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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Das Vermächtnis Anselm Feuerbachs.

Setzung der Pension wurde rundweg abgeschlagen und das Bild in eine Rumpel¬
kammer verbannt, ans der es erst später in die großhcrzogliche Galerie kam, zu¬
gleich mit dem 1859 angekauften "Dante in Ravenna," wider Willen des
Galeriedirektvrs K, Fr. Lessing, der, sonst ein Mann von lauterer und ehren¬
hafter Gesinnung und wohlwollendem Charakter, sich in allem, was Feuerbach
betraf, ablehnend verhielt. "Lessing," schreibt Feuerbach, "trat mit seinem Gewicht
zwischen den fürstlichen Herren und mich. Er konnte mir nicht verzeihen, daß
ich einst glaubte, in Düsseldorf nicht genug lernen zu können. Als zehn Jahre
nachher ein Münchener Knnstmücen (Schack ist gemeint) mir seine Aufmerksam¬
keit zuwendete, gereichte ihm dies zu größter Verwunderung. Nur ein Mecklen¬
burger Baron könne Solches thun, meinte er."

In die Heimat, wo er also nichts zu erwarten hatte, wollte Feuerbach nicht
zurückkehren. Mit geringer Baarschaft machte er sich auf deu Weg nach Florenz
und von da nach Rom, wo er bis 1863 Jahre schwerster Entbehrung und
traurigster Mutlosigkeit durchzukämpfen hatte. 1863 kaufte Baron Schack auf
der Münchener Ausstellung Feuerbachs "Pieta," eines seiner vollkommensten
und edelsten Werke, und ein figurenreiches Genrebild von heiterer Färbung
"Ariosto am Hofe von Ferrara." Damit begann eine Reihe von Bestellungen,
die bis zum Jahre 1868 reichten und den Künstler über die größten Sorgen
des Lebens hinwcghoben. Es will uns scheinen, als hätte Feuerbach in seinen
Aufzeichnungen dem Gefühle der Dankbarkeit, die er seinem edlen Gönner
schuldete, einen etwas wärmeren Ausdruck geben können. Graf Schack hat in
dem liebenswürdigen Buche über seine Gemäldesammlung einen ganz andern
Ton gegen Feuerbach angeschlagen. Es ist doch etwas kühl, wenn Feuerbach
schreibt, nachdem er die Meinungsverschiedenheiten berührt, in die er mit Schack
wegen des Formats der bestellten Bilder geraten: "So kam denn endlich nach
längerem stillen Kampfe der Moment, wo unsre Wege auseinandergingen. Herr
Baron vou Schack war in seinem vollen Rechte als Kunstliebhaber; ich war es
auch im Drange meines Talents. Von meinen Bildern für die Schacksche
Galerie waren die in den ersten Jahren eingelieferten die besten und freudigsten.
Dies ist bezeichnend. Ich denke mit ungeschmälerter Anerkennung und uneigen¬
nützigen Bedauern an diese Vorgänge zurück, doch ohne Reue. Ich konnte nicht
anders."

Wie irrig dieser "Drang" des Talentes war, beweist das Urteil der Zeit¬
genossen und der Nachwelt, soweit man schon jetzt von einem solchen mit Bezug
auf Feuerbach sprechen kann. Gerade die Gemälde der Schackschen Galerie, die
der Künstler nach den Weisungen und unter dem materiellen Zwange eines fein¬
sinnigen Kunstfreundes malte, sind die reifsten, vollendetsten und auch in der
Farbe erfreulichsten seiner Schöpfungen. Graf Schack ist kein Mücen gewöhn¬
lichen Schlages, der die Künstler nach den Eingebungen einer flüchtigen Laune
behandelt. Selbst ein Künstler, verstand er es, das Selbstgefühl der Künstler


Grenzbotev I. 1332. 77
Das Vermächtnis Anselm Feuerbachs.

Setzung der Pension wurde rundweg abgeschlagen und das Bild in eine Rumpel¬
kammer verbannt, ans der es erst später in die großhcrzogliche Galerie kam, zu¬
gleich mit dem 1859 angekauften „Dante in Ravenna," wider Willen des
Galeriedirektvrs K, Fr. Lessing, der, sonst ein Mann von lauterer und ehren¬
hafter Gesinnung und wohlwollendem Charakter, sich in allem, was Feuerbach
betraf, ablehnend verhielt. „Lessing," schreibt Feuerbach, „trat mit seinem Gewicht
zwischen den fürstlichen Herren und mich. Er konnte mir nicht verzeihen, daß
ich einst glaubte, in Düsseldorf nicht genug lernen zu können. Als zehn Jahre
nachher ein Münchener Knnstmücen (Schack ist gemeint) mir seine Aufmerksam¬
keit zuwendete, gereichte ihm dies zu größter Verwunderung. Nur ein Mecklen¬
burger Baron könne Solches thun, meinte er."

In die Heimat, wo er also nichts zu erwarten hatte, wollte Feuerbach nicht
zurückkehren. Mit geringer Baarschaft machte er sich auf deu Weg nach Florenz
und von da nach Rom, wo er bis 1863 Jahre schwerster Entbehrung und
traurigster Mutlosigkeit durchzukämpfen hatte. 1863 kaufte Baron Schack auf
der Münchener Ausstellung Feuerbachs „Pieta," eines seiner vollkommensten
und edelsten Werke, und ein figurenreiches Genrebild von heiterer Färbung
„Ariosto am Hofe von Ferrara." Damit begann eine Reihe von Bestellungen,
die bis zum Jahre 1868 reichten und den Künstler über die größten Sorgen
des Lebens hinwcghoben. Es will uns scheinen, als hätte Feuerbach in seinen
Aufzeichnungen dem Gefühle der Dankbarkeit, die er seinem edlen Gönner
schuldete, einen etwas wärmeren Ausdruck geben können. Graf Schack hat in
dem liebenswürdigen Buche über seine Gemäldesammlung einen ganz andern
Ton gegen Feuerbach angeschlagen. Es ist doch etwas kühl, wenn Feuerbach
schreibt, nachdem er die Meinungsverschiedenheiten berührt, in die er mit Schack
wegen des Formats der bestellten Bilder geraten: „So kam denn endlich nach
längerem stillen Kampfe der Moment, wo unsre Wege auseinandergingen. Herr
Baron vou Schack war in seinem vollen Rechte als Kunstliebhaber; ich war es
auch im Drange meines Talents. Von meinen Bildern für die Schacksche
Galerie waren die in den ersten Jahren eingelieferten die besten und freudigsten.
Dies ist bezeichnend. Ich denke mit ungeschmälerter Anerkennung und uneigen¬
nützigen Bedauern an diese Vorgänge zurück, doch ohne Reue. Ich konnte nicht
anders."

Wie irrig dieser „Drang" des Talentes war, beweist das Urteil der Zeit¬
genossen und der Nachwelt, soweit man schon jetzt von einem solchen mit Bezug
auf Feuerbach sprechen kann. Gerade die Gemälde der Schackschen Galerie, die
der Künstler nach den Weisungen und unter dem materiellen Zwange eines fein¬
sinnigen Kunstfreundes malte, sind die reifsten, vollendetsten und auch in der
Farbe erfreulichsten seiner Schöpfungen. Graf Schack ist kein Mücen gewöhn¬
lichen Schlages, der die Künstler nach den Eingebungen einer flüchtigen Laune
behandelt. Selbst ein Künstler, verstand er es, das Selbstgefühl der Künstler


Grenzbotev I. 1332. 77
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[0617] Das Vermächtnis Anselm Feuerbachs. Setzung der Pension wurde rundweg abgeschlagen und das Bild in eine Rumpel¬ kammer verbannt, ans der es erst später in die großhcrzogliche Galerie kam, zu¬ gleich mit dem 1859 angekauften „Dante in Ravenna," wider Willen des Galeriedirektvrs K, Fr. Lessing, der, sonst ein Mann von lauterer und ehren¬ hafter Gesinnung und wohlwollendem Charakter, sich in allem, was Feuerbach betraf, ablehnend verhielt. „Lessing," schreibt Feuerbach, „trat mit seinem Gewicht zwischen den fürstlichen Herren und mich. Er konnte mir nicht verzeihen, daß ich einst glaubte, in Düsseldorf nicht genug lernen zu können. Als zehn Jahre nachher ein Münchener Knnstmücen (Schack ist gemeint) mir seine Aufmerksam¬ keit zuwendete, gereichte ihm dies zu größter Verwunderung. Nur ein Mecklen¬ burger Baron könne Solches thun, meinte er." In die Heimat, wo er also nichts zu erwarten hatte, wollte Feuerbach nicht zurückkehren. Mit geringer Baarschaft machte er sich auf deu Weg nach Florenz und von da nach Rom, wo er bis 1863 Jahre schwerster Entbehrung und traurigster Mutlosigkeit durchzukämpfen hatte. 1863 kaufte Baron Schack auf der Münchener Ausstellung Feuerbachs „Pieta," eines seiner vollkommensten und edelsten Werke, und ein figurenreiches Genrebild von heiterer Färbung „Ariosto am Hofe von Ferrara." Damit begann eine Reihe von Bestellungen, die bis zum Jahre 1868 reichten und den Künstler über die größten Sorgen des Lebens hinwcghoben. Es will uns scheinen, als hätte Feuerbach in seinen Aufzeichnungen dem Gefühle der Dankbarkeit, die er seinem edlen Gönner schuldete, einen etwas wärmeren Ausdruck geben können. Graf Schack hat in dem liebenswürdigen Buche über seine Gemäldesammlung einen ganz andern Ton gegen Feuerbach angeschlagen. Es ist doch etwas kühl, wenn Feuerbach schreibt, nachdem er die Meinungsverschiedenheiten berührt, in die er mit Schack wegen des Formats der bestellten Bilder geraten: „So kam denn endlich nach längerem stillen Kampfe der Moment, wo unsre Wege auseinandergingen. Herr Baron vou Schack war in seinem vollen Rechte als Kunstliebhaber; ich war es auch im Drange meines Talents. Von meinen Bildern für die Schacksche Galerie waren die in den ersten Jahren eingelieferten die besten und freudigsten. Dies ist bezeichnend. Ich denke mit ungeschmälerter Anerkennung und uneigen¬ nützigen Bedauern an diese Vorgänge zurück, doch ohne Reue. Ich konnte nicht anders." Wie irrig dieser „Drang" des Talentes war, beweist das Urteil der Zeit¬ genossen und der Nachwelt, soweit man schon jetzt von einem solchen mit Bezug auf Feuerbach sprechen kann. Gerade die Gemälde der Schackschen Galerie, die der Künstler nach den Weisungen und unter dem materiellen Zwange eines fein¬ sinnigen Kunstfreundes malte, sind die reifsten, vollendetsten und auch in der Farbe erfreulichsten seiner Schöpfungen. Graf Schack ist kein Mücen gewöhn¬ lichen Schlages, der die Künstler nach den Eingebungen einer flüchtigen Laune behandelt. Selbst ein Künstler, verstand er es, das Selbstgefühl der Künstler Grenzbotev I. 1332. 77

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/617>, abgerufen am 26.06.2024.