Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite


Das Wahlrecht.

as allgemeine Wahlrecht ist, wo es noch nicht vorhanden, das
mit Eifer erstrebte Ziel, wo es erlangt worden, das hochgehaltene
Palladium der demokratischen Parteien. Die ander" Parteien
zeigen weniger Neigung, sich dafür zu erwärme", und manche von
ih"e" erblicke" sogar in ihm nach Beobachtungen bei fremden Völkern
und nach Erfahrungen in unserm eigenen Bereiche er"ste Gefahren.

Es ist der Ausdruck der Volkssouveränetät, sagen die Demokraten, es ist
die Verwirklichung der idealen Gleichheit aller Staatsbürger, es hat die Folge,
daß nur solche Männer zur Leitung der öffentlichen Angelegenheiten gelangen,
die des öffentlichen Vertrauens würdig sind; denn das Volk will immer das
Wohl des Staates, und sein Instinkt findet unfehlbar diejenigen heraus, welche
dieses Wohl auch erstreben und zur Förderung desselben, zu gedeihlichem Re¬
gieren also, die meiste Befähigung besitzen.

Prüfen wir die zuletzt angeführte Behauptung, indem wir zunächst die Zu¬
stande in deu Vereinigten Staaten etwas genauer betrachte", wo das all¬
gemeine Wahlrecht völlig uneingeschränkt verwirklicht ist und nicht blos die Ge¬
setzgebung, sondern auch die ausübende Gewalt kvnstituirt. Ein vorurteilsfreier
Berichterstatter versichert uus, daß diese Behauptung unbegründet, ja daß beinahe
das Gegenteil davon die Wahrheit sei. "Während die natürlichen Instinkte der
Demokratie (Neid und Haß der Mittelmäßigkeit gegen alles Große und Hohe)
das Volk dahin treiben, ausgezeichnete Männer von der Gewalt fern zu halten,
bewegt ein nicht minder starker Instinkt diese, von der politischen Laufbahn ab¬
zusehen, da sie hier nur schwer selbständig bleibe,: und nicht ohne sich zu erniedrigen,
vorwärts kommen tonnen. Tritt man in den Saal der Volksvertretung zu
Washington, so erstaunt man über die Gemeinheit der Physiognomie der Ver-


Gvonzdoton I. 1832. L


Das Wahlrecht.

as allgemeine Wahlrecht ist, wo es noch nicht vorhanden, das
mit Eifer erstrebte Ziel, wo es erlangt worden, das hochgehaltene
Palladium der demokratischen Parteien. Die ander» Parteien
zeigen weniger Neigung, sich dafür zu erwärme», und manche von
ih»e» erblicke» sogar in ihm nach Beobachtungen bei fremden Völkern
und nach Erfahrungen in unserm eigenen Bereiche er»ste Gefahren.

Es ist der Ausdruck der Volkssouveränetät, sagen die Demokraten, es ist
die Verwirklichung der idealen Gleichheit aller Staatsbürger, es hat die Folge,
daß nur solche Männer zur Leitung der öffentlichen Angelegenheiten gelangen,
die des öffentlichen Vertrauens würdig sind; denn das Volk will immer das
Wohl des Staates, und sein Instinkt findet unfehlbar diejenigen heraus, welche
dieses Wohl auch erstreben und zur Förderung desselben, zu gedeihlichem Re¬
gieren also, die meiste Befähigung besitzen.

Prüfen wir die zuletzt angeführte Behauptung, indem wir zunächst die Zu¬
stande in deu Vereinigten Staaten etwas genauer betrachte», wo das all¬
gemeine Wahlrecht völlig uneingeschränkt verwirklicht ist und nicht blos die Ge¬
setzgebung, sondern auch die ausübende Gewalt kvnstituirt. Ein vorurteilsfreier
Berichterstatter versichert uus, daß diese Behauptung unbegründet, ja daß beinahe
das Gegenteil davon die Wahrheit sei. „Während die natürlichen Instinkte der
Demokratie (Neid und Haß der Mittelmäßigkeit gegen alles Große und Hohe)
das Volk dahin treiben, ausgezeichnete Männer von der Gewalt fern zu halten,
bewegt ein nicht minder starker Instinkt diese, von der politischen Laufbahn ab¬
zusehen, da sie hier nur schwer selbständig bleibe,: und nicht ohne sich zu erniedrigen,
vorwärts kommen tonnen. Tritt man in den Saal der Volksvertretung zu
Washington, so erstaunt man über die Gemeinheit der Physiognomie der Ver-


Gvonzdoton I. 1832. L
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0065" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/86186"/>
            <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341835_89804/figures/grenzboten_341835_89804_86186_000.jpg"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Das Wahlrecht.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_233"> as allgemeine Wahlrecht ist, wo es noch nicht vorhanden, das<lb/>
mit Eifer erstrebte Ziel, wo es erlangt worden, das hochgehaltene<lb/>
Palladium der demokratischen Parteien. Die ander» Parteien<lb/>
zeigen weniger Neigung, sich dafür zu erwärme», und manche von<lb/>
ih»e» erblicke» sogar in ihm nach Beobachtungen bei fremden Völkern<lb/>
und nach Erfahrungen in unserm eigenen Bereiche er»ste Gefahren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_234"> Es ist der Ausdruck der Volkssouveränetät, sagen die Demokraten, es ist<lb/>
die Verwirklichung der idealen Gleichheit aller Staatsbürger, es hat die Folge,<lb/>
daß nur solche Männer zur Leitung der öffentlichen Angelegenheiten gelangen,<lb/>
die des öffentlichen Vertrauens würdig sind; denn das Volk will immer das<lb/>
Wohl des Staates, und sein Instinkt findet unfehlbar diejenigen heraus, welche<lb/>
dieses Wohl auch erstreben und zur Förderung desselben, zu gedeihlichem Re¬<lb/>
gieren also, die meiste Befähigung besitzen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_235" next="#ID_236"> Prüfen wir die zuletzt angeführte Behauptung, indem wir zunächst die Zu¬<lb/>
stande in deu Vereinigten Staaten etwas genauer betrachte», wo das all¬<lb/>
gemeine Wahlrecht völlig uneingeschränkt verwirklicht ist und nicht blos die Ge¬<lb/>
setzgebung, sondern auch die ausübende Gewalt kvnstituirt. Ein vorurteilsfreier<lb/>
Berichterstatter versichert uus, daß diese Behauptung unbegründet, ja daß beinahe<lb/>
das Gegenteil davon die Wahrheit sei. &#x201E;Während die natürlichen Instinkte der<lb/>
Demokratie (Neid und Haß der Mittelmäßigkeit gegen alles Große und Hohe)<lb/>
das Volk dahin treiben, ausgezeichnete Männer von der Gewalt fern zu halten,<lb/>
bewegt ein nicht minder starker Instinkt diese, von der politischen Laufbahn ab¬<lb/>
zusehen, da sie hier nur schwer selbständig bleibe,: und nicht ohne sich zu erniedrigen,<lb/>
vorwärts kommen tonnen. Tritt man in den Saal der Volksvertretung zu<lb/>
Washington, so erstaunt man über die Gemeinheit der Physiognomie der Ver-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Gvonzdoton I. 1832. L</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0065] [Abbildung] Das Wahlrecht. as allgemeine Wahlrecht ist, wo es noch nicht vorhanden, das mit Eifer erstrebte Ziel, wo es erlangt worden, das hochgehaltene Palladium der demokratischen Parteien. Die ander» Parteien zeigen weniger Neigung, sich dafür zu erwärme», und manche von ih»e» erblicke» sogar in ihm nach Beobachtungen bei fremden Völkern und nach Erfahrungen in unserm eigenen Bereiche er»ste Gefahren. Es ist der Ausdruck der Volkssouveränetät, sagen die Demokraten, es ist die Verwirklichung der idealen Gleichheit aller Staatsbürger, es hat die Folge, daß nur solche Männer zur Leitung der öffentlichen Angelegenheiten gelangen, die des öffentlichen Vertrauens würdig sind; denn das Volk will immer das Wohl des Staates, und sein Instinkt findet unfehlbar diejenigen heraus, welche dieses Wohl auch erstreben und zur Förderung desselben, zu gedeihlichem Re¬ gieren also, die meiste Befähigung besitzen. Prüfen wir die zuletzt angeführte Behauptung, indem wir zunächst die Zu¬ stande in deu Vereinigten Staaten etwas genauer betrachte», wo das all¬ gemeine Wahlrecht völlig uneingeschränkt verwirklicht ist und nicht blos die Ge¬ setzgebung, sondern auch die ausübende Gewalt kvnstituirt. Ein vorurteilsfreier Berichterstatter versichert uus, daß diese Behauptung unbegründet, ja daß beinahe das Gegenteil davon die Wahrheit sei. „Während die natürlichen Instinkte der Demokratie (Neid und Haß der Mittelmäßigkeit gegen alles Große und Hohe) das Volk dahin treiben, ausgezeichnete Männer von der Gewalt fern zu halten, bewegt ein nicht minder starker Instinkt diese, von der politischen Laufbahn ab¬ zusehen, da sie hier nur schwer selbständig bleibe,: und nicht ohne sich zu erniedrigen, vorwärts kommen tonnen. Tritt man in den Saal der Volksvertretung zu Washington, so erstaunt man über die Gemeinheit der Physiognomie der Ver- Gvonzdoton I. 1832. L

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/65
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/65>, abgerufen am 01.07.2024.