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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Freiligrath in seinen Briefen.

schlagencn Richtung zu beharren, werde ich gewiß nicht versäumen; und wenn
Sie erlauben, daß ich Ihnen von Zeit zu Zeit meine Zusendungen für das
Morgenblatt oder den Almanach erneuere, so hoffe ich Ihnen zu beweisen, daß
es mir Ernst mit meinem Versprechen ist."

An vielen Stellen der Briefe dokumentirt sich diese, wie man deutlich sieht,
echte Bescheidenheit, dem Lobe wie dem Tadel gegenüber. Er verzweifelt oft
an seiner dem Gewöhnlichen abgewendeten Dichtungsweise, insbesondre wenn er
sie, wie oben, mit der einfachen schlichten Art andrer Dichter vergleicht. So
schreibt er ein andermal an Schwab: "Gedruckt kommen mir meine Gedichte
erst vollends toll und nichtswürdig vor; der Fluch des Ungeschmacks ruht nun
einmal auf mir, und es ist mir oft, als ob ich auch beim redlichsten Willen nie
imstande sein würde, ihn ganz zu losen." Ähnlich an den Dichter Schnezler:
"Und dann sagst du: prächtige, klingende Verse! -- Ja sieh, das ist eben mein
Fehler. Bombast, Rhetorik -- das ist meine Force. Ich möchte oft bittere
Thränen darüber weinen und könnte das ganze Rcimhandwerk an den Nagel
hängen, Wenn's mir nicht manchmal auch wieder so zu Mute wäre, als wäre
ich alle dem zum Trotz dennoch ein Dichter!" Und noch ein paar Jahre später,
als das Erscheinen seiner Gedichtsammlung seinen Namen schon berühmt gemacht
hat, an Wolfgang Müller von Königswinter: "Deine Volkslieder gingen mir
fort und fort durch die Seele wie schneidige Schwerter, und ich hätte meine
Poesie und mich selbst anspeien mögen." Gerne möchte er sich den Schwäbischen
Dichtern, mit denen er doch so gar nichts gemein hat, zugezählt wissen. Als
diese im Jahre 1836 sich von dem Musenalmanach zurückzogen, weil dem neuesten
Jahrgang desselben ohne ihr Vorwissen das Porträt Heines, der soeben in seiner
^voie roiuÄntiHuö Uhland so heftig angegriffen hatte, vorgesetzt worden war,
da schreibt auch Freiligrath in edler Aufwallung der Verlagshandlung ab:
"Schwabs und der übrigen Schwäbischen Dichter Zurücktreten ist dadurch zur
Genüge motivirt, und -- ich bin selbst Norddeutscher, meine Dichtweise ist leider
von der schlichten, einfach reinen jener Sänger des Südens himmelweit verschieden;
aber die Freundlichkeit und Herzlichkeit, mit der mir die Besten unter ihnen
entgegenkamen, läßt mich hoffen, daß sie mich wenigstens der Gesinnung nach
als den Ihrigen betrachten, und daß ich Uhland mit ihnen als gemeinsames
Haupt ansehen darf -- ich muß in der That gegen den Abdruck der Ihnen
gesandten Sachen Protestiren."

Dieser Bescheidenheit entsprach auch Freiligraths persönliches Auftreten, das
als schüchtern, ja unbeholfen geschildert wird. In größerer Geselligkeit verhielt
er sich meist schweigend, und wie fehr noch in spätern Jahren alle dem gefeierten
Dichter entgegengebrachten Ovationen diesem nur beengend und lästig waren,
lehrt so manche Stelle seiner Briefe. Erheiternd ist in Schmidt-Weißenfels'
"Biographischen Denkmal" Theobald Kerners, des Sohnes von Justinus, Er¬
zählung zu lesen, wie sein Vater bei einem Besuche Freiligraths in Weinsberg


Freiligrath in seinen Briefen.

schlagencn Richtung zu beharren, werde ich gewiß nicht versäumen; und wenn
Sie erlauben, daß ich Ihnen von Zeit zu Zeit meine Zusendungen für das
Morgenblatt oder den Almanach erneuere, so hoffe ich Ihnen zu beweisen, daß
es mir Ernst mit meinem Versprechen ist."

An vielen Stellen der Briefe dokumentirt sich diese, wie man deutlich sieht,
echte Bescheidenheit, dem Lobe wie dem Tadel gegenüber. Er verzweifelt oft
an seiner dem Gewöhnlichen abgewendeten Dichtungsweise, insbesondre wenn er
sie, wie oben, mit der einfachen schlichten Art andrer Dichter vergleicht. So
schreibt er ein andermal an Schwab: „Gedruckt kommen mir meine Gedichte
erst vollends toll und nichtswürdig vor; der Fluch des Ungeschmacks ruht nun
einmal auf mir, und es ist mir oft, als ob ich auch beim redlichsten Willen nie
imstande sein würde, ihn ganz zu losen." Ähnlich an den Dichter Schnezler:
„Und dann sagst du: prächtige, klingende Verse! — Ja sieh, das ist eben mein
Fehler. Bombast, Rhetorik — das ist meine Force. Ich möchte oft bittere
Thränen darüber weinen und könnte das ganze Rcimhandwerk an den Nagel
hängen, Wenn's mir nicht manchmal auch wieder so zu Mute wäre, als wäre
ich alle dem zum Trotz dennoch ein Dichter!" Und noch ein paar Jahre später,
als das Erscheinen seiner Gedichtsammlung seinen Namen schon berühmt gemacht
hat, an Wolfgang Müller von Königswinter: „Deine Volkslieder gingen mir
fort und fort durch die Seele wie schneidige Schwerter, und ich hätte meine
Poesie und mich selbst anspeien mögen." Gerne möchte er sich den Schwäbischen
Dichtern, mit denen er doch so gar nichts gemein hat, zugezählt wissen. Als
diese im Jahre 1836 sich von dem Musenalmanach zurückzogen, weil dem neuesten
Jahrgang desselben ohne ihr Vorwissen das Porträt Heines, der soeben in seiner
^voie roiuÄntiHuö Uhland so heftig angegriffen hatte, vorgesetzt worden war,
da schreibt auch Freiligrath in edler Aufwallung der Verlagshandlung ab:
„Schwabs und der übrigen Schwäbischen Dichter Zurücktreten ist dadurch zur
Genüge motivirt, und — ich bin selbst Norddeutscher, meine Dichtweise ist leider
von der schlichten, einfach reinen jener Sänger des Südens himmelweit verschieden;
aber die Freundlichkeit und Herzlichkeit, mit der mir die Besten unter ihnen
entgegenkamen, läßt mich hoffen, daß sie mich wenigstens der Gesinnung nach
als den Ihrigen betrachten, und daß ich Uhland mit ihnen als gemeinsames
Haupt ansehen darf — ich muß in der That gegen den Abdruck der Ihnen
gesandten Sachen Protestiren."

Dieser Bescheidenheit entsprach auch Freiligraths persönliches Auftreten, das
als schüchtern, ja unbeholfen geschildert wird. In größerer Geselligkeit verhielt
er sich meist schweigend, und wie fehr noch in spätern Jahren alle dem gefeierten
Dichter entgegengebrachten Ovationen diesem nur beengend und lästig waren,
lehrt so manche Stelle seiner Briefe. Erheiternd ist in Schmidt-Weißenfels'
„Biographischen Denkmal" Theobald Kerners, des Sohnes von Justinus, Er¬
zählung zu lesen, wie sein Vater bei einem Besuche Freiligraths in Weinsberg


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[0610] Freiligrath in seinen Briefen. schlagencn Richtung zu beharren, werde ich gewiß nicht versäumen; und wenn Sie erlauben, daß ich Ihnen von Zeit zu Zeit meine Zusendungen für das Morgenblatt oder den Almanach erneuere, so hoffe ich Ihnen zu beweisen, daß es mir Ernst mit meinem Versprechen ist." An vielen Stellen der Briefe dokumentirt sich diese, wie man deutlich sieht, echte Bescheidenheit, dem Lobe wie dem Tadel gegenüber. Er verzweifelt oft an seiner dem Gewöhnlichen abgewendeten Dichtungsweise, insbesondre wenn er sie, wie oben, mit der einfachen schlichten Art andrer Dichter vergleicht. So schreibt er ein andermal an Schwab: „Gedruckt kommen mir meine Gedichte erst vollends toll und nichtswürdig vor; der Fluch des Ungeschmacks ruht nun einmal auf mir, und es ist mir oft, als ob ich auch beim redlichsten Willen nie imstande sein würde, ihn ganz zu losen." Ähnlich an den Dichter Schnezler: „Und dann sagst du: prächtige, klingende Verse! — Ja sieh, das ist eben mein Fehler. Bombast, Rhetorik — das ist meine Force. Ich möchte oft bittere Thränen darüber weinen und könnte das ganze Rcimhandwerk an den Nagel hängen, Wenn's mir nicht manchmal auch wieder so zu Mute wäre, als wäre ich alle dem zum Trotz dennoch ein Dichter!" Und noch ein paar Jahre später, als das Erscheinen seiner Gedichtsammlung seinen Namen schon berühmt gemacht hat, an Wolfgang Müller von Königswinter: „Deine Volkslieder gingen mir fort und fort durch die Seele wie schneidige Schwerter, und ich hätte meine Poesie und mich selbst anspeien mögen." Gerne möchte er sich den Schwäbischen Dichtern, mit denen er doch so gar nichts gemein hat, zugezählt wissen. Als diese im Jahre 1836 sich von dem Musenalmanach zurückzogen, weil dem neuesten Jahrgang desselben ohne ihr Vorwissen das Porträt Heines, der soeben in seiner ^voie roiuÄntiHuö Uhland so heftig angegriffen hatte, vorgesetzt worden war, da schreibt auch Freiligrath in edler Aufwallung der Verlagshandlung ab: „Schwabs und der übrigen Schwäbischen Dichter Zurücktreten ist dadurch zur Genüge motivirt, und — ich bin selbst Norddeutscher, meine Dichtweise ist leider von der schlichten, einfach reinen jener Sänger des Südens himmelweit verschieden; aber die Freundlichkeit und Herzlichkeit, mit der mir die Besten unter ihnen entgegenkamen, läßt mich hoffen, daß sie mich wenigstens der Gesinnung nach als den Ihrigen betrachten, und daß ich Uhland mit ihnen als gemeinsames Haupt ansehen darf — ich muß in der That gegen den Abdruck der Ihnen gesandten Sachen Protestiren." Dieser Bescheidenheit entsprach auch Freiligraths persönliches Auftreten, das als schüchtern, ja unbeholfen geschildert wird. In größerer Geselligkeit verhielt er sich meist schweigend, und wie fehr noch in spätern Jahren alle dem gefeierten Dichter entgegengebrachten Ovationen diesem nur beengend und lästig waren, lehrt so manche Stelle seiner Briefe. Erheiternd ist in Schmidt-Weißenfels' „Biographischen Denkmal" Theobald Kerners, des Sohnes von Justinus, Er¬ zählung zu lesen, wie sein Vater bei einem Besuche Freiligraths in Weinsberg

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/610>, abgerufen am 26.06.2024.