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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Der Abschluß des Generalstabswerkes.

Vernichtung und Verwirrung daselbst an, daß die Einwohner in großen Schaaren
nach Paris flüchteten, wodurch unzweifelhaft die Kapitulation der stolzen Haupt¬
stadt beschleunigt worden ist. Am 23 Januar erschien Jules Favre in Versailles,
um darüber zu verhandeln, am 26. wurden die Feindseligkeiten eingestellt, am 29.
fand die Besetzung der Forts nett der Stadt Se. Denis durch die deutscheu
Truppen statt, und die gesummte französische Armee wurde kriegsgefangen. "Die
französische Armee lieferte 602 Feldgeschütze, 177 000 Gewehre und etwa 1200
Munitionswagen ab. Das erbeutete Festungsmaterial bestand aus 1362 De¬
fensionsgeschützen, 1680 Lasteten, 860 Protzen. An Munition wurden 3 500 000
Chassepotpatrvnen, 7000 Zentner Pulver, gegen 200 000 geladene und unge¬
ladene Granaten für gezogene Geschütze und über 100 000 geladene und unge¬
ladene Bomben für Mörser vorgefunden."

Das neunzehnte Heft wendet sich wieder zu den Ereignissen bei der Süd¬
armee, wo General von Manteuffel, der am 12. Januar in Chatillon sur
Seine eingetroffen war, zunächst seine noch neun Meilen auseinanderstehenden
Truppen zu sammeln und sich darüber zu entscheiden hatte, auf welche Weise
er dem hartbedrängten General von Werber zu Hilfe kommen wollte. Die Ent¬
fernung bis zur Lisaine betrug für die einzelnen Abteilungen des zweiten und
siebenten Armeekorps durchschnittlich fast zwanzig Meilen. Wege dahin führten
über Langres oder über Dijon. Diese Festungen liegen neun Meilen von einander
entfernt, beide wußte man vom Feinde stark besetzt. Zwischen ihnen hindurch
war der südliche Teil der rauhen Hochfläche von Langres nur auf schlechten
Bergwegen, welche zahlreiche tief eingeschnittene Querthäler überschreiten, zu
passiren, sodaß in dein schwierigen Gelände ein ernstlicher Widerstand zu er¬
warten war. "Es konnte füglich in Betracht kommen, ob der Vormarsch gegen
Dijon zu richten sei, wohin mehrere gebahnte Straßen durch das vorliegende Berg¬
land führten. Die Eroberung der alten Hauptstadt von Burgund Hütte einen
um so größeren Eindruck gemacht, als die französische Presse noch kürzlich die
Wichtigkeit der Wiederbesetzung dieses Punktes dnrch einheimische Streitkräfte über
Gebühr hervorgehoben hatte." General von Manteuffel wählte die kürzeste Rich¬
tung zwischen den Festungen hindurch und langte am l8. Januar in der Nähe
der Saone an, unbehelligt, sowohl von Langres aus, wo damals 12 000 Fran¬
zosen standen, und auch von Dijon, wo unter Garibaldis glorreicher Führung
50 000 Mann vereinigt waren.

Der inzwischen erfochtene Sieg des Generals von Werber änderte indeß
die Kriegslage wesentlich. Bourbaki wandte sich zum Rückzüge, der längs des
Doubs über Besann-vu ausgeführt werden mußte. "Gelang es den Deutschen,
das Flußthal unterhalb Besanyon abzusperren und einen letzten, vielleicht mit
dem Nachdruck der Verzweiflung geführten Stoß des Feindes zurückzuweisen,
so blieben diesem nur die schwierigen Gebirgsstraßen des Jura zum Entkommen
übrig. . . . Waren die Verbindungen der beiden preußischen Korps mit den


Der Abschluß des Generalstabswerkes.

Vernichtung und Verwirrung daselbst an, daß die Einwohner in großen Schaaren
nach Paris flüchteten, wodurch unzweifelhaft die Kapitulation der stolzen Haupt¬
stadt beschleunigt worden ist. Am 23 Januar erschien Jules Favre in Versailles,
um darüber zu verhandeln, am 26. wurden die Feindseligkeiten eingestellt, am 29.
fand die Besetzung der Forts nett der Stadt Se. Denis durch die deutscheu
Truppen statt, und die gesummte französische Armee wurde kriegsgefangen. „Die
französische Armee lieferte 602 Feldgeschütze, 177 000 Gewehre und etwa 1200
Munitionswagen ab. Das erbeutete Festungsmaterial bestand aus 1362 De¬
fensionsgeschützen, 1680 Lasteten, 860 Protzen. An Munition wurden 3 500 000
Chassepotpatrvnen, 7000 Zentner Pulver, gegen 200 000 geladene und unge¬
ladene Granaten für gezogene Geschütze und über 100 000 geladene und unge¬
ladene Bomben für Mörser vorgefunden."

Das neunzehnte Heft wendet sich wieder zu den Ereignissen bei der Süd¬
armee, wo General von Manteuffel, der am 12. Januar in Chatillon sur
Seine eingetroffen war, zunächst seine noch neun Meilen auseinanderstehenden
Truppen zu sammeln und sich darüber zu entscheiden hatte, auf welche Weise
er dem hartbedrängten General von Werber zu Hilfe kommen wollte. Die Ent¬
fernung bis zur Lisaine betrug für die einzelnen Abteilungen des zweiten und
siebenten Armeekorps durchschnittlich fast zwanzig Meilen. Wege dahin führten
über Langres oder über Dijon. Diese Festungen liegen neun Meilen von einander
entfernt, beide wußte man vom Feinde stark besetzt. Zwischen ihnen hindurch
war der südliche Teil der rauhen Hochfläche von Langres nur auf schlechten
Bergwegen, welche zahlreiche tief eingeschnittene Querthäler überschreiten, zu
passiren, sodaß in dein schwierigen Gelände ein ernstlicher Widerstand zu er¬
warten war. „Es konnte füglich in Betracht kommen, ob der Vormarsch gegen
Dijon zu richten sei, wohin mehrere gebahnte Straßen durch das vorliegende Berg¬
land führten. Die Eroberung der alten Hauptstadt von Burgund Hütte einen
um so größeren Eindruck gemacht, als die französische Presse noch kürzlich die
Wichtigkeit der Wiederbesetzung dieses Punktes dnrch einheimische Streitkräfte über
Gebühr hervorgehoben hatte." General von Manteuffel wählte die kürzeste Rich¬
tung zwischen den Festungen hindurch und langte am l8. Januar in der Nähe
der Saone an, unbehelligt, sowohl von Langres aus, wo damals 12 000 Fran¬
zosen standen, und auch von Dijon, wo unter Garibaldis glorreicher Führung
50 000 Mann vereinigt waren.

Der inzwischen erfochtene Sieg des Generals von Werber änderte indeß
die Kriegslage wesentlich. Bourbaki wandte sich zum Rückzüge, der längs des
Doubs über Besann-vu ausgeführt werden mußte. „Gelang es den Deutschen,
das Flußthal unterhalb Besanyon abzusperren und einen letzten, vielleicht mit
dem Nachdruck der Verzweiflung geführten Stoß des Feindes zurückzuweisen,
so blieben diesem nur die schwierigen Gebirgsstraßen des Jura zum Entkommen
übrig. . . . Waren die Verbindungen der beiden preußischen Korps mit den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/602>, abgerufen am 26.06.2024.