Staat
nahe um Rande des Bankrotts steht, wenn nicht bald Mittel ergriffen werden,
das Übel zu beschwören. Professor Rein glaubt, daß Verminderung der Aus¬
gaben, Abschaffung der feuergefährlichen Bauart der Häuser, Einführung einer
rationellen Viehzucht und Forstwirtschast, vor allem aber eine geeignete Kontrolle
der Finanzen und des Papiergeldes durch das Volk die sichersten Gegenmittel
gegen die schlechten Finnnzverhältnisse sein würden. Vielleicht würde damit
""es der schon lange darnicderlicgende Handel einen neuen Aufschwung nehmen.
Manche glauben, daß dies eintreten würde, wenn noch weitere Häfen oder gar
das ganze Land den fremden Mächten geöffnet würde. Die Japaner weigern


Zur Landes- und Volkskunde Japans.

dehnung der Inseln, die Meeresströmungen und das Klima ein teilweises Be¬
rühren und Vermischen beider Zonen bewirken.

Die zweite und umfangreichste Abteilung des vorliegenden Bandes bringt zu¬
nächst eine zusammenhangende Darstellung der Geschichte des japanischen Volkes
von der Gründung des Reiches Aamato an bis zur Gegenwart. Ganz besonders
dürften hier die Abschnitte, welche die Beziehungen der Holländer, Engländer
und Russen zu Japan im 17. und 18. Jahrhundert sowie die Geschichte Japans
seit 1854 behandeln, allen denen willkommen sein, die sich für die neueste Ent¬
wicklung des Mikadoreiches interessiren. Die Knlturbcstrebnngen Japans müssen
»nsre Teilnahme in hohem Maße in Anspruch nehmen. Es läßt sich nicht leugnen,
daß die Japaner nach Beseitigung der Feudalherrschaft einen enormen Fortschritt
in der Kultur gemacht haben. Die Regierung hat freilich bei ihren Bestrebungen,
die Civilisation des Abendlandes in Japan einzuführen, vielfache Mißgriffe gethan,
indem sie sich von fremden, selbstsüchtigen Ratgebern leiten ließ. Die Japaner
waren bei diesen Bestrebungen der Ansicht, daß es keinen besseren Weg gäbe,
ihr Ziel zu erreichen, als wenn sie gewissermaßen aus der Vogelperspektive sich
Europa und Amerika betrachteten und dann den Rahm abschöpften, wo sie ihn
finden würden, und es gab Ratgeber genug, die, um ihre Taschen zu füllen,
diese Illusion unterstützten. Der erste Anstoß der japanischen Kulturbestrebungen
Mg aus innerer Notwendigkeit hervor, aus dem Gefühle der Inferiorität in der
Bewaffnung und den Verkehrsmitteln. Kanonen und Hinterlader, Dampfschiffe
und Leuchtthürme, Eisenbahnen und Telegraphen waren die begehrenswertesten
Dinge, wegen deren man mit Europa zunächst in Beziehung trat. Japan ist
jetzt in den Weltverkehr eingetreten, unterhält in Europa und Amerika Gesandt¬
schaften und Konsulate und beteiligt sich mit Auszeichnung an den internationalen
Ausstellungen. Es interessirt sich für die Vorgänge in der großen Welt. Auf
seinen Landstraßen reist der Fremde sicherer als in manchem europäische» Laude
und ohne vou Bettlern belästigt zu werden; seine Briefe vermittelt eine wohl-
vrgcmisirte Post ebenso sicher wie in der Heimat. Dies alles sind große Fort¬
schritte, die während einer verhältnismäßig kurzen Zeit gemacht worden sind.
Diese Neuerungen haben aber dem Lande schwere Opfer gekostet, und die Finanz-
verhültnisse des japanischen Staates sind gegenwärtig so ungünstig, daß der Staat
nahe um Rande des Bankrotts steht, wenn nicht bald Mittel ergriffen werden,
das Übel zu beschwören. Professor Rein glaubt, daß Verminderung der Aus¬
gaben, Abschaffung der feuergefährlichen Bauart der Häuser, Einführung einer
rationellen Viehzucht und Forstwirtschast, vor allem aber eine geeignete Kontrolle
der Finanzen und des Papiergeldes durch das Volk die sichersten Gegenmittel
gegen die schlechten Finnnzverhältnisse sein würden. Vielleicht würde damit
""es der schon lange darnicderlicgende Handel einen neuen Aufschwung nehmen.
Manche glauben, daß dies eintreten würde, wenn noch weitere Häfen oder gar
das ganze Land den fremden Mächten geöffnet würde. Die Japaner weigern


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[0083] Zur Landes- und Volkskunde Japans. dehnung der Inseln, die Meeresströmungen und das Klima ein teilweises Be¬ rühren und Vermischen beider Zonen bewirken. Die zweite und umfangreichste Abteilung des vorliegenden Bandes bringt zu¬ nächst eine zusammenhangende Darstellung der Geschichte des japanischen Volkes von der Gründung des Reiches Aamato an bis zur Gegenwart. Ganz besonders dürften hier die Abschnitte, welche die Beziehungen der Holländer, Engländer und Russen zu Japan im 17. und 18. Jahrhundert sowie die Geschichte Japans seit 1854 behandeln, allen denen willkommen sein, die sich für die neueste Ent¬ wicklung des Mikadoreiches interessiren. Die Knlturbcstrebnngen Japans müssen »nsre Teilnahme in hohem Maße in Anspruch nehmen. Es läßt sich nicht leugnen, daß die Japaner nach Beseitigung der Feudalherrschaft einen enormen Fortschritt in der Kultur gemacht haben. Die Regierung hat freilich bei ihren Bestrebungen, die Civilisation des Abendlandes in Japan einzuführen, vielfache Mißgriffe gethan, indem sie sich von fremden, selbstsüchtigen Ratgebern leiten ließ. Die Japaner waren bei diesen Bestrebungen der Ansicht, daß es keinen besseren Weg gäbe, ihr Ziel zu erreichen, als wenn sie gewissermaßen aus der Vogelperspektive sich Europa und Amerika betrachteten und dann den Rahm abschöpften, wo sie ihn finden würden, und es gab Ratgeber genug, die, um ihre Taschen zu füllen, diese Illusion unterstützten. Der erste Anstoß der japanischen Kulturbestrebungen Mg aus innerer Notwendigkeit hervor, aus dem Gefühle der Inferiorität in der Bewaffnung und den Verkehrsmitteln. Kanonen und Hinterlader, Dampfschiffe und Leuchtthürme, Eisenbahnen und Telegraphen waren die begehrenswertesten Dinge, wegen deren man mit Europa zunächst in Beziehung trat. Japan ist jetzt in den Weltverkehr eingetreten, unterhält in Europa und Amerika Gesandt¬ schaften und Konsulate und beteiligt sich mit Auszeichnung an den internationalen Ausstellungen. Es interessirt sich für die Vorgänge in der großen Welt. Auf seinen Landstraßen reist der Fremde sicherer als in manchem europäische» Laude und ohne vou Bettlern belästigt zu werden; seine Briefe vermittelt eine wohl- vrgcmisirte Post ebenso sicher wie in der Heimat. Dies alles sind große Fort¬ schritte, die während einer verhältnismäßig kurzen Zeit gemacht worden sind. Diese Neuerungen haben aber dem Lande schwere Opfer gekostet, und die Finanz- verhültnisse des japanischen Staates sind gegenwärtig so ungünstig, daß der Staat nahe um Rande des Bankrotts steht, wenn nicht bald Mittel ergriffen werden, das Übel zu beschwören. Professor Rein glaubt, daß Verminderung der Aus¬ gaben, Abschaffung der feuergefährlichen Bauart der Häuser, Einführung einer rationellen Viehzucht und Forstwirtschast, vor allem aber eine geeignete Kontrolle der Finanzen und des Papiergeldes durch das Volk die sichersten Gegenmittel gegen die schlechten Finnnzverhältnisse sein würden. Vielleicht würde damit ""es der schon lange darnicderlicgende Handel einen neuen Aufschwung nehmen. Manche glauben, daß dies eintreten würde, wenn noch weitere Häfen oder gar das ganze Land den fremden Mächten geöffnet würde. Die Japaner weigern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/83>, abgerufen am 01.07.2024.