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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Es ist tragisch, wenn ein genialer Künstler -- und das war Feuerbach
trotz seiner Irrtümer -- das Fazit seiner Thätigkeit in ein so niederschlagendes
Bekenntnis kleiden muß. Indessen lag doch nur ein kleiner Teil der Schuld
an seinen Mißerfolgen in den von ihm begangenen Irrtümer", und diese selbst
sind, wenn wir alle Umstände, die seinen Geist niedergehalten haben, recht in
Betracht ziehen, eigentlich nur die Folgen der kümmerlichen Verhältnisse gewesen,
unter welchen er arbeiten mußte.

Nach seiner Rückkehr in die Heimat wurde er bald oas Opfer kleinlichster
Chikane. Mit seinem "Hafis in der Schenke" hatte er etwas geleistet, was
unter allen Umständen einer ernsthaften Beachtung wert war. In Karlsruhe
nahm mau keine Notiz davon. Er malte sodann im Geiste der Venetianer den
"Tod Aretinos," ebenfalls ein Bild von genialen Wurfe und fesselnden Ko¬
lorit. Das Gemälde wurde der großherzoglichen Gemäldegalerie zum Kauf an¬
geboten, aber die Kommission wies es zurück. Ohne entmutigt zu sein, machte
er sich von neuem um die Arbeit und malte ein Bild, das er "Versuchung"
nannte: ein junger, betender Mönch in einer Waldschlncht, dem eine holde Frauen-
gestalt als Versucherin naht. Das Gemälde war für die Pariser Weltaus¬
stellung bestimmt, aber es wurde von der Jury abgelehnt, und Feuerbnch erhielt
vom Ministerium den Bescheid, "daß man des Gegenstandes wegen Anstand
nehme, das Bild nach Paris z" schicken." In seinem Unmut zerriß er seine
Arbeit und übergab die Stücke dem Feuer. "Es ist dies der erste Ring in der
langen Kette von Mißverständnissen und Begriffsverwirrung, die meinem Künstler¬
leben zum Fluch geworden sind. Ein kräftiger Arm, der mich über die kleinen
Sorgen des Lebens hinwcggehoben hätte, und ich würde in einem Freudenstnrm
den Gipfel erreicht haben, auf den meine Natur sich erheben konnte. Aber die
Hilfe kam immer zu spät und immer nur halb. So habe ich zehn Jahre, die
für die Kunst entscheidenden, verloren, ein Verlust, der nie zu ersetzen ist."

Ein Hoffnungsstern leuchtete ihm dennoch. Der damalige Prinzregent
von Baden erteilte ihm den Auftrag, freilich unter karg zugemessenen Bedin¬
gungen, eine Kopie von Tizians "Himmelfahrt Mariä" in Venedig anzufertigen.
Mit seinem Einzug in Venedig, den er in Gemeinschaft mit Viktor Scheffel
hielt, that Feuerbach einen zweiten entscheidenden Schritt: die großen Vene-
tianer, die er endlich an der Quelle studiren durfte, wurden die Vorbilder
für die nächste Periode seines Schaffens. Die Kopie der "Himmelfahrt" in
halber Größe des Originals gelang so vorzüglich, daß selbst seine Gegner in
Karlsruhe in das allgemeine Lob einstimmten. Der Akademiedirektor Schirmer
schrieb sogar einen Brief voll warmer Anerkennung an die Hofrätin Feuerbach.
Aus Dankbarkeit malte nun der Künstler für die bevorstehende Verlobung des
nachmaligen Großherzogs ein Bild nach Art des Palmcivecchio, eine hohe
Frauengestalt, welche die musikalische Poesie darstellen sollte. Aber dieses Bild
bewirkte das Gegenteil des gehofften Eindrucks. Feuerbnchs Bitte um Fort-


Es ist tragisch, wenn ein genialer Künstler — und das war Feuerbach
trotz seiner Irrtümer — das Fazit seiner Thätigkeit in ein so niederschlagendes
Bekenntnis kleiden muß. Indessen lag doch nur ein kleiner Teil der Schuld
an seinen Mißerfolgen in den von ihm begangenen Irrtümer», und diese selbst
sind, wenn wir alle Umstände, die seinen Geist niedergehalten haben, recht in
Betracht ziehen, eigentlich nur die Folgen der kümmerlichen Verhältnisse gewesen,
unter welchen er arbeiten mußte.

Nach seiner Rückkehr in die Heimat wurde er bald oas Opfer kleinlichster
Chikane. Mit seinem „Hafis in der Schenke" hatte er etwas geleistet, was
unter allen Umständen einer ernsthaften Beachtung wert war. In Karlsruhe
nahm mau keine Notiz davon. Er malte sodann im Geiste der Venetianer den
„Tod Aretinos," ebenfalls ein Bild von genialen Wurfe und fesselnden Ko¬
lorit. Das Gemälde wurde der großherzoglichen Gemäldegalerie zum Kauf an¬
geboten, aber die Kommission wies es zurück. Ohne entmutigt zu sein, machte
er sich von neuem um die Arbeit und malte ein Bild, das er „Versuchung"
nannte: ein junger, betender Mönch in einer Waldschlncht, dem eine holde Frauen-
gestalt als Versucherin naht. Das Gemälde war für die Pariser Weltaus¬
stellung bestimmt, aber es wurde von der Jury abgelehnt, und Feuerbnch erhielt
vom Ministerium den Bescheid, „daß man des Gegenstandes wegen Anstand
nehme, das Bild nach Paris z» schicken." In seinem Unmut zerriß er seine
Arbeit und übergab die Stücke dem Feuer. „Es ist dies der erste Ring in der
langen Kette von Mißverständnissen und Begriffsverwirrung, die meinem Künstler¬
leben zum Fluch geworden sind. Ein kräftiger Arm, der mich über die kleinen
Sorgen des Lebens hinwcggehoben hätte, und ich würde in einem Freudenstnrm
den Gipfel erreicht haben, auf den meine Natur sich erheben konnte. Aber die
Hilfe kam immer zu spät und immer nur halb. So habe ich zehn Jahre, die
für die Kunst entscheidenden, verloren, ein Verlust, der nie zu ersetzen ist."

Ein Hoffnungsstern leuchtete ihm dennoch. Der damalige Prinzregent
von Baden erteilte ihm den Auftrag, freilich unter karg zugemessenen Bedin¬
gungen, eine Kopie von Tizians „Himmelfahrt Mariä" in Venedig anzufertigen.
Mit seinem Einzug in Venedig, den er in Gemeinschaft mit Viktor Scheffel
hielt, that Feuerbach einen zweiten entscheidenden Schritt: die großen Vene-
tianer, die er endlich an der Quelle studiren durfte, wurden die Vorbilder
für die nächste Periode seines Schaffens. Die Kopie der „Himmelfahrt" in
halber Größe des Originals gelang so vorzüglich, daß selbst seine Gegner in
Karlsruhe in das allgemeine Lob einstimmten. Der Akademiedirektor Schirmer
schrieb sogar einen Brief voll warmer Anerkennung an die Hofrätin Feuerbach.
Aus Dankbarkeit malte nun der Künstler für die bevorstehende Verlobung des
nachmaligen Großherzogs ein Bild nach Art des Palmcivecchio, eine hohe
Frauengestalt, welche die musikalische Poesie darstellen sollte. Aber dieses Bild
bewirkte das Gegenteil des gehofften Eindrucks. Feuerbnchs Bitte um Fort-


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[0616] Es ist tragisch, wenn ein genialer Künstler — und das war Feuerbach trotz seiner Irrtümer — das Fazit seiner Thätigkeit in ein so niederschlagendes Bekenntnis kleiden muß. Indessen lag doch nur ein kleiner Teil der Schuld an seinen Mißerfolgen in den von ihm begangenen Irrtümer», und diese selbst sind, wenn wir alle Umstände, die seinen Geist niedergehalten haben, recht in Betracht ziehen, eigentlich nur die Folgen der kümmerlichen Verhältnisse gewesen, unter welchen er arbeiten mußte. Nach seiner Rückkehr in die Heimat wurde er bald oas Opfer kleinlichster Chikane. Mit seinem „Hafis in der Schenke" hatte er etwas geleistet, was unter allen Umständen einer ernsthaften Beachtung wert war. In Karlsruhe nahm mau keine Notiz davon. Er malte sodann im Geiste der Venetianer den „Tod Aretinos," ebenfalls ein Bild von genialen Wurfe und fesselnden Ko¬ lorit. Das Gemälde wurde der großherzoglichen Gemäldegalerie zum Kauf an¬ geboten, aber die Kommission wies es zurück. Ohne entmutigt zu sein, machte er sich von neuem um die Arbeit und malte ein Bild, das er „Versuchung" nannte: ein junger, betender Mönch in einer Waldschlncht, dem eine holde Frauen- gestalt als Versucherin naht. Das Gemälde war für die Pariser Weltaus¬ stellung bestimmt, aber es wurde von der Jury abgelehnt, und Feuerbnch erhielt vom Ministerium den Bescheid, „daß man des Gegenstandes wegen Anstand nehme, das Bild nach Paris z» schicken." In seinem Unmut zerriß er seine Arbeit und übergab die Stücke dem Feuer. „Es ist dies der erste Ring in der langen Kette von Mißverständnissen und Begriffsverwirrung, die meinem Künstler¬ leben zum Fluch geworden sind. Ein kräftiger Arm, der mich über die kleinen Sorgen des Lebens hinwcggehoben hätte, und ich würde in einem Freudenstnrm den Gipfel erreicht haben, auf den meine Natur sich erheben konnte. Aber die Hilfe kam immer zu spät und immer nur halb. So habe ich zehn Jahre, die für die Kunst entscheidenden, verloren, ein Verlust, der nie zu ersetzen ist." Ein Hoffnungsstern leuchtete ihm dennoch. Der damalige Prinzregent von Baden erteilte ihm den Auftrag, freilich unter karg zugemessenen Bedin¬ gungen, eine Kopie von Tizians „Himmelfahrt Mariä" in Venedig anzufertigen. Mit seinem Einzug in Venedig, den er in Gemeinschaft mit Viktor Scheffel hielt, that Feuerbach einen zweiten entscheidenden Schritt: die großen Vene- tianer, die er endlich an der Quelle studiren durfte, wurden die Vorbilder für die nächste Periode seines Schaffens. Die Kopie der „Himmelfahrt" in halber Größe des Originals gelang so vorzüglich, daß selbst seine Gegner in Karlsruhe in das allgemeine Lob einstimmten. Der Akademiedirektor Schirmer schrieb sogar einen Brief voll warmer Anerkennung an die Hofrätin Feuerbach. Aus Dankbarkeit malte nun der Künstler für die bevorstehende Verlobung des nachmaligen Großherzogs ein Bild nach Art des Palmcivecchio, eine hohe Frauengestalt, welche die musikalische Poesie darstellen sollte. Aber dieses Bild bewirkte das Gegenteil des gehofften Eindrucks. Feuerbnchs Bitte um Fort-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/616>, abgerufen am 26.06.2024.