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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Glossen eines Deutschen im Auslande.

Da Feuerbach nicht zahlen wollte oder konnte, wurde er mit wöchentlichen Exe¬
kutionszetteln und Strafandrvhnnge" geplagt. Schließlich nahm dieses nnqnali-
fizirbare Verfahren, das nur in Wien möglich ist, eine so unangenehme Wen¬
dung, daß Feuerbach für geisteskrank ausgegeben wurde, "Es ist das schlimmste,"
schreibt er, "was man einem ehrlichen Menschen zufügen kann." Erst 1876 wurde
die Steuerforderung durch Ministerialverfügung kassirt und nach Feuerbachs
Tode die eingezahlte erste Rate zurückgezahlt. Warum? Weil das österreichische
Kultusministerium einen Teil der fertigen Bilder abgelehnt und die Bestellung
auf die noch fehlenden Bilder für den Plafond zurückgenommen hatte. Ein
solches Maß der Kränkung hätte selbst eine stärkere Natur als Feuerbach'nicht
ertragen. Wohl hatte er Recht, als er in schwermütiger Resignation folgende
Fassung für seine Grabschrift vorschlug:


Hier liegt Anselm Feuerbach,
Der im Leben manches malte,
Fern vom Vaterlande -- und ---
Das ihn immer schlecht bezahlte.

An der Not und an den erbärmlichen Kleinigkeiten des täglichen Lebens ist diese
geniale Natur langsam zu Grunde gegangen. Es bedürfte nur eines kleinen
Anstoßes, damit die nur noch schwach flackernde Leuchte erlosch. Die ungünstige
Aufnahme seines "Titanensturzes" auf der Münchener Ausstellung von 1879
gab ihm deu Rest. Am Morgen des 4. Januar 1880 fand man ihn tot in
einem Hotelzimmer in Venedig. Niemand hat den Schleier gehoben, der auf
feiner Todesstunde ruht.

Die Mitwelt hat viel an Feuerbnch gesündigt. Aber fein Schicksal hat
doch auch nicht ohne sein Verschulden eine fo tragische Wendung genommen.
Das lehrt uns sein litterarisches Vermächtnis, aus welchem das Kämpfen und
Ringen, das Irren und Fehlen einer edlen Menschenseele mit ergreifender Ge¬
walt, aber auch mit ernster Mahnung zu uns spricht.


Adolf Rosenberg.


Glossen eines Deutschen im Auslande.

s ist doch eine arge Unsitte, alle Zeitungen ohne Unterschied als
Eintagsfliegen zu behandeln, oder ihnen gar noch kürzere Lebens¬
frist zuzugestehen, falls sie mehrmals am Tage erscheinen! Welche
Schätze staatsmännischer Weisheit, wie viel wertvollstes historisches
Material geht unwiederbringlich verloren, weil man das Papier
eben nur als Papier ausieht und gerade für gut genug erachtet, die Blöße eines
Herings oder eiues Stücks Seife damit zu bedecken! Wenn das Gold wie Kies


Glossen eines Deutschen im Auslande.

Da Feuerbach nicht zahlen wollte oder konnte, wurde er mit wöchentlichen Exe¬
kutionszetteln und Strafandrvhnnge» geplagt. Schließlich nahm dieses nnqnali-
fizirbare Verfahren, das nur in Wien möglich ist, eine so unangenehme Wen¬
dung, daß Feuerbach für geisteskrank ausgegeben wurde, „Es ist das schlimmste,"
schreibt er, „was man einem ehrlichen Menschen zufügen kann." Erst 1876 wurde
die Steuerforderung durch Ministerialverfügung kassirt und nach Feuerbachs
Tode die eingezahlte erste Rate zurückgezahlt. Warum? Weil das österreichische
Kultusministerium einen Teil der fertigen Bilder abgelehnt und die Bestellung
auf die noch fehlenden Bilder für den Plafond zurückgenommen hatte. Ein
solches Maß der Kränkung hätte selbst eine stärkere Natur als Feuerbach'nicht
ertragen. Wohl hatte er Recht, als er in schwermütiger Resignation folgende
Fassung für seine Grabschrift vorschlug:


Hier liegt Anselm Feuerbach,
Der im Leben manches malte,
Fern vom Vaterlande — und —-
Das ihn immer schlecht bezahlte.

An der Not und an den erbärmlichen Kleinigkeiten des täglichen Lebens ist diese
geniale Natur langsam zu Grunde gegangen. Es bedürfte nur eines kleinen
Anstoßes, damit die nur noch schwach flackernde Leuchte erlosch. Die ungünstige
Aufnahme seines „Titanensturzes" auf der Münchener Ausstellung von 1879
gab ihm deu Rest. Am Morgen des 4. Januar 1880 fand man ihn tot in
einem Hotelzimmer in Venedig. Niemand hat den Schleier gehoben, der auf
feiner Todesstunde ruht.

Die Mitwelt hat viel an Feuerbnch gesündigt. Aber fein Schicksal hat
doch auch nicht ohne sein Verschulden eine fo tragische Wendung genommen.
Das lehrt uns sein litterarisches Vermächtnis, aus welchem das Kämpfen und
Ringen, das Irren und Fehlen einer edlen Menschenseele mit ergreifender Ge¬
walt, aber auch mit ernster Mahnung zu uns spricht.


Adolf Rosenberg.


Glossen eines Deutschen im Auslande.

s ist doch eine arge Unsitte, alle Zeitungen ohne Unterschied als
Eintagsfliegen zu behandeln, oder ihnen gar noch kürzere Lebens¬
frist zuzugestehen, falls sie mehrmals am Tage erscheinen! Welche
Schätze staatsmännischer Weisheit, wie viel wertvollstes historisches
Material geht unwiederbringlich verloren, weil man das Papier
eben nur als Papier ausieht und gerade für gut genug erachtet, die Blöße eines
Herings oder eiues Stücks Seife damit zu bedecken! Wenn das Gold wie Kies


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[0620] Glossen eines Deutschen im Auslande. Da Feuerbach nicht zahlen wollte oder konnte, wurde er mit wöchentlichen Exe¬ kutionszetteln und Strafandrvhnnge» geplagt. Schließlich nahm dieses nnqnali- fizirbare Verfahren, das nur in Wien möglich ist, eine so unangenehme Wen¬ dung, daß Feuerbach für geisteskrank ausgegeben wurde, „Es ist das schlimmste," schreibt er, „was man einem ehrlichen Menschen zufügen kann." Erst 1876 wurde die Steuerforderung durch Ministerialverfügung kassirt und nach Feuerbachs Tode die eingezahlte erste Rate zurückgezahlt. Warum? Weil das österreichische Kultusministerium einen Teil der fertigen Bilder abgelehnt und die Bestellung auf die noch fehlenden Bilder für den Plafond zurückgenommen hatte. Ein solches Maß der Kränkung hätte selbst eine stärkere Natur als Feuerbach'nicht ertragen. Wohl hatte er Recht, als er in schwermütiger Resignation folgende Fassung für seine Grabschrift vorschlug: Hier liegt Anselm Feuerbach, Der im Leben manches malte, Fern vom Vaterlande — und —- Das ihn immer schlecht bezahlte. An der Not und an den erbärmlichen Kleinigkeiten des täglichen Lebens ist diese geniale Natur langsam zu Grunde gegangen. Es bedürfte nur eines kleinen Anstoßes, damit die nur noch schwach flackernde Leuchte erlosch. Die ungünstige Aufnahme seines „Titanensturzes" auf der Münchener Ausstellung von 1879 gab ihm deu Rest. Am Morgen des 4. Januar 1880 fand man ihn tot in einem Hotelzimmer in Venedig. Niemand hat den Schleier gehoben, der auf feiner Todesstunde ruht. Die Mitwelt hat viel an Feuerbnch gesündigt. Aber fein Schicksal hat doch auch nicht ohne sein Verschulden eine fo tragische Wendung genommen. Das lehrt uns sein litterarisches Vermächtnis, aus welchem das Kämpfen und Ringen, das Irren und Fehlen einer edlen Menschenseele mit ergreifender Ge¬ walt, aber auch mit ernster Mahnung zu uns spricht. Adolf Rosenberg. Glossen eines Deutschen im Auslande. s ist doch eine arge Unsitte, alle Zeitungen ohne Unterschied als Eintagsfliegen zu behandeln, oder ihnen gar noch kürzere Lebens¬ frist zuzugestehen, falls sie mehrmals am Tage erscheinen! Welche Schätze staatsmännischer Weisheit, wie viel wertvollstes historisches Material geht unwiederbringlich verloren, weil man das Papier eben nur als Papier ausieht und gerade für gut genug erachtet, die Blöße eines Herings oder eiues Stücks Seife damit zu bedecken! Wenn das Gold wie Kies

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/620>, abgerufen am 26.06.2024.