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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Der Abschluß des Generalstabswerkes.

schon vielfach erwähnt und überall ist anerkannt worden, daß dieselbe hierin
leistet, was ein historisches Buch überhaupt leisten kann. Namentlich wird das
bewiesen durch den Preis der Berliner Akademie der Wissenschaften, den das
Werk erhalten hat, und durch die Thatsache, daß es von den militärischen Be¬
hörden Italiens, Englands und Frankreichs offiziell übersetzt worden ist.

Trotzdem bleibt es natürlich unmöglich, von so vielfältigen und verschieden¬
artigen Begebenheiten jedes einzelne Faktum wiederzugeben; auch die Motive
mancher Thaten lassen sich mit vollkommener Sicherheit nicht feststellen. Es
kann daher wohl vorkommen, daß der Einzelne, der hier oder dort "auch dabei
war," die Erzählung sich anders gedacht oder gewünscht hätte. Hier beim
Schlüsse des Werkes aber wird jeder empfinden müssen, wie sehr dergleichen
dem großen Ganzen gegenüber in den Hintergrund tritt, und wird gern aner¬
kennen, wieviel die gewaltige Arbeit, trotz aller Schwierigkeiten, doch absolut
Richtiges und Unanfechtbares ergeben hat. Die einfache Zusammenstellung der
Gesammtresultate, die nüchternen Zahlen überwältigen und erzwingen für alle
Zeiten Achtung dem Volke, welches solches leisten konnte, Bewunderung der
Zucht, welche es dazu befähigte, und Ehrfurcht den Führern, welche es
leiteten.

Das achtzehnte Heft -- wir greifen etwas weiter zurück -- enthält schon
zwei eigentlich abschließende Ereignisse des Krieges, nämlich die heldenmütige
Abwehr des Bourbakischen Angriffs zum Entsatz von Belfort durch den General
von Werber und -- die Kapitulation von Paris. Zunächst wird die Einleitung
der förmlichen Belagerung von Belfort (unter General von Treskow I) be¬
schrieben. Dort war indessen ein Erfolg fürs erste nicht zu erzielen, weil die
Entsatzversuche der Franzosen immer mehr und mehr von den Streitkräften des
Belagerungskorps in Anspruch nahmen. Nachdem man im großen Hauptquartier
durch die Vorpostengefechte des vierzehnten Armeekorps (General der Infanterie
von Werber) am 5. Januar 1871 bei Vesoul Sicherheit über das Vorrücken
Bourbakis mit seiner 110 000 Mann starken Armee gegen Belfort erhalten hatte,
wurde, außer dem vierzehnten, noch das zweite und siebente Armeekorps als
Südarmee unter den General der Kavallerie von Manteuffel gestellt, um jener
entgegenzutreten. Allein bis diese vereinigt werden konnte, blieb dem General
von Werber der Schutz von Belfort allein überlassen. Da er am 6. Januar
bei Vesoul nicht angegriffen wurde und den weiteren Vormarsch des Feindes
nach Osten befürchten mußte, beschloß er, diese Bewegung durch einen energischen
Angriff auf Villersexel ins Stocken zu bringen, nahm diese Stadt und ver¬
teidigte sich in und um ihr am 9. Januar mit Is 000 Mann gegen ca. 40 000
Mann des Gegners. Am Morgen des 10. Januar standen drei französische
Armeekorps ebenso nahe an Belfort, wie drei Divisionen des Generals von
Werber, welche die Belagerung des völlig in ihrer Flanke liegenden Platzes zu
schützen hatten. Allein der Feind griff wieder nicht an, mnrschirte auch nicht


Der Abschluß des Generalstabswerkes.

schon vielfach erwähnt und überall ist anerkannt worden, daß dieselbe hierin
leistet, was ein historisches Buch überhaupt leisten kann. Namentlich wird das
bewiesen durch den Preis der Berliner Akademie der Wissenschaften, den das
Werk erhalten hat, und durch die Thatsache, daß es von den militärischen Be¬
hörden Italiens, Englands und Frankreichs offiziell übersetzt worden ist.

Trotzdem bleibt es natürlich unmöglich, von so vielfältigen und verschieden¬
artigen Begebenheiten jedes einzelne Faktum wiederzugeben; auch die Motive
mancher Thaten lassen sich mit vollkommener Sicherheit nicht feststellen. Es
kann daher wohl vorkommen, daß der Einzelne, der hier oder dort „auch dabei
war," die Erzählung sich anders gedacht oder gewünscht hätte. Hier beim
Schlüsse des Werkes aber wird jeder empfinden müssen, wie sehr dergleichen
dem großen Ganzen gegenüber in den Hintergrund tritt, und wird gern aner¬
kennen, wieviel die gewaltige Arbeit, trotz aller Schwierigkeiten, doch absolut
Richtiges und Unanfechtbares ergeben hat. Die einfache Zusammenstellung der
Gesammtresultate, die nüchternen Zahlen überwältigen und erzwingen für alle
Zeiten Achtung dem Volke, welches solches leisten konnte, Bewunderung der
Zucht, welche es dazu befähigte, und Ehrfurcht den Führern, welche es
leiteten.

Das achtzehnte Heft — wir greifen etwas weiter zurück — enthält schon
zwei eigentlich abschließende Ereignisse des Krieges, nämlich die heldenmütige
Abwehr des Bourbakischen Angriffs zum Entsatz von Belfort durch den General
von Werber und — die Kapitulation von Paris. Zunächst wird die Einleitung
der förmlichen Belagerung von Belfort (unter General von Treskow I) be¬
schrieben. Dort war indessen ein Erfolg fürs erste nicht zu erzielen, weil die
Entsatzversuche der Franzosen immer mehr und mehr von den Streitkräften des
Belagerungskorps in Anspruch nahmen. Nachdem man im großen Hauptquartier
durch die Vorpostengefechte des vierzehnten Armeekorps (General der Infanterie
von Werber) am 5. Januar 1871 bei Vesoul Sicherheit über das Vorrücken
Bourbakis mit seiner 110 000 Mann starken Armee gegen Belfort erhalten hatte,
wurde, außer dem vierzehnten, noch das zweite und siebente Armeekorps als
Südarmee unter den General der Kavallerie von Manteuffel gestellt, um jener
entgegenzutreten. Allein bis diese vereinigt werden konnte, blieb dem General
von Werber der Schutz von Belfort allein überlassen. Da er am 6. Januar
bei Vesoul nicht angegriffen wurde und den weiteren Vormarsch des Feindes
nach Osten befürchten mußte, beschloß er, diese Bewegung durch einen energischen
Angriff auf Villersexel ins Stocken zu bringen, nahm diese Stadt und ver¬
teidigte sich in und um ihr am 9. Januar mit Is 000 Mann gegen ca. 40 000
Mann des Gegners. Am Morgen des 10. Januar standen drei französische
Armeekorps ebenso nahe an Belfort, wie drei Divisionen des Generals von
Werber, welche die Belagerung des völlig in ihrer Flanke liegenden Platzes zu
schützen hatten. Allein der Feind griff wieder nicht an, mnrschirte auch nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/600>, abgerufen am 26.06.2024.