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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Zur Landes- und Volkskunde Japans.

Sehr interessant sind die Schilderungen, welche Rein über die vulkanischen
Erscheinungen auf den verschiednen Inseln giebt. Unsre Kenntnis der japanischen
Vulkane ist bis jetzt eine sehr geringe. Sie beschränkt sich in den meisten Fällen
auf Namen und Lage der hervorragendsten Gipfel, von deren Ausbrüchen in
historischer Zeit sichere Berichte vorliegen. Nur ein kleiner Teil dieser Vulkane
wurde von fremden Reisenden bestiegen, und noch weit geringer ist die Zahl
derer, welche der Fuß eines geologisch gebildeten Naturforschers betreten hat.
Japan besitzt etwa achtzehn thätige Vulkane, und die Zahl der erloschenen ist noch
beträchtlich größer. Daß in einem an Vulkanen reichen Gebiete Erdbeben sehr
gewöhnliche Erscheinungen sind, braucht nicht besonders hervorgehoben zu werden.
Doch treten heftige Erschütterungen mit auffallend zerstörenden Wirkungen nur
selten ans, erfahrungsmäßig etwa je einmal in zwanzig Jahren. Mit den Vul¬
kanen in engsten Zusammenhange stehen die heißen Quellen. Es giebt wohl
kaum ein Land der Erde, welches sich in der Menge warmer Quellen mit
Japan messen könnte. Sie zählen nach Hunderten, sind über das ganze Reich
verbreitet, und keineswegs nur auf die Distrikte beschränkt, in welchen thätige
Vulkane vorkommen. Schwefelthermen und indifferente Quellen herrschen vor,
während ausgesprochene Säuerlinge und saure Wasser zu den Ausnahmen ge¬
hören. Die meisten, insbesondre die indifferenten Thermen besitzen die bei den
Japanern beliebte hohe Badetemperatur von 40--50°C., während andre, nament¬
lich die Schwefelquellen, bis zur Siedehitze hinaufsteigen. Reich an Thermen
ist das Hakonegebirgc und die Halbinseln Jdju und Adami.

Das japanische Reich ist ein Gebirgsland, in welchem der ebene, kultivirte
Boden, einschließlich der bebauten Terrassen, kaum 12 "/^, also noch nicht ein
Achtel des Gcsammtareals ausmacht. In der Regel wechseln Berg und Thal
beständig mit einander ab, und die wenigen bedeutenderen Ebenen breiten sich nur
im Unterlaufe der großen Fliisse aus. Gletscher findet man nicht, wenn auch
viele der hohen Gipfel ans Hondo und Aezo noch spät in den Nachsommer
hinein ansehnliche Schneefelder tragen und bereits Anfangs Oktober von neuem
in weiße Kleider gehüllt werden, und wenn auch auf verschiedenen Bergen ein¬
zelne Schneestreifen oft mehrere Jahre lang ohne Unterbrechung liegen bleiben.

Das Klima der japanischen Inseln wird wesentlich durch die Herrschaft
der Monsune geregelt. Es ist charakteristrt durch warme, feuchte Südwinde im
Sommer, und kalte, rauhe Nord- und Nordwestwinde während des Herbstes und
Winters. Bei der bedeutenden Längenausdehnung des japanischen Reiches ist
es übrigens nicht gleichmäßig; die dem Festlande zugewandten Küsten spiegeln
das Klima des benachbarten asiatischen Kontinents wieder, indem sie feuchtheiße
Sommer und lange, vcrhültuißmäßig kalte Winter habe", während das Klima
des unter dem Einflüsse des Knro-Shiwo, einer dem Golfstrom entsprechenden
warmen Strömung, stehenden Landstrecken durch kühlere Sommer und milde
Winter charakteristrt ist. In letzterm Gebiete besitzt die Luft eine größere Menge


Grenzbowl 1. 1882. 10
Zur Landes- und Volkskunde Japans.

Sehr interessant sind die Schilderungen, welche Rein über die vulkanischen
Erscheinungen auf den verschiednen Inseln giebt. Unsre Kenntnis der japanischen
Vulkane ist bis jetzt eine sehr geringe. Sie beschränkt sich in den meisten Fällen
auf Namen und Lage der hervorragendsten Gipfel, von deren Ausbrüchen in
historischer Zeit sichere Berichte vorliegen. Nur ein kleiner Teil dieser Vulkane
wurde von fremden Reisenden bestiegen, und noch weit geringer ist die Zahl
derer, welche der Fuß eines geologisch gebildeten Naturforschers betreten hat.
Japan besitzt etwa achtzehn thätige Vulkane, und die Zahl der erloschenen ist noch
beträchtlich größer. Daß in einem an Vulkanen reichen Gebiete Erdbeben sehr
gewöhnliche Erscheinungen sind, braucht nicht besonders hervorgehoben zu werden.
Doch treten heftige Erschütterungen mit auffallend zerstörenden Wirkungen nur
selten ans, erfahrungsmäßig etwa je einmal in zwanzig Jahren. Mit den Vul¬
kanen in engsten Zusammenhange stehen die heißen Quellen. Es giebt wohl
kaum ein Land der Erde, welches sich in der Menge warmer Quellen mit
Japan messen könnte. Sie zählen nach Hunderten, sind über das ganze Reich
verbreitet, und keineswegs nur auf die Distrikte beschränkt, in welchen thätige
Vulkane vorkommen. Schwefelthermen und indifferente Quellen herrschen vor,
während ausgesprochene Säuerlinge und saure Wasser zu den Ausnahmen ge¬
hören. Die meisten, insbesondre die indifferenten Thermen besitzen die bei den
Japanern beliebte hohe Badetemperatur von 40—50°C., während andre, nament¬
lich die Schwefelquellen, bis zur Siedehitze hinaufsteigen. Reich an Thermen
ist das Hakonegebirgc und die Halbinseln Jdju und Adami.

Das japanische Reich ist ein Gebirgsland, in welchem der ebene, kultivirte
Boden, einschließlich der bebauten Terrassen, kaum 12 "/^, also noch nicht ein
Achtel des Gcsammtareals ausmacht. In der Regel wechseln Berg und Thal
beständig mit einander ab, und die wenigen bedeutenderen Ebenen breiten sich nur
im Unterlaufe der großen Fliisse aus. Gletscher findet man nicht, wenn auch
viele der hohen Gipfel ans Hondo und Aezo noch spät in den Nachsommer
hinein ansehnliche Schneefelder tragen und bereits Anfangs Oktober von neuem
in weiße Kleider gehüllt werden, und wenn auch auf verschiedenen Bergen ein¬
zelne Schneestreifen oft mehrere Jahre lang ohne Unterbrechung liegen bleiben.

Das Klima der japanischen Inseln wird wesentlich durch die Herrschaft
der Monsune geregelt. Es ist charakteristrt durch warme, feuchte Südwinde im
Sommer, und kalte, rauhe Nord- und Nordwestwinde während des Herbstes und
Winters. Bei der bedeutenden Längenausdehnung des japanischen Reiches ist
es übrigens nicht gleichmäßig; die dem Festlande zugewandten Küsten spiegeln
das Klima des benachbarten asiatischen Kontinents wieder, indem sie feuchtheiße
Sommer und lange, vcrhültuißmäßig kalte Winter habe», während das Klima
des unter dem Einflüsse des Knro-Shiwo, einer dem Golfstrom entsprechenden
warmen Strömung, stehenden Landstrecken durch kühlere Sommer und milde
Winter charakteristrt ist. In letzterm Gebiete besitzt die Luft eine größere Menge


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[0081] Zur Landes- und Volkskunde Japans. Sehr interessant sind die Schilderungen, welche Rein über die vulkanischen Erscheinungen auf den verschiednen Inseln giebt. Unsre Kenntnis der japanischen Vulkane ist bis jetzt eine sehr geringe. Sie beschränkt sich in den meisten Fällen auf Namen und Lage der hervorragendsten Gipfel, von deren Ausbrüchen in historischer Zeit sichere Berichte vorliegen. Nur ein kleiner Teil dieser Vulkane wurde von fremden Reisenden bestiegen, und noch weit geringer ist die Zahl derer, welche der Fuß eines geologisch gebildeten Naturforschers betreten hat. Japan besitzt etwa achtzehn thätige Vulkane, und die Zahl der erloschenen ist noch beträchtlich größer. Daß in einem an Vulkanen reichen Gebiete Erdbeben sehr gewöhnliche Erscheinungen sind, braucht nicht besonders hervorgehoben zu werden. Doch treten heftige Erschütterungen mit auffallend zerstörenden Wirkungen nur selten ans, erfahrungsmäßig etwa je einmal in zwanzig Jahren. Mit den Vul¬ kanen in engsten Zusammenhange stehen die heißen Quellen. Es giebt wohl kaum ein Land der Erde, welches sich in der Menge warmer Quellen mit Japan messen könnte. Sie zählen nach Hunderten, sind über das ganze Reich verbreitet, und keineswegs nur auf die Distrikte beschränkt, in welchen thätige Vulkane vorkommen. Schwefelthermen und indifferente Quellen herrschen vor, während ausgesprochene Säuerlinge und saure Wasser zu den Ausnahmen ge¬ hören. Die meisten, insbesondre die indifferenten Thermen besitzen die bei den Japanern beliebte hohe Badetemperatur von 40—50°C., während andre, nament¬ lich die Schwefelquellen, bis zur Siedehitze hinaufsteigen. Reich an Thermen ist das Hakonegebirgc und die Halbinseln Jdju und Adami. Das japanische Reich ist ein Gebirgsland, in welchem der ebene, kultivirte Boden, einschließlich der bebauten Terrassen, kaum 12 "/^, also noch nicht ein Achtel des Gcsammtareals ausmacht. In der Regel wechseln Berg und Thal beständig mit einander ab, und die wenigen bedeutenderen Ebenen breiten sich nur im Unterlaufe der großen Fliisse aus. Gletscher findet man nicht, wenn auch viele der hohen Gipfel ans Hondo und Aezo noch spät in den Nachsommer hinein ansehnliche Schneefelder tragen und bereits Anfangs Oktober von neuem in weiße Kleider gehüllt werden, und wenn auch auf verschiedenen Bergen ein¬ zelne Schneestreifen oft mehrere Jahre lang ohne Unterbrechung liegen bleiben. Das Klima der japanischen Inseln wird wesentlich durch die Herrschaft der Monsune geregelt. Es ist charakteristrt durch warme, feuchte Südwinde im Sommer, und kalte, rauhe Nord- und Nordwestwinde während des Herbstes und Winters. Bei der bedeutenden Längenausdehnung des japanischen Reiches ist es übrigens nicht gleichmäßig; die dem Festlande zugewandten Küsten spiegeln das Klima des benachbarten asiatischen Kontinents wieder, indem sie feuchtheiße Sommer und lange, vcrhültuißmäßig kalte Winter habe», während das Klima des unter dem Einflüsse des Knro-Shiwo, einer dem Golfstrom entsprechenden warmen Strömung, stehenden Landstrecken durch kühlere Sommer und milde Winter charakteristrt ist. In letzterm Gebiete besitzt die Luft eine größere Menge Grenzbowl 1. 1882. 10

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/81>, abgerufen am 01.07.2024.