Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Vermächtnis Anselm Feuortmchs.

melancholische Mann paßte nicht in das "Getriebe einer Weltstadt," in den
bureaukratischen Organismus einer Akademie. Er verfing sich schließlich in einem
Netz von widrigen Umständen und wohl auch böswilligen Intriguen.

Feuerbach war vielmehr das Opfer einer Kette von unglücklichen Zufällen,
als der Kritik. Auf letztere ist er freilich sehr schlecht zu sprechen. Wie alle
Künstler -- große und kleine --, sieht er hinter den ungünstigen kritischen Be¬
sprechungen nichts als Neid, Mißgunst, Bosheit, Unkenntnis, Beschränktheit,
vielleicht auch die Machinationen "bezahlter" Gegner. Daß die eine oder die
andre Kritik wirklich begründet war, scheint ihm nicht einzuleuchten. "Es schien
hergebrachte Sitte," schreibt er, "in meinen Arbeiten nur auf die Fehler zu fahnden
und das Gute geflissentlich zu übersehen. Man wehrte sich gegen meine Kunst
wie gegen ein gemeinschädliches Übel. Was ich anch brachte, nichts war recht,
und jede Entwicklungsperiode, welcher der Kenner sonst mit besondern: Interesse
nachzugehen pflegt, ward mir als falsche Richtung, als Rückschritt ausgelegt. Als
ich bei dem Übergang in die große Historie um des plastischen Vortrags willen
einen etwas knapperen Ausdruck in der Farbe wählte, welcher jedoch in der Be¬
handlung dem Gegenstände ganz auf den Leib gepaßt war, da wurde die ver¬
nichtende Bezeichnung "graue Periode" erfunden, welche auch jetzt noch in dem
Bewußtsein meiner gestrengen Kritiker nicht ganz erloschen ist."

Mit vollem Recht. Sie wird auch nicht erlöschen, so lange die Bilder
dieser "grauen Periode" existiren und handgreiflich von dem beklagenswerten
Irrtum Feuerbachs zeugen. Daß diese "graue Periode" nicht etwa eine fixe
Idee der gegnerischen Kritiker ist, wie Feuerbach den Leser glauben machen will,
beweist am besten das Geständnis Friedrich Pechts, eines begeisterten Vorkämpfers
für Feuerbach und seine Kunst, welcher erzählt, daß er und die Freunde erschrocken
gewesen, als sie das erste "Gastmahl," welches wie mit einem grauen Schleier
bedeckt erschien, auf der Münchener Ausstellung gesehen. Es wollte und will
niemand die Grille Feuerbachs begreifen, der die heitere, farbige Welt der Griechen
in eine graue Flut zu tauchen unternahm. Es ist doch etwas anderes, einen
knapperen Ausdruck in der Farbe wählen, als die Lokalfarben durch eine asch¬
graue Sauce zu brechen.

In Wien wurde dem Künstler am übelsten mitgespielt. Seine amtliche
Stellung drückte ihn, seine künstlerischen Erfolge waren gleich Null. Sein "Gast¬
mahl des Platon," seine "Amazonenschlacht" wurden mit Hohn und Spott über¬
schüttet. Letztere nicht ganz mit Unrecht. "Man sagt mir, daß vom Professor
bis zum Hausknecht herab sich alle über mein schlechtes Bild lustig machten."
Frohe Zuversicht gab ihm wieder die Bestellung der Plafondgemälde für den
glyptischen Saal des neuen Akadcmiegcbcindes. Aber der hinkende Bote kam
nach. Als die Verträge abgeschlossen waren, glaubte die Wiener Steuerbehörde
zuerst ihren Vorteil daraus ziehen zu müssen und belastete den Künstler mit
einer jährlichen, auf ein Jahr zurückwirkenden Steuer von nahezu 2000 Gulden!


Das Vermächtnis Anselm Feuortmchs.

melancholische Mann paßte nicht in das „Getriebe einer Weltstadt," in den
bureaukratischen Organismus einer Akademie. Er verfing sich schließlich in einem
Netz von widrigen Umständen und wohl auch böswilligen Intriguen.

Feuerbach war vielmehr das Opfer einer Kette von unglücklichen Zufällen,
als der Kritik. Auf letztere ist er freilich sehr schlecht zu sprechen. Wie alle
Künstler — große und kleine —, sieht er hinter den ungünstigen kritischen Be¬
sprechungen nichts als Neid, Mißgunst, Bosheit, Unkenntnis, Beschränktheit,
vielleicht auch die Machinationen „bezahlter" Gegner. Daß die eine oder die
andre Kritik wirklich begründet war, scheint ihm nicht einzuleuchten. „Es schien
hergebrachte Sitte," schreibt er, „in meinen Arbeiten nur auf die Fehler zu fahnden
und das Gute geflissentlich zu übersehen. Man wehrte sich gegen meine Kunst
wie gegen ein gemeinschädliches Übel. Was ich anch brachte, nichts war recht,
und jede Entwicklungsperiode, welcher der Kenner sonst mit besondern: Interesse
nachzugehen pflegt, ward mir als falsche Richtung, als Rückschritt ausgelegt. Als
ich bei dem Übergang in die große Historie um des plastischen Vortrags willen
einen etwas knapperen Ausdruck in der Farbe wählte, welcher jedoch in der Be¬
handlung dem Gegenstände ganz auf den Leib gepaßt war, da wurde die ver¬
nichtende Bezeichnung »graue Periode« erfunden, welche auch jetzt noch in dem
Bewußtsein meiner gestrengen Kritiker nicht ganz erloschen ist."

Mit vollem Recht. Sie wird auch nicht erlöschen, so lange die Bilder
dieser „grauen Periode" existiren und handgreiflich von dem beklagenswerten
Irrtum Feuerbachs zeugen. Daß diese „graue Periode" nicht etwa eine fixe
Idee der gegnerischen Kritiker ist, wie Feuerbach den Leser glauben machen will,
beweist am besten das Geständnis Friedrich Pechts, eines begeisterten Vorkämpfers
für Feuerbach und seine Kunst, welcher erzählt, daß er und die Freunde erschrocken
gewesen, als sie das erste „Gastmahl," welches wie mit einem grauen Schleier
bedeckt erschien, auf der Münchener Ausstellung gesehen. Es wollte und will
niemand die Grille Feuerbachs begreifen, der die heitere, farbige Welt der Griechen
in eine graue Flut zu tauchen unternahm. Es ist doch etwas anderes, einen
knapperen Ausdruck in der Farbe wählen, als die Lokalfarben durch eine asch¬
graue Sauce zu brechen.

In Wien wurde dem Künstler am übelsten mitgespielt. Seine amtliche
Stellung drückte ihn, seine künstlerischen Erfolge waren gleich Null. Sein „Gast¬
mahl des Platon," seine „Amazonenschlacht" wurden mit Hohn und Spott über¬
schüttet. Letztere nicht ganz mit Unrecht. „Man sagt mir, daß vom Professor
bis zum Hausknecht herab sich alle über mein schlechtes Bild lustig machten."
Frohe Zuversicht gab ihm wieder die Bestellung der Plafondgemälde für den
glyptischen Saal des neuen Akadcmiegcbcindes. Aber der hinkende Bote kam
nach. Als die Verträge abgeschlossen waren, glaubte die Wiener Steuerbehörde
zuerst ihren Vorteil daraus ziehen zu müssen und belastete den Künstler mit
einer jährlichen, auf ein Jahr zurückwirkenden Steuer von nahezu 2000 Gulden!


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0619" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/86740"/>
          <fw type="header" place="top"> Das Vermächtnis Anselm Feuortmchs.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2500" prev="#ID_2499"> melancholische Mann paßte nicht in das &#x201E;Getriebe einer Weltstadt," in den<lb/>
bureaukratischen Organismus einer Akademie. Er verfing sich schließlich in einem<lb/>
Netz von widrigen Umständen und wohl auch böswilligen Intriguen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2501"> Feuerbach war vielmehr das Opfer einer Kette von unglücklichen Zufällen,<lb/>
als der Kritik. Auf letztere ist er freilich sehr schlecht zu sprechen. Wie alle<lb/>
Künstler &#x2014; große und kleine &#x2014;, sieht er hinter den ungünstigen kritischen Be¬<lb/>
sprechungen nichts als Neid, Mißgunst, Bosheit, Unkenntnis, Beschränktheit,<lb/>
vielleicht auch die Machinationen &#x201E;bezahlter" Gegner. Daß die eine oder die<lb/>
andre Kritik wirklich begründet war, scheint ihm nicht einzuleuchten. &#x201E;Es schien<lb/>
hergebrachte Sitte," schreibt er, &#x201E;in meinen Arbeiten nur auf die Fehler zu fahnden<lb/>
und das Gute geflissentlich zu übersehen. Man wehrte sich gegen meine Kunst<lb/>
wie gegen ein gemeinschädliches Übel. Was ich anch brachte, nichts war recht,<lb/>
und jede Entwicklungsperiode, welcher der Kenner sonst mit besondern: Interesse<lb/>
nachzugehen pflegt, ward mir als falsche Richtung, als Rückschritt ausgelegt. Als<lb/>
ich bei dem Übergang in die große Historie um des plastischen Vortrags willen<lb/>
einen etwas knapperen Ausdruck in der Farbe wählte, welcher jedoch in der Be¬<lb/>
handlung dem Gegenstände ganz auf den Leib gepaßt war, da wurde die ver¬<lb/>
nichtende Bezeichnung »graue Periode« erfunden, welche auch jetzt noch in dem<lb/>
Bewußtsein meiner gestrengen Kritiker nicht ganz erloschen ist."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2502"> Mit vollem Recht. Sie wird auch nicht erlöschen, so lange die Bilder<lb/>
dieser &#x201E;grauen Periode" existiren und handgreiflich von dem beklagenswerten<lb/>
Irrtum Feuerbachs zeugen. Daß diese &#x201E;graue Periode" nicht etwa eine fixe<lb/>
Idee der gegnerischen Kritiker ist, wie Feuerbach den Leser glauben machen will,<lb/>
beweist am besten das Geständnis Friedrich Pechts, eines begeisterten Vorkämpfers<lb/>
für Feuerbach und seine Kunst, welcher erzählt, daß er und die Freunde erschrocken<lb/>
gewesen, als sie das erste &#x201E;Gastmahl," welches wie mit einem grauen Schleier<lb/>
bedeckt erschien, auf der Münchener Ausstellung gesehen. Es wollte und will<lb/>
niemand die Grille Feuerbachs begreifen, der die heitere, farbige Welt der Griechen<lb/>
in eine graue Flut zu tauchen unternahm. Es ist doch etwas anderes, einen<lb/>
knapperen Ausdruck in der Farbe wählen, als die Lokalfarben durch eine asch¬<lb/>
graue Sauce zu brechen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2503" next="#ID_2504"> In Wien wurde dem Künstler am übelsten mitgespielt. Seine amtliche<lb/>
Stellung drückte ihn, seine künstlerischen Erfolge waren gleich Null. Sein &#x201E;Gast¬<lb/>
mahl des Platon," seine &#x201E;Amazonenschlacht" wurden mit Hohn und Spott über¬<lb/>
schüttet. Letztere nicht ganz mit Unrecht. &#x201E;Man sagt mir, daß vom Professor<lb/>
bis zum Hausknecht herab sich alle über mein schlechtes Bild lustig machten."<lb/>
Frohe Zuversicht gab ihm wieder die Bestellung der Plafondgemälde für den<lb/>
glyptischen Saal des neuen Akadcmiegcbcindes. Aber der hinkende Bote kam<lb/>
nach. Als die Verträge abgeschlossen waren, glaubte die Wiener Steuerbehörde<lb/>
zuerst ihren Vorteil daraus ziehen zu müssen und belastete den Künstler mit<lb/>
einer jährlichen, auf ein Jahr zurückwirkenden Steuer von nahezu 2000 Gulden!</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0619] Das Vermächtnis Anselm Feuortmchs. melancholische Mann paßte nicht in das „Getriebe einer Weltstadt," in den bureaukratischen Organismus einer Akademie. Er verfing sich schließlich in einem Netz von widrigen Umständen und wohl auch böswilligen Intriguen. Feuerbach war vielmehr das Opfer einer Kette von unglücklichen Zufällen, als der Kritik. Auf letztere ist er freilich sehr schlecht zu sprechen. Wie alle Künstler — große und kleine —, sieht er hinter den ungünstigen kritischen Be¬ sprechungen nichts als Neid, Mißgunst, Bosheit, Unkenntnis, Beschränktheit, vielleicht auch die Machinationen „bezahlter" Gegner. Daß die eine oder die andre Kritik wirklich begründet war, scheint ihm nicht einzuleuchten. „Es schien hergebrachte Sitte," schreibt er, „in meinen Arbeiten nur auf die Fehler zu fahnden und das Gute geflissentlich zu übersehen. Man wehrte sich gegen meine Kunst wie gegen ein gemeinschädliches Übel. Was ich anch brachte, nichts war recht, und jede Entwicklungsperiode, welcher der Kenner sonst mit besondern: Interesse nachzugehen pflegt, ward mir als falsche Richtung, als Rückschritt ausgelegt. Als ich bei dem Übergang in die große Historie um des plastischen Vortrags willen einen etwas knapperen Ausdruck in der Farbe wählte, welcher jedoch in der Be¬ handlung dem Gegenstände ganz auf den Leib gepaßt war, da wurde die ver¬ nichtende Bezeichnung »graue Periode« erfunden, welche auch jetzt noch in dem Bewußtsein meiner gestrengen Kritiker nicht ganz erloschen ist." Mit vollem Recht. Sie wird auch nicht erlöschen, so lange die Bilder dieser „grauen Periode" existiren und handgreiflich von dem beklagenswerten Irrtum Feuerbachs zeugen. Daß diese „graue Periode" nicht etwa eine fixe Idee der gegnerischen Kritiker ist, wie Feuerbach den Leser glauben machen will, beweist am besten das Geständnis Friedrich Pechts, eines begeisterten Vorkämpfers für Feuerbach und seine Kunst, welcher erzählt, daß er und die Freunde erschrocken gewesen, als sie das erste „Gastmahl," welches wie mit einem grauen Schleier bedeckt erschien, auf der Münchener Ausstellung gesehen. Es wollte und will niemand die Grille Feuerbachs begreifen, der die heitere, farbige Welt der Griechen in eine graue Flut zu tauchen unternahm. Es ist doch etwas anderes, einen knapperen Ausdruck in der Farbe wählen, als die Lokalfarben durch eine asch¬ graue Sauce zu brechen. In Wien wurde dem Künstler am übelsten mitgespielt. Seine amtliche Stellung drückte ihn, seine künstlerischen Erfolge waren gleich Null. Sein „Gast¬ mahl des Platon," seine „Amazonenschlacht" wurden mit Hohn und Spott über¬ schüttet. Letztere nicht ganz mit Unrecht. „Man sagt mir, daß vom Professor bis zum Hausknecht herab sich alle über mein schlechtes Bild lustig machten." Frohe Zuversicht gab ihm wieder die Bestellung der Plafondgemälde für den glyptischen Saal des neuen Akadcmiegcbcindes. Aber der hinkende Bote kam nach. Als die Verträge abgeschlossen waren, glaubte die Wiener Steuerbehörde zuerst ihren Vorteil daraus ziehen zu müssen und belastete den Künstler mit einer jährlichen, auf ein Jahr zurückwirkenden Steuer von nahezu 2000 Gulden!

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/619
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/619>, abgerufen am 26.06.2024.