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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Zur Verwaltungsreform in Preußen.

sprechen. Schlimmer ist der Mangel eines festen Prinzips in andrer Beziehung.
Nach den früher dargelegten Grundsätzen müßte die Anstellung der Kommunnl-
beamten den Kommunalverbänden zustehen, und zwar bis zum Erweise für die
Notwendigkeit des Gegenteils ohne jedes Einmischungsrechl des Staates. Die
Staatsbeamten hätte der Staat zu ernennen, beziehungsweise, so weit er etwa auf
dies Ernennungsrecht verzichtet, zu bestätigen. Diejenigen Ämter endlich, welche
staatliche und kommunale Funktionen in Personalunion bringen, müßten durch
ein Zusammenwirken beider Faktoren besetzt werden, so etwa, daß, je nachdem
die staatliche oder kommunale Seite des Amtes überwiegt, dem einen oder dem
andern Faktor nur durch ein in mehr oder minder engen Schranken gehaltenes
Einspruchsrecht gegen die Vorschläge des Hauptfaktors verstattet würde. Korrekt
siud hiernach nur die wenigsten gesetzlichen Bestimmungen. Die gewählten Kreis-
deputirten bedürfen korrekterweise der Bestätigung des Oberpräsidenten, ebenso
die Gemeinde- und Gutsvorsteher derjenigen des Landrath. Daß die letztere
nur unter Zustimmung des Kreisansschusses versagt werden darf, ist wohl eine
sehr glückliche Einschränkung, die verhüten soll, daß der Staat dnrch wiederholte
Nichtbestätignng und demimchstige Bestellung eines kommissarischen Schulzen nicht
ohne Not in die inneren Angelegenheiten der Gemeinde einzugreifen Gelegenheit
erhält. Das ist aber auch alles. Die Bezirksverwaltnngsgerichte, Bezirksräte,
Provinzialräte sind rein staatliche Behörden. Gleichwohl gehen alle Laienmit¬
glieder derselben ohne jede Mitwirkung oder Bestätigung des Staates lediglich
aus freier Wahl hervor. Das Gleiche gilt von dem Kreisausschnsse, obschon
der Staat auch an dessen Zusammensetzung ein sehr erhebliches Interesse hat,
da er neben seinen kommunalen Funktionen, selbst abgesehen von der Stellung
als Kreisverwaltuugsgericht, sehr wichtige staatliche Befugnisse ausübt. Der ganze
Einfluß des Staates bei der Bildung der genannten Behörden beschränkt sich
auf die Ernennung der Vorsitzenden und der wenige" berufsmäßigen Mitglieder,
die im wesentlichen nnr die technische Arbeitslast der Behörden auf ihre Schultern
zu nehmen haben, übrigens von dein überwiegenden Laienelement fortwährend
majorisirt werden können. Nun erst die Amtsvorsteher. Sie sind -- bis auf
weiteres -- fast ausschließlich Organe der obrigkeitlichen Verwaltung. Trotzdem
ist auch hier von einem Bestätigungsrechte der Stciatsregiernng keine Rede.
Nicht einmal dem vom Abgeordneten von Meyer-Arnswalde bei der Revision
der Kreisordnung aus praktischen Gründen ausgesprochenen Wunsche, die Vor¬
schlagsliste wenigstens lieber durch den Kreisausschuß als dnrch deu Kreistag
aufstellen zu lassen, ist Rechnung getragen worden. Das dem Oberpräsidenten
zustehende Recht der Auswahl unter den ihm vom Kreistage vorgeschlagenen
Kandidaten bietet aber keinesfalls einen Ersatz für das Bcstätigungsrecht. Denn
dies Wahlrecht kaun leicht illusorisch werden, wenn nur eine Person vorgeschlagen
ist, und eine Ergänzung der Liste unmöglich gefordert werden kann. Dabei hat
man die Inkorrektheit dieser ganzen Konstruktion von vornherein nicht einmal


Zur Verwaltungsreform in Preußen.

sprechen. Schlimmer ist der Mangel eines festen Prinzips in andrer Beziehung.
Nach den früher dargelegten Grundsätzen müßte die Anstellung der Kommunnl-
beamten den Kommunalverbänden zustehen, und zwar bis zum Erweise für die
Notwendigkeit des Gegenteils ohne jedes Einmischungsrechl des Staates. Die
Staatsbeamten hätte der Staat zu ernennen, beziehungsweise, so weit er etwa auf
dies Ernennungsrecht verzichtet, zu bestätigen. Diejenigen Ämter endlich, welche
staatliche und kommunale Funktionen in Personalunion bringen, müßten durch
ein Zusammenwirken beider Faktoren besetzt werden, so etwa, daß, je nachdem
die staatliche oder kommunale Seite des Amtes überwiegt, dem einen oder dem
andern Faktor nur durch ein in mehr oder minder engen Schranken gehaltenes
Einspruchsrecht gegen die Vorschläge des Hauptfaktors verstattet würde. Korrekt
siud hiernach nur die wenigsten gesetzlichen Bestimmungen. Die gewählten Kreis-
deputirten bedürfen korrekterweise der Bestätigung des Oberpräsidenten, ebenso
die Gemeinde- und Gutsvorsteher derjenigen des Landrath. Daß die letztere
nur unter Zustimmung des Kreisansschusses versagt werden darf, ist wohl eine
sehr glückliche Einschränkung, die verhüten soll, daß der Staat dnrch wiederholte
Nichtbestätignng und demimchstige Bestellung eines kommissarischen Schulzen nicht
ohne Not in die inneren Angelegenheiten der Gemeinde einzugreifen Gelegenheit
erhält. Das ist aber auch alles. Die Bezirksverwaltnngsgerichte, Bezirksräte,
Provinzialräte sind rein staatliche Behörden. Gleichwohl gehen alle Laienmit¬
glieder derselben ohne jede Mitwirkung oder Bestätigung des Staates lediglich
aus freier Wahl hervor. Das Gleiche gilt von dem Kreisausschnsse, obschon
der Staat auch an dessen Zusammensetzung ein sehr erhebliches Interesse hat,
da er neben seinen kommunalen Funktionen, selbst abgesehen von der Stellung
als Kreisverwaltuugsgericht, sehr wichtige staatliche Befugnisse ausübt. Der ganze
Einfluß des Staates bei der Bildung der genannten Behörden beschränkt sich
auf die Ernennung der Vorsitzenden und der wenige» berufsmäßigen Mitglieder,
die im wesentlichen nnr die technische Arbeitslast der Behörden auf ihre Schultern
zu nehmen haben, übrigens von dein überwiegenden Laienelement fortwährend
majorisirt werden können. Nun erst die Amtsvorsteher. Sie sind — bis auf
weiteres — fast ausschließlich Organe der obrigkeitlichen Verwaltung. Trotzdem
ist auch hier von einem Bestätigungsrechte der Stciatsregiernng keine Rede.
Nicht einmal dem vom Abgeordneten von Meyer-Arnswalde bei der Revision
der Kreisordnung aus praktischen Gründen ausgesprochenen Wunsche, die Vor¬
schlagsliste wenigstens lieber durch den Kreisausschuß als dnrch deu Kreistag
aufstellen zu lassen, ist Rechnung getragen worden. Das dem Oberpräsidenten
zustehende Recht der Auswahl unter den ihm vom Kreistage vorgeschlagenen
Kandidaten bietet aber keinesfalls einen Ersatz für das Bcstätigungsrecht. Denn
dies Wahlrecht kaun leicht illusorisch werden, wenn nur eine Person vorgeschlagen
ist, und eine Ergänzung der Liste unmöglich gefordert werden kann. Dabei hat
man die Inkorrektheit dieser ganzen Konstruktion von vornherein nicht einmal


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[0596] Zur Verwaltungsreform in Preußen. sprechen. Schlimmer ist der Mangel eines festen Prinzips in andrer Beziehung. Nach den früher dargelegten Grundsätzen müßte die Anstellung der Kommunnl- beamten den Kommunalverbänden zustehen, und zwar bis zum Erweise für die Notwendigkeit des Gegenteils ohne jedes Einmischungsrechl des Staates. Die Staatsbeamten hätte der Staat zu ernennen, beziehungsweise, so weit er etwa auf dies Ernennungsrecht verzichtet, zu bestätigen. Diejenigen Ämter endlich, welche staatliche und kommunale Funktionen in Personalunion bringen, müßten durch ein Zusammenwirken beider Faktoren besetzt werden, so etwa, daß, je nachdem die staatliche oder kommunale Seite des Amtes überwiegt, dem einen oder dem andern Faktor nur durch ein in mehr oder minder engen Schranken gehaltenes Einspruchsrecht gegen die Vorschläge des Hauptfaktors verstattet würde. Korrekt siud hiernach nur die wenigsten gesetzlichen Bestimmungen. Die gewählten Kreis- deputirten bedürfen korrekterweise der Bestätigung des Oberpräsidenten, ebenso die Gemeinde- und Gutsvorsteher derjenigen des Landrath. Daß die letztere nur unter Zustimmung des Kreisansschusses versagt werden darf, ist wohl eine sehr glückliche Einschränkung, die verhüten soll, daß der Staat dnrch wiederholte Nichtbestätignng und demimchstige Bestellung eines kommissarischen Schulzen nicht ohne Not in die inneren Angelegenheiten der Gemeinde einzugreifen Gelegenheit erhält. Das ist aber auch alles. Die Bezirksverwaltnngsgerichte, Bezirksräte, Provinzialräte sind rein staatliche Behörden. Gleichwohl gehen alle Laienmit¬ glieder derselben ohne jede Mitwirkung oder Bestätigung des Staates lediglich aus freier Wahl hervor. Das Gleiche gilt von dem Kreisausschnsse, obschon der Staat auch an dessen Zusammensetzung ein sehr erhebliches Interesse hat, da er neben seinen kommunalen Funktionen, selbst abgesehen von der Stellung als Kreisverwaltuugsgericht, sehr wichtige staatliche Befugnisse ausübt. Der ganze Einfluß des Staates bei der Bildung der genannten Behörden beschränkt sich auf die Ernennung der Vorsitzenden und der wenige» berufsmäßigen Mitglieder, die im wesentlichen nnr die technische Arbeitslast der Behörden auf ihre Schultern zu nehmen haben, übrigens von dein überwiegenden Laienelement fortwährend majorisirt werden können. Nun erst die Amtsvorsteher. Sie sind — bis auf weiteres — fast ausschließlich Organe der obrigkeitlichen Verwaltung. Trotzdem ist auch hier von einem Bestätigungsrechte der Stciatsregiernng keine Rede. Nicht einmal dem vom Abgeordneten von Meyer-Arnswalde bei der Revision der Kreisordnung aus praktischen Gründen ausgesprochenen Wunsche, die Vor¬ schlagsliste wenigstens lieber durch den Kreisausschuß als dnrch deu Kreistag aufstellen zu lassen, ist Rechnung getragen worden. Das dem Oberpräsidenten zustehende Recht der Auswahl unter den ihm vom Kreistage vorgeschlagenen Kandidaten bietet aber keinesfalls einen Ersatz für das Bcstätigungsrecht. Denn dies Wahlrecht kaun leicht illusorisch werden, wenn nur eine Person vorgeschlagen ist, und eine Ergänzung der Liste unmöglich gefordert werden kann. Dabei hat man die Inkorrektheit dieser ganzen Konstruktion von vornherein nicht einmal

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/596>, abgerufen am 26.06.2024.