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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Bakchen und Thyrsosträger.

Eitelkeit ihm auferlegt hatten. Nur eine Sekunde der Überlegung, und er erkannte
die Normen der deutschen Aristokratie wieder als die unverbrüchlichen Gesetze an,
die ihm heilig waren.

Die Comtesse Hyazinth hatte ihrerseits ebensowohl wie der junge Freiherr
eine peinliche Empfindung, als ihr Bräutigam unerwartet eintrat, und sie beeilte
sich, deu Abschied nehmenden Offizier durch eine Frage nach gleichgültigen Dingen
für kurze Zeit aufzuhalten, um das Unvermittelte seines Fortgehens zu mil¬
dern. Sie fragte ihn, ob er den Prinzen von Paroliguae diesen Morgen ge¬
sehen habe.

Er bejahte die Frage. Der Prinz sei mit einem wunderbar schönen Pferde
in der offenen Reitbahn des Regiments gewesen.

Wenn ich nicht irre, fügte der Rittmeister, einem Allgenwinken der Comtesse
Folge gebend, zum Freiherrn von Lovendcil gewendet hinzu, so sprach der Prinz
von Ihrer Absicht, dies Pferd zu kaufen. Ich meine den Rappen. Aber das
Tier sei Ihnen zu heftig.

Ich denke nicht, daß mir das Tier zu heftig ist, erwiederte Amadeus schnell.
Ich schlage vor, liebe Hyazinth, wir reiten morgen zusammen, und wenn der
Herr Graf mit von der Partie sein will, so wird es mir ein Vergnügen sein,
ihm zu zeigen, daß mir nicht leicht ein Pferd zu heftig ist.

Das Vergnügen wird auf meiner Seite sein, erwiederte der Rittmeister.
Zu welcher Zeit befehlen Sie die Partie, gnädigste Comtesse?

Wann kannst du die Pferde schicken, Amadeus? fragte die Comtesse Hyazinth,
indem sie deu Namen "Amadeus" nur mit merklichem Zaudern herausbrachte.

Ich stehe ganz zu deinen Diensten, meine Terre, entgegnete er.

Nun, dann um drei Uhr, sagte sie, so sind wir zum Diner bequem wieder
zu Hause.

Du hast geweint, meine liebste Hyazinth? fragte der Freiherr, sobald der
Rittmeister gegangen war.

Wir wollen nicht darüber sprechen, entgegnete sie. Es passiren zuweilen
Kleinigkeiten, die schon genügen, eine Frau weinen zu machen, ohne daß sie doch
wert wären, einem Manne wiedererzählt zu werden.

Es scheint aber doch, als wüßte der Graf Falkenfcls um solche Kleinig¬
keiten, dachte er, sagte es aber nicht, sondern sprach seine Verwunderung darüber
aus, daß heute, an seines Vaters Geburtstag, niemand von der Familie Hüningen
erschienen sei. Das habe ihn so beunruhigt, daß er sich auf den Weg gemacht
habe, um zu fragen.

Die Comtesse antwortete, daß sie mit ihrem Vater im Begriff gewesen sei,
zur Gratulation zu kommen, als mehrere Besuche sie davon abgehalten hätte".
Sie fürchte fast, es sei um zu spät geworden, denn es sei vier Uhr, und Um
sechs sei ja schon das Diner. Sie denke, ihre herzlichsten Wünsche alsdann dem
Schwiegervater auszusprechen.


Bakchen und Thyrsosträger.

Eitelkeit ihm auferlegt hatten. Nur eine Sekunde der Überlegung, und er erkannte
die Normen der deutschen Aristokratie wieder als die unverbrüchlichen Gesetze an,
die ihm heilig waren.

Die Comtesse Hyazinth hatte ihrerseits ebensowohl wie der junge Freiherr
eine peinliche Empfindung, als ihr Bräutigam unerwartet eintrat, und sie beeilte
sich, deu Abschied nehmenden Offizier durch eine Frage nach gleichgültigen Dingen
für kurze Zeit aufzuhalten, um das Unvermittelte seines Fortgehens zu mil¬
dern. Sie fragte ihn, ob er den Prinzen von Paroliguae diesen Morgen ge¬
sehen habe.

Er bejahte die Frage. Der Prinz sei mit einem wunderbar schönen Pferde
in der offenen Reitbahn des Regiments gewesen.

Wenn ich nicht irre, fügte der Rittmeister, einem Allgenwinken der Comtesse
Folge gebend, zum Freiherrn von Lovendcil gewendet hinzu, so sprach der Prinz
von Ihrer Absicht, dies Pferd zu kaufen. Ich meine den Rappen. Aber das
Tier sei Ihnen zu heftig.

Ich denke nicht, daß mir das Tier zu heftig ist, erwiederte Amadeus schnell.
Ich schlage vor, liebe Hyazinth, wir reiten morgen zusammen, und wenn der
Herr Graf mit von der Partie sein will, so wird es mir ein Vergnügen sein,
ihm zu zeigen, daß mir nicht leicht ein Pferd zu heftig ist.

Das Vergnügen wird auf meiner Seite sein, erwiederte der Rittmeister.
Zu welcher Zeit befehlen Sie die Partie, gnädigste Comtesse?

Wann kannst du die Pferde schicken, Amadeus? fragte die Comtesse Hyazinth,
indem sie deu Namen „Amadeus" nur mit merklichem Zaudern herausbrachte.

Ich stehe ganz zu deinen Diensten, meine Terre, entgegnete er.

Nun, dann um drei Uhr, sagte sie, so sind wir zum Diner bequem wieder
zu Hause.

Du hast geweint, meine liebste Hyazinth? fragte der Freiherr, sobald der
Rittmeister gegangen war.

Wir wollen nicht darüber sprechen, entgegnete sie. Es passiren zuweilen
Kleinigkeiten, die schon genügen, eine Frau weinen zu machen, ohne daß sie doch
wert wären, einem Manne wiedererzählt zu werden.

Es scheint aber doch, als wüßte der Graf Falkenfcls um solche Kleinig¬
keiten, dachte er, sagte es aber nicht, sondern sprach seine Verwunderung darüber
aus, daß heute, an seines Vaters Geburtstag, niemand von der Familie Hüningen
erschienen sei. Das habe ihn so beunruhigt, daß er sich auf den Weg gemacht
habe, um zu fragen.

Die Comtesse antwortete, daß sie mit ihrem Vater im Begriff gewesen sei,
zur Gratulation zu kommen, als mehrere Besuche sie davon abgehalten hätte».
Sie fürchte fast, es sei um zu spät geworden, denn es sei vier Uhr, und Um
sechs sei ja schon das Diner. Sie denke, ihre herzlichsten Wünsche alsdann dem
Schwiegervater auszusprechen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/578>, abgerufen am 26.06.2024.