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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Der Abschluß des Gencrcilstabswerkes.

übrigen Teilen des Heeres wie mit der Heimat schon jetzt äußerst unsicher, so
mußten sie vollends zerreißen, wenn noch Saone, Ognon und Doubs über¬
schritte" wurden. Man hatte Bescmyon vor sich, die Festung Langres, das
verschanzte, stark besetzte Dijon, sowie den kleinen Platz Auxonne in Flanke und
Rücken und mußte bereit sein, mit völlig umgekehrter Front eine Entscheidungs¬
schlacht anzunehmen . . . dennoch entschied sich General von Manteuffel für das
kühnere Vorgehen, welches den größeren Erfolg verhieß. . . . General Graf
von Moltke sprach sich damals Sr. Majestät dem Kaiser und König gegenüber
dahin aus, "die Operation des Generals von Manteuffel sei eine äußerst kühne,
welche aber zu den größten Resultaten führen könne. Falls er einen Enden
erleiden sollte, dürfe man ihn nicht tadeln, denn um große Erfolge zu erreichen,
müsse etwas gewagt werden."" Demgemäß schwenkte die Südarmee rechts und
erreichte schou am 19. Januar Gray sur Saone, am 20. Pesmes sur l'Ognon
und am 21. Düte sur le Doubs.

Es würde zu weit führen, hier die ferneren Bewegungen des Generals zu
verfolgen; sie führten schließlich zu dem bekannten Übertritt der Bourbakischen,
später von General Clinchant befehligten Armee auf Schweizer Gebiet. Die
Bewegungen sowohl, wie alle Anordnungen, welche seine weitverteilten, nach den
verschiedensten Richtungen hin Front machenden Heeresteile erhielten, zeugen von
der großen Umsicht des Generals und von seiner rastlosen Energie, dieses schon
von Anfang an ins Auge gefaßte Ziel zu erreichen. Ebenso tritt die kräftige
Mitwirkung des Generals von Werber sowie sämmtlicher Unterführer hervor.
Überall Klarheit, Bestimmtheit und beständige Thätigkeit, selbständiges Handeln,
wenn Befehle mangeln, unverzügliche stritte Befolgung der eingehenden Ordres
und bei jeglicher Begegnung mit dem Feinde stets ein offensiver, thatkräftiger
Geist. Ganz das Gegenteil bei den Franzosen. Ihre Unthätigkeit bei dem
Vormarsch der Südarmee ist schon berührt; aber das geradezu empörende Be¬
nehmen des Helden Garibaldi und seines Generalstabschefs, des Apothekers
Bordone in Dijon, ist in der Darstellung mit allzugroßer Rücksicht kaum an¬
gedeutet. Obgleich er den ausdrücklichen Befehl hatte, seine Truppen im freien
Felde und in den benachbarten Gebirgen zu verwenden (während General
Pslissier Dijon schützen sollte), sieht er sich alle feindlichen Bewegungen nur in
respektvoller Entfernung an, und als Oberst Bombonnel in Gray sich wieder¬
holt mit der Bitte um Unterstützung an ihn wandte, wies er diesen ab unter
dem Hinweise, daß Dijon selbst bedroht erscheine. Diese feste Stadt mit ihren
60 000 Mann und 90 Geschützen und mit ihren starken fortsähnlichen Stellungen
war "bedroht" durch 4000 Manu Infanterie, 260 Pferde und 12 Geschütze,
welche unter General von Kettler vor Dijon zurückgelassen worden waren. Die
Angriffe dieser heldenmütigen Schaar ans die Stadt am 21. und 23. Januar
waren allerdings von großer Kühnheit, es ging dabei auch die einzige Fahne
verloren, welche die Deutschen in dem ganzen Kriege überhaupt einbüßten, d. h.


Der Abschluß des Gencrcilstabswerkes.

übrigen Teilen des Heeres wie mit der Heimat schon jetzt äußerst unsicher, so
mußten sie vollends zerreißen, wenn noch Saone, Ognon und Doubs über¬
schritte» wurden. Man hatte Bescmyon vor sich, die Festung Langres, das
verschanzte, stark besetzte Dijon, sowie den kleinen Platz Auxonne in Flanke und
Rücken und mußte bereit sein, mit völlig umgekehrter Front eine Entscheidungs¬
schlacht anzunehmen . . . dennoch entschied sich General von Manteuffel für das
kühnere Vorgehen, welches den größeren Erfolg verhieß. . . . General Graf
von Moltke sprach sich damals Sr. Majestät dem Kaiser und König gegenüber
dahin aus, «die Operation des Generals von Manteuffel sei eine äußerst kühne,
welche aber zu den größten Resultaten führen könne. Falls er einen Enden
erleiden sollte, dürfe man ihn nicht tadeln, denn um große Erfolge zu erreichen,
müsse etwas gewagt werden.»" Demgemäß schwenkte die Südarmee rechts und
erreichte schou am 19. Januar Gray sur Saone, am 20. Pesmes sur l'Ognon
und am 21. Düte sur le Doubs.

Es würde zu weit führen, hier die ferneren Bewegungen des Generals zu
verfolgen; sie führten schließlich zu dem bekannten Übertritt der Bourbakischen,
später von General Clinchant befehligten Armee auf Schweizer Gebiet. Die
Bewegungen sowohl, wie alle Anordnungen, welche seine weitverteilten, nach den
verschiedensten Richtungen hin Front machenden Heeresteile erhielten, zeugen von
der großen Umsicht des Generals und von seiner rastlosen Energie, dieses schon
von Anfang an ins Auge gefaßte Ziel zu erreichen. Ebenso tritt die kräftige
Mitwirkung des Generals von Werber sowie sämmtlicher Unterführer hervor.
Überall Klarheit, Bestimmtheit und beständige Thätigkeit, selbständiges Handeln,
wenn Befehle mangeln, unverzügliche stritte Befolgung der eingehenden Ordres
und bei jeglicher Begegnung mit dem Feinde stets ein offensiver, thatkräftiger
Geist. Ganz das Gegenteil bei den Franzosen. Ihre Unthätigkeit bei dem
Vormarsch der Südarmee ist schon berührt; aber das geradezu empörende Be¬
nehmen des Helden Garibaldi und seines Generalstabschefs, des Apothekers
Bordone in Dijon, ist in der Darstellung mit allzugroßer Rücksicht kaum an¬
gedeutet. Obgleich er den ausdrücklichen Befehl hatte, seine Truppen im freien
Felde und in den benachbarten Gebirgen zu verwenden (während General
Pslissier Dijon schützen sollte), sieht er sich alle feindlichen Bewegungen nur in
respektvoller Entfernung an, und als Oberst Bombonnel in Gray sich wieder¬
holt mit der Bitte um Unterstützung an ihn wandte, wies er diesen ab unter
dem Hinweise, daß Dijon selbst bedroht erscheine. Diese feste Stadt mit ihren
60 000 Mann und 90 Geschützen und mit ihren starken fortsähnlichen Stellungen
war „bedroht" durch 4000 Manu Infanterie, 260 Pferde und 12 Geschütze,
welche unter General von Kettler vor Dijon zurückgelassen worden waren. Die
Angriffe dieser heldenmütigen Schaar ans die Stadt am 21. und 23. Januar
waren allerdings von großer Kühnheit, es ging dabei auch die einzige Fahne
verloren, welche die Deutschen in dem ganzen Kriege überhaupt einbüßten, d. h.


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[0603] Der Abschluß des Gencrcilstabswerkes. übrigen Teilen des Heeres wie mit der Heimat schon jetzt äußerst unsicher, so mußten sie vollends zerreißen, wenn noch Saone, Ognon und Doubs über¬ schritte» wurden. Man hatte Bescmyon vor sich, die Festung Langres, das verschanzte, stark besetzte Dijon, sowie den kleinen Platz Auxonne in Flanke und Rücken und mußte bereit sein, mit völlig umgekehrter Front eine Entscheidungs¬ schlacht anzunehmen . . . dennoch entschied sich General von Manteuffel für das kühnere Vorgehen, welches den größeren Erfolg verhieß. . . . General Graf von Moltke sprach sich damals Sr. Majestät dem Kaiser und König gegenüber dahin aus, «die Operation des Generals von Manteuffel sei eine äußerst kühne, welche aber zu den größten Resultaten führen könne. Falls er einen Enden erleiden sollte, dürfe man ihn nicht tadeln, denn um große Erfolge zu erreichen, müsse etwas gewagt werden.»" Demgemäß schwenkte die Südarmee rechts und erreichte schou am 19. Januar Gray sur Saone, am 20. Pesmes sur l'Ognon und am 21. Düte sur le Doubs. Es würde zu weit führen, hier die ferneren Bewegungen des Generals zu verfolgen; sie führten schließlich zu dem bekannten Übertritt der Bourbakischen, später von General Clinchant befehligten Armee auf Schweizer Gebiet. Die Bewegungen sowohl, wie alle Anordnungen, welche seine weitverteilten, nach den verschiedensten Richtungen hin Front machenden Heeresteile erhielten, zeugen von der großen Umsicht des Generals und von seiner rastlosen Energie, dieses schon von Anfang an ins Auge gefaßte Ziel zu erreichen. Ebenso tritt die kräftige Mitwirkung des Generals von Werber sowie sämmtlicher Unterführer hervor. Überall Klarheit, Bestimmtheit und beständige Thätigkeit, selbständiges Handeln, wenn Befehle mangeln, unverzügliche stritte Befolgung der eingehenden Ordres und bei jeglicher Begegnung mit dem Feinde stets ein offensiver, thatkräftiger Geist. Ganz das Gegenteil bei den Franzosen. Ihre Unthätigkeit bei dem Vormarsch der Südarmee ist schon berührt; aber das geradezu empörende Be¬ nehmen des Helden Garibaldi und seines Generalstabschefs, des Apothekers Bordone in Dijon, ist in der Darstellung mit allzugroßer Rücksicht kaum an¬ gedeutet. Obgleich er den ausdrücklichen Befehl hatte, seine Truppen im freien Felde und in den benachbarten Gebirgen zu verwenden (während General Pslissier Dijon schützen sollte), sieht er sich alle feindlichen Bewegungen nur in respektvoller Entfernung an, und als Oberst Bombonnel in Gray sich wieder¬ holt mit der Bitte um Unterstützung an ihn wandte, wies er diesen ab unter dem Hinweise, daß Dijon selbst bedroht erscheine. Diese feste Stadt mit ihren 60 000 Mann und 90 Geschützen und mit ihren starken fortsähnlichen Stellungen war „bedroht" durch 4000 Manu Infanterie, 260 Pferde und 12 Geschütze, welche unter General von Kettler vor Dijon zurückgelassen worden waren. Die Angriffe dieser heldenmütigen Schaar ans die Stadt am 21. und 23. Januar waren allerdings von großer Kühnheit, es ging dabei auch die einzige Fahne verloren, welche die Deutschen in dem ganzen Kriege überhaupt einbüßten, d. h.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/603>, abgerufen am 26.06.2024.