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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Das Vermächtnis Anselm Feuerbachs.

aristokratischen Wesen wird er die Direktion der Akademie zu danken haben; als
Maler zählte er nicht." Die Geschichte bestätigt dieses Urteil, wenigstens den letzten
Satz. Und da sollte Feuerbach durch ihn gefördert werden? Er, dessen Geist früh¬
zeitig mit den Idealen der antiken Kunst angefüllt worden war und der jetzt nur
darnach strebte, für dieselbe" auch den farbigen Ausdruck zu finden? Gelegentlich
ging Feuerbach auch zu Lessing, den er hochschätzte. Aber dieser hatte von
vornherein eine Antipathie gegen alle, die von Schadow protegirt wurden, und
in diesem Falle eine doppelte, da Feuerbach gegen seinen Rat nach Düsseldorf
gekommen war. Jedenfalls war für den letztern die Zeit, die er in Düsseldorf
zugebracht, eine verlorene. "Jeder Sie nach Paris zu Delaroche, sonst wird
nischt aus Ihnen" -- das waren Schadows letzte Worte zu Feuerbach. Hätte
er doch diesen Rat befolgt! Wenn er auch nicht zu Delaroche ging, dessen
ganzes Wesen dem seinigen schroff gegenüberstand. Wie er die Kleider- und
Theatermalerei haßte! Wir finden in seinen Auszeichnungen der zornigen Worte
genug, deren Spitzen unverkennbar gegen Piloty und Makart gerichtet sind.
Aber nach Paris hätte er gehen sollen.

Er ging zunächst nach München, wo er wiederum keinen Anknüpfungspunkt
fand und abermals zwei Jahre nutzlos verstrichen. Dann folgte ein Jahr des
Studiums an der Antwerpener Akademie.unter Wappers, das ihn anch nicht
besonders förderte. Endlich im Frühjahr 1851 ging er nach Paris, als der
erste der deutschen Maler, welche durch deu Glanz der französischen Schule
dorthin gezogen wurden.

Anfangs war er auf sich selbst angewiesen. Sein erstes größeres Bild
"Hafis in der Schenke" darf als das Resultat der Studien angesehen werden,
die er an französischen Bildern in seiner Umgebung machte. Wäre er doch bei
dieser gesunden, frischen, lebhaften und doch harmonischen Farbengebung geblieben!
Erst Ende 1852 oder Anfang 1853 trat er in Cvutnres Atelier ein, der damals
und auch für die nächste Zeit der gesuchteste Lehrer in Paris war. Feuerbach
spricht mit großer Begeisterung von ihm. "Nicht genug danken kann ich dem
Meister, welcher mich von der deutschen Spitzpinselei zu breiter pastoser Be¬
handlung, von der akademischen Schablonenkompvsitivn zu großer Anschauung
und Auffassung führte." In dem Abschnitte über Paris befindet sich auch eine
Stelle, die insofern bemerkenswert ist, als sie den Zweck kennzeichnet, welchen
Feuerbach mit der Veröffentlichung seiner Aufzeichnungen im Auge gehabt hat.
"Ich wünsche Verständigung mit meinen Zeitgenossen. Die Anweisung auf die
Nachwelt ist kein Ersatz für den lebendigen Pulsschlag verwandter Herzen und
für liebevoll ermunterndes Eingehen und Aufnehmen, dessen der Künstler für
sein Schaffen bedarf, wie die Pflanze das Licht der Sonne zum Wachsen. Ich
habe mich bis jetzt vergeblich darnach gesehnt. Jeder Akkord, den ich anschlug,
und von dem ich glaubte, daß er richtig und rein sei, ist zum Mißklang geworden,
sowie er über den Atelierraum hinausdrang."


Das Vermächtnis Anselm Feuerbachs.

aristokratischen Wesen wird er die Direktion der Akademie zu danken haben; als
Maler zählte er nicht." Die Geschichte bestätigt dieses Urteil, wenigstens den letzten
Satz. Und da sollte Feuerbach durch ihn gefördert werden? Er, dessen Geist früh¬
zeitig mit den Idealen der antiken Kunst angefüllt worden war und der jetzt nur
darnach strebte, für dieselbe» auch den farbigen Ausdruck zu finden? Gelegentlich
ging Feuerbach auch zu Lessing, den er hochschätzte. Aber dieser hatte von
vornherein eine Antipathie gegen alle, die von Schadow protegirt wurden, und
in diesem Falle eine doppelte, da Feuerbach gegen seinen Rat nach Düsseldorf
gekommen war. Jedenfalls war für den letztern die Zeit, die er in Düsseldorf
zugebracht, eine verlorene. „Jeder Sie nach Paris zu Delaroche, sonst wird
nischt aus Ihnen" — das waren Schadows letzte Worte zu Feuerbach. Hätte
er doch diesen Rat befolgt! Wenn er auch nicht zu Delaroche ging, dessen
ganzes Wesen dem seinigen schroff gegenüberstand. Wie er die Kleider- und
Theatermalerei haßte! Wir finden in seinen Auszeichnungen der zornigen Worte
genug, deren Spitzen unverkennbar gegen Piloty und Makart gerichtet sind.
Aber nach Paris hätte er gehen sollen.

Er ging zunächst nach München, wo er wiederum keinen Anknüpfungspunkt
fand und abermals zwei Jahre nutzlos verstrichen. Dann folgte ein Jahr des
Studiums an der Antwerpener Akademie.unter Wappers, das ihn anch nicht
besonders förderte. Endlich im Frühjahr 1851 ging er nach Paris, als der
erste der deutschen Maler, welche durch deu Glanz der französischen Schule
dorthin gezogen wurden.

Anfangs war er auf sich selbst angewiesen. Sein erstes größeres Bild
„Hafis in der Schenke" darf als das Resultat der Studien angesehen werden,
die er an französischen Bildern in seiner Umgebung machte. Wäre er doch bei
dieser gesunden, frischen, lebhaften und doch harmonischen Farbengebung geblieben!
Erst Ende 1852 oder Anfang 1853 trat er in Cvutnres Atelier ein, der damals
und auch für die nächste Zeit der gesuchteste Lehrer in Paris war. Feuerbach
spricht mit großer Begeisterung von ihm. „Nicht genug danken kann ich dem
Meister, welcher mich von der deutschen Spitzpinselei zu breiter pastoser Be¬
handlung, von der akademischen Schablonenkompvsitivn zu großer Anschauung
und Auffassung führte." In dem Abschnitte über Paris befindet sich auch eine
Stelle, die insofern bemerkenswert ist, als sie den Zweck kennzeichnet, welchen
Feuerbach mit der Veröffentlichung seiner Aufzeichnungen im Auge gehabt hat.
„Ich wünsche Verständigung mit meinen Zeitgenossen. Die Anweisung auf die
Nachwelt ist kein Ersatz für den lebendigen Pulsschlag verwandter Herzen und
für liebevoll ermunterndes Eingehen und Aufnehmen, dessen der Künstler für
sein Schaffen bedarf, wie die Pflanze das Licht der Sonne zum Wachsen. Ich
habe mich bis jetzt vergeblich darnach gesehnt. Jeder Akkord, den ich anschlug,
und von dem ich glaubte, daß er richtig und rein sei, ist zum Mißklang geworden,
sowie er über den Atelierraum hinausdrang."


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[0615] Das Vermächtnis Anselm Feuerbachs. aristokratischen Wesen wird er die Direktion der Akademie zu danken haben; als Maler zählte er nicht." Die Geschichte bestätigt dieses Urteil, wenigstens den letzten Satz. Und da sollte Feuerbach durch ihn gefördert werden? Er, dessen Geist früh¬ zeitig mit den Idealen der antiken Kunst angefüllt worden war und der jetzt nur darnach strebte, für dieselbe» auch den farbigen Ausdruck zu finden? Gelegentlich ging Feuerbach auch zu Lessing, den er hochschätzte. Aber dieser hatte von vornherein eine Antipathie gegen alle, die von Schadow protegirt wurden, und in diesem Falle eine doppelte, da Feuerbach gegen seinen Rat nach Düsseldorf gekommen war. Jedenfalls war für den letztern die Zeit, die er in Düsseldorf zugebracht, eine verlorene. „Jeder Sie nach Paris zu Delaroche, sonst wird nischt aus Ihnen" — das waren Schadows letzte Worte zu Feuerbach. Hätte er doch diesen Rat befolgt! Wenn er auch nicht zu Delaroche ging, dessen ganzes Wesen dem seinigen schroff gegenüberstand. Wie er die Kleider- und Theatermalerei haßte! Wir finden in seinen Auszeichnungen der zornigen Worte genug, deren Spitzen unverkennbar gegen Piloty und Makart gerichtet sind. Aber nach Paris hätte er gehen sollen. Er ging zunächst nach München, wo er wiederum keinen Anknüpfungspunkt fand und abermals zwei Jahre nutzlos verstrichen. Dann folgte ein Jahr des Studiums an der Antwerpener Akademie.unter Wappers, das ihn anch nicht besonders förderte. Endlich im Frühjahr 1851 ging er nach Paris, als der erste der deutschen Maler, welche durch deu Glanz der französischen Schule dorthin gezogen wurden. Anfangs war er auf sich selbst angewiesen. Sein erstes größeres Bild „Hafis in der Schenke" darf als das Resultat der Studien angesehen werden, die er an französischen Bildern in seiner Umgebung machte. Wäre er doch bei dieser gesunden, frischen, lebhaften und doch harmonischen Farbengebung geblieben! Erst Ende 1852 oder Anfang 1853 trat er in Cvutnres Atelier ein, der damals und auch für die nächste Zeit der gesuchteste Lehrer in Paris war. Feuerbach spricht mit großer Begeisterung von ihm. „Nicht genug danken kann ich dem Meister, welcher mich von der deutschen Spitzpinselei zu breiter pastoser Be¬ handlung, von der akademischen Schablonenkompvsitivn zu großer Anschauung und Auffassung führte." In dem Abschnitte über Paris befindet sich auch eine Stelle, die insofern bemerkenswert ist, als sie den Zweck kennzeichnet, welchen Feuerbach mit der Veröffentlichung seiner Aufzeichnungen im Auge gehabt hat. „Ich wünsche Verständigung mit meinen Zeitgenossen. Die Anweisung auf die Nachwelt ist kein Ersatz für den lebendigen Pulsschlag verwandter Herzen und für liebevoll ermunterndes Eingehen und Aufnehmen, dessen der Künstler für sein Schaffen bedarf, wie die Pflanze das Licht der Sonne zum Wachsen. Ich habe mich bis jetzt vergeblich darnach gesehnt. Jeder Akkord, den ich anschlug, und von dem ich glaubte, daß er richtig und rein sei, ist zum Mißklang geworden, sowie er über den Atelierraum hinausdrang."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/615>, abgerufen am 26.06.2024.