Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.Zur Verwaltungsreform in Preußen, klar empfunden, sondern im Gegenteile so sehr unter dem Banne der liberalen Hier wäre es wohl geboten, Remedur eintreten zu lassen. Man wende Zur Verwaltungsreform in Preußen, klar empfunden, sondern im Gegenteile so sehr unter dem Banne der liberalen Hier wäre es wohl geboten, Remedur eintreten zu lassen. Man wende <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0597" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/86718"/> <fw type="header" place="top"> Zur Verwaltungsreform in Preußen,</fw><lb/> <p xml:id="ID_2432" prev="#ID_2431"> klar empfunden, sondern im Gegenteile so sehr unter dem Banne der liberalen<lb/> Anschauungsweise gestanden, daß man besonders motivirt hat, weshalb man<lb/> den Amtsvorsteher nicht aus der Wahl der Nmtsangehörigen hervorgehen lasse.</p><lb/> <p xml:id="ID_2433" next="#ID_2434"> Hier wäre es wohl geboten, Remedur eintreten zu lassen. Man wende<lb/> gegen dies Verlangen nicht ein, das sei Prinzipienreiterei, dem gesunden Sinn<lb/> der Bevölkerung dürfe man Wohl zutrauen, daß vernünftige Wahlen getroffen<lb/> würden, praktisch habe sich ja die Sache auch bereits bewährt, es seien nirgends<lb/> Unzuträglichkeiten vorgekommen. Das mag alles sein. Denselben Grad von<lb/> Vertrauen aber, den mau hiernach der Bevölkerung entgegenbringen soll, kann<lb/> auch die Staatsregierung für sich in Anspruch nehmen, Oder hält man es für<lb/> sicherer, daß die Wahlverbände stets ihr Wahlrecht richtig ausüben werden, als<lb/> daß die Regierung ihr Bestätigungsrecht immer mit dem richtigen Takte hand¬<lb/> haben werde? Man hätte schlimmsten Falles ja ausdrücklich vorschreiben können,<lb/> daß die politische Richtung des Gewählten niemals einen Grund zur Versagung<lb/> der Bestätigung abgeben dürfe. Zudem, wenn man wirklich so vertrauensselig<lb/> war, wie erklärt sich das suspensive Veto, welches dem Vorsitzenden der er¬<lb/> wähnten Kollegien gegen deren Entschlüsse im öffentlichen Interesse gegeben ist?<lb/> Statt dieses für die Laienmitglieder kränkenden Reservatrechtes gebe man der<lb/> Staatsregierung lieber für Vezirksverwaltnngsgericht, Vezirksrat und Provin-<lb/> zialrat das Bestcitigungsrecht zurück, Ju den Kreisausschuß setze man als ge¬<lb/> borene Mitglieder die beiden Kreisdeputirtcn, die, wie von Meyer-Arnswalde<lb/> treffend ausführt, schon aus praktischen Gründen dorthin gehören. Dann mag<lb/> sich der Staat die freie Wahl der übrigen vier Mitglieder bei der hervorragenden<lb/> Wichtigkeit des Kreisausschusses als Kommunalbehörde wohl gefallen lassen.<lb/> Muß sich doch umgekehrt auch der Kreiskommuualverbcmd gefallen lassen. daß<lb/> in der Person des Landrath gleichzeitig der oberste Kcnnmnnalbeamte des Kreises<lb/> vom Könige ernannt und erforderlichen Falles zur Disposition gestellt wird,<lb/> ohne eine andre Mitwirkung seinerseits, als daß es ihm gestattet ist, seine<lb/> Wünsche für die Besetzung des Postens zu äußern. Im Prinzip unzweifelhaft<lb/> ein Übergriff desselben Staates, der auf andern Gebieten seine Rechte nicht hin¬<lb/> reichend gewahrt hat, aber freilich ein solcher Übergriff, wie er dnrch die poli¬<lb/> tische Notwendigkeit unbedingt geboten ist. Denn der Landrat mag auf dem<lb/> kommunalen, speziell wirtschaftlichen Gebiete, namentlich in den östlichen Pro¬<lb/> vinzen ein noch so reiches Feld für seine Thätigkeit finden, immerhin steht er<lb/> innerhalb der Organisation der Staatsbehörden an so „entscheidender Stelle," daß<lb/> der Staat nach den früher aufgestellten Grundsätzen auf das direkte Ernennungs-<lb/> nnd Zurdispvsitionsstellungsrecht gar nicht verzichten kann, wenn er nicht selbst<lb/> die Axt an die Wurzeln seines Seins anlegen will. Die einzige Möglichkeit,<lb/> hier den Kommunen mehr Rücksicht angedeihen zu lassen, wäre die Lostrennung<lb/> der kommunalen Funktionen vom Landratsamt und dessen Zerlegung in zwei<lb/> Ämter, die im kleinen dem Verhältnis zwischen Oberpräsident und Landesdirektor</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0597]
Zur Verwaltungsreform in Preußen,
klar empfunden, sondern im Gegenteile so sehr unter dem Banne der liberalen
Anschauungsweise gestanden, daß man besonders motivirt hat, weshalb man
den Amtsvorsteher nicht aus der Wahl der Nmtsangehörigen hervorgehen lasse.
Hier wäre es wohl geboten, Remedur eintreten zu lassen. Man wende
gegen dies Verlangen nicht ein, das sei Prinzipienreiterei, dem gesunden Sinn
der Bevölkerung dürfe man Wohl zutrauen, daß vernünftige Wahlen getroffen
würden, praktisch habe sich ja die Sache auch bereits bewährt, es seien nirgends
Unzuträglichkeiten vorgekommen. Das mag alles sein. Denselben Grad von
Vertrauen aber, den mau hiernach der Bevölkerung entgegenbringen soll, kann
auch die Staatsregierung für sich in Anspruch nehmen, Oder hält man es für
sicherer, daß die Wahlverbände stets ihr Wahlrecht richtig ausüben werden, als
daß die Regierung ihr Bestätigungsrecht immer mit dem richtigen Takte hand¬
haben werde? Man hätte schlimmsten Falles ja ausdrücklich vorschreiben können,
daß die politische Richtung des Gewählten niemals einen Grund zur Versagung
der Bestätigung abgeben dürfe. Zudem, wenn man wirklich so vertrauensselig
war, wie erklärt sich das suspensive Veto, welches dem Vorsitzenden der er¬
wähnten Kollegien gegen deren Entschlüsse im öffentlichen Interesse gegeben ist?
Statt dieses für die Laienmitglieder kränkenden Reservatrechtes gebe man der
Staatsregierung lieber für Vezirksverwaltnngsgericht, Vezirksrat und Provin-
zialrat das Bestcitigungsrecht zurück, Ju den Kreisausschuß setze man als ge¬
borene Mitglieder die beiden Kreisdeputirtcn, die, wie von Meyer-Arnswalde
treffend ausführt, schon aus praktischen Gründen dorthin gehören. Dann mag
sich der Staat die freie Wahl der übrigen vier Mitglieder bei der hervorragenden
Wichtigkeit des Kreisausschusses als Kommunalbehörde wohl gefallen lassen.
Muß sich doch umgekehrt auch der Kreiskommuualverbcmd gefallen lassen. daß
in der Person des Landrath gleichzeitig der oberste Kcnnmnnalbeamte des Kreises
vom Könige ernannt und erforderlichen Falles zur Disposition gestellt wird,
ohne eine andre Mitwirkung seinerseits, als daß es ihm gestattet ist, seine
Wünsche für die Besetzung des Postens zu äußern. Im Prinzip unzweifelhaft
ein Übergriff desselben Staates, der auf andern Gebieten seine Rechte nicht hin¬
reichend gewahrt hat, aber freilich ein solcher Übergriff, wie er dnrch die poli¬
tische Notwendigkeit unbedingt geboten ist. Denn der Landrat mag auf dem
kommunalen, speziell wirtschaftlichen Gebiete, namentlich in den östlichen Pro¬
vinzen ein noch so reiches Feld für seine Thätigkeit finden, immerhin steht er
innerhalb der Organisation der Staatsbehörden an so „entscheidender Stelle," daß
der Staat nach den früher aufgestellten Grundsätzen auf das direkte Ernennungs-
nnd Zurdispvsitionsstellungsrecht gar nicht verzichten kann, wenn er nicht selbst
die Axt an die Wurzeln seines Seins anlegen will. Die einzige Möglichkeit,
hier den Kommunen mehr Rücksicht angedeihen zu lassen, wäre die Lostrennung
der kommunalen Funktionen vom Landratsamt und dessen Zerlegung in zwei
Ämter, die im kleinen dem Verhältnis zwischen Oberpräsident und Landesdirektor
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |