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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Lin neues Königreich.

panslavistischen Politik abgewendet hatte, der Verwirklichung des Planes kein
Hindernis in den Weg legen zu wollen, und sagte als weiteren Beweis seiner
wohlwollenden Gesinnung nngesänmte Anerkennung des in Aussicht genommenen
neuen Königreiches an der mittleren Donan zu. In Berlin gab man eine ähn¬
liche Erklärung ab, und in Petersburg hielt man es nicht für passend, auf die
serbischen Anfragen weniger gefällig zu antworten. Auch in Paris, London
und Rom äußerte man sich zustimmend, und so war die Frage gelöst, und Fürst
Milan durfte sich fortan König Milan nennen.

Hat er sich seine Krone nicht durch Tapferkeit verdient, so wiegt die Klug¬
heit, mit der er sich dieselbe erwarb, für uns ungefähr ebensoviel, besonders
wenn er dabei beharrt. Bis jetzt hat er sich den wohlberechtigten Ansprüchen
des Wiener Kabinets gegenüber durchaus willfährig gezeigt. Zunächst bekundete
er sich als getreuen Nachbar durch die Beseitigung des feindseligen und seine
Feindschaft gegen Österreich-Ungarn kaum verhüllenden Ristitsch, dann durch die
Absetzung des Metropoliten Michael, in dessen Händen die Fäden der pansla¬
vistischen Wühlereien in Serbien, Bosnien und der Herzegowina zusammenliefen,
und es steht wohl zu hoffen, daß die Belgrader Regierung es mit ihren Ver¬
sprechungen Österreich-Ungarn gegenüber künftig nicht wie mit denen halten
werde, welche 1877 gebrochen wurden. Die Rangerhöhung könnte hier von
einem stärkeren Gefühle der Verantwortlichkeit und von festerem Beharren bei
dem Vorsatze begleitet sein, seine Nachbarpflicht uneingeschränkt zu erfüllen, als
dies geschehen, als man noch Bewerber um die Krone war. Wenn Serbiens
Erhebung zum Range eines Königreiches zur Stärkung des österreichischen Ein¬
flusses auf dem Gebiete der Balkanstaaten und zu einer dem entsprechenden
Veränderung der Geltung Rußlands unter den Völkern derselben beiträgt, so
wird das zivilisirte Europa sich Glück wünschen können, dem Reifen des Planes,
der Fürst Milan einen Königsthron gab, kein Hindernis bereitet zu haben. Die
neue Majestät hat gewissermaßen einen Vertrauensposten inne, und wenn sie
so intelligent oder so wohl beraten ist, wie man glauben möchte, so wird sie
sich kaum verhehlen können, daß ihr eignes und ihres Volkes Interesse sie
durchaus auf ein freundschaftliches Verhältnis mit der Wiener Regierung und
deren Bundesgenossen in Deutschland hinweist. Schon ein Blick auf die geo¬
graphische Lage Serbiens muß, dünkt uns, die Machthaber in Belgrad über¬
zeugen, daß es notwendig ist, die mitteleuropäischen Kaisermächte mit allen
Mitteln, die zu Gebote stehen, bei dem Glauben zu erhalten, daß sie auf
Serbien unter jedweden Umständen als auf ein befreundetes Land rechnen dürfen.

Die Ansprache, mit welcher König Milan seinem Volke die Veränderung
der serbischen Staatsform verkündet, redet in einem Tone, der etwas zu hoch
gegriffen sein möchte, aber ihr Inhalt entspricht dem soeben Gesagten, wenn es
darin heißt: "Möge der glänzendere Name durch kräftigere Entwicklung der
bürgerlichen Tugenden, immer größere Liebe zur Gesetzlichkeit, zum Fortschritt,


Lin neues Königreich.

panslavistischen Politik abgewendet hatte, der Verwirklichung des Planes kein
Hindernis in den Weg legen zu wollen, und sagte als weiteren Beweis seiner
wohlwollenden Gesinnung nngesänmte Anerkennung des in Aussicht genommenen
neuen Königreiches an der mittleren Donan zu. In Berlin gab man eine ähn¬
liche Erklärung ab, und in Petersburg hielt man es nicht für passend, auf die
serbischen Anfragen weniger gefällig zu antworten. Auch in Paris, London
und Rom äußerte man sich zustimmend, und so war die Frage gelöst, und Fürst
Milan durfte sich fortan König Milan nennen.

Hat er sich seine Krone nicht durch Tapferkeit verdient, so wiegt die Klug¬
heit, mit der er sich dieselbe erwarb, für uns ungefähr ebensoviel, besonders
wenn er dabei beharrt. Bis jetzt hat er sich den wohlberechtigten Ansprüchen
des Wiener Kabinets gegenüber durchaus willfährig gezeigt. Zunächst bekundete
er sich als getreuen Nachbar durch die Beseitigung des feindseligen und seine
Feindschaft gegen Österreich-Ungarn kaum verhüllenden Ristitsch, dann durch die
Absetzung des Metropoliten Michael, in dessen Händen die Fäden der pansla¬
vistischen Wühlereien in Serbien, Bosnien und der Herzegowina zusammenliefen,
und es steht wohl zu hoffen, daß die Belgrader Regierung es mit ihren Ver¬
sprechungen Österreich-Ungarn gegenüber künftig nicht wie mit denen halten
werde, welche 1877 gebrochen wurden. Die Rangerhöhung könnte hier von
einem stärkeren Gefühle der Verantwortlichkeit und von festerem Beharren bei
dem Vorsatze begleitet sein, seine Nachbarpflicht uneingeschränkt zu erfüllen, als
dies geschehen, als man noch Bewerber um die Krone war. Wenn Serbiens
Erhebung zum Range eines Königreiches zur Stärkung des österreichischen Ein¬
flusses auf dem Gebiete der Balkanstaaten und zu einer dem entsprechenden
Veränderung der Geltung Rußlands unter den Völkern derselben beiträgt, so
wird das zivilisirte Europa sich Glück wünschen können, dem Reifen des Planes,
der Fürst Milan einen Königsthron gab, kein Hindernis bereitet zu haben. Die
neue Majestät hat gewissermaßen einen Vertrauensposten inne, und wenn sie
so intelligent oder so wohl beraten ist, wie man glauben möchte, so wird sie
sich kaum verhehlen können, daß ihr eignes und ihres Volkes Interesse sie
durchaus auf ein freundschaftliches Verhältnis mit der Wiener Regierung und
deren Bundesgenossen in Deutschland hinweist. Schon ein Blick auf die geo¬
graphische Lage Serbiens muß, dünkt uns, die Machthaber in Belgrad über¬
zeugen, daß es notwendig ist, die mitteleuropäischen Kaisermächte mit allen
Mitteln, die zu Gebote stehen, bei dem Glauben zu erhalten, daß sie auf
Serbien unter jedweden Umständen als auf ein befreundetes Land rechnen dürfen.

Die Ansprache, mit welcher König Milan seinem Volke die Veränderung
der serbischen Staatsform verkündet, redet in einem Tone, der etwas zu hoch
gegriffen sein möchte, aber ihr Inhalt entspricht dem soeben Gesagten, wenn es
darin heißt: „Möge der glänzendere Name durch kräftigere Entwicklung der
bürgerlichen Tugenden, immer größere Liebe zur Gesetzlichkeit, zum Fortschritt,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/587>, abgerufen am 26.06.2024.