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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Bakchen und Thyrsosträger.

Von seinein Sockel herab gestiegen ist. Letzthin, im Allianz-Klub, als er sich mit
seinem Vetter, dem Prinzen Parvlignae, begrüßte, hatte er für den Freiherrn von
Lvvendal nnr eine wahrhaft eisige Verbeugung übrig gehabt.

Jetzt, als er den jungen Freiherrn sich seiner Braut nähern sah, grüßte
er wieder durchaus artig, aber auch durchaus kalt und erbat dann von der
Comtesse seinen Abschied,

Der junge Freiherr sah seine Braut an, sah den Rittmeister an und fühlte
einen scharfen Stahl durch seine Brust dringen,

Sie waren sich so ähnlich, dieser Graf und diese Comtesse, sie waren aus
demselben Teig geknetet, von denselben Empfindungen beseelt, sie hatten denselben
Stolz und dieselben Vorurteile.

Comtesse Hyazinth war schlank, sie mochte wohl zwei Finger breit größer
sein als ihr Bräutigam, Sie hatte einen blendenden Teint, Augen wie Vergi߬
meinnicht und das blondeste Haar, hell wie die Kornähren im Angust, In
ihrer ganzen großen Verwandtschaft war kein männlicher Sproß, der nicht das
Schwert trug oder getragen hatte oder die Absicht hatte, es zu tragen, Sie
dienten alle zu Pferd oder zu Fuß ihrem König, und es war keiner unter ihnen,
der jemals Geld erworben hätte, Comtesse Hyazinth selber, das wußte der junge
Freiherr ganz genau, obwohl sie es niemals gesagt hatte, kannte nur einen einzigen
Stand als ehrenwert, und das war der Stand, welcher für das Vaterland siegt
und stirbt.

Als der Freiherr von Lvvendal diese beiden Gestalten neben einander sah,
den stattlichen Anführer einer geharnischten Reiterschaar und das schöne Mädchen,
das er sich oft in seinen Träumen als Walküre über dein Schlachtfeld? schwebend
ausgemalt hatte, da war es ihm, als sei er selbst von ferne her in ein fremdes
Land verirrt gekommen, als habe er unbesonnener Weise den glühenden gelben
Sand und den leuchtenden Himmel seiner Heimat verlassen. Er fühlte in diesen:
schmerzlichen Augenblicke zum erstenmale ganz klar und deutlich, daß kein Äderchen
dieser blonden Kriegsgöttin mit ihm verwandt sei.

Das war schmerzlich, denn er liebte sie.

Der Freiherr von Lvvendal hatte viel Phantasie, Er hatte den gelben
Sand und leuchtenden.Himmel niemals gesehen, aber das blonde Mädchen und
der Neitersührer zwangen ihm die levantinische Heimat auf, er dachte jetzt an den
gepanzerten Schotten, der am Quell unter den Palmen saß und durch seine
grobe, fette Nahrung den Abscheu des reinlichem, weißgekleideten, Datteln essenden
Emirs erregte, er dachte an die spöttische Achtung, womit der Prinz von Parolignae
seiner vornehmen Abstammung gedacht hatte, und empfand jetzt den uralten Abscheu
des Orientalen vor den rohen Schweinefleischcsscrn,

Doch nur für eine kurze Sekunde regte sich in ihm das Blut und der Stolz
seiner Väter, dann gewann die Gewohnheit wieder den Sieg über seine Empfindungen,
und er beugte sich unter das Joch, das der Reichtum seines Vaters und die eigene


Grenzl'olor I. 1S82, 72
Bakchen und Thyrsosträger.

Von seinein Sockel herab gestiegen ist. Letzthin, im Allianz-Klub, als er sich mit
seinem Vetter, dem Prinzen Parvlignae, begrüßte, hatte er für den Freiherrn von
Lvvendal nnr eine wahrhaft eisige Verbeugung übrig gehabt.

Jetzt, als er den jungen Freiherrn sich seiner Braut nähern sah, grüßte
er wieder durchaus artig, aber auch durchaus kalt und erbat dann von der
Comtesse seinen Abschied,

Der junge Freiherr sah seine Braut an, sah den Rittmeister an und fühlte
einen scharfen Stahl durch seine Brust dringen,

Sie waren sich so ähnlich, dieser Graf und diese Comtesse, sie waren aus
demselben Teig geknetet, von denselben Empfindungen beseelt, sie hatten denselben
Stolz und dieselben Vorurteile.

Comtesse Hyazinth war schlank, sie mochte wohl zwei Finger breit größer
sein als ihr Bräutigam, Sie hatte einen blendenden Teint, Augen wie Vergi߬
meinnicht und das blondeste Haar, hell wie die Kornähren im Angust, In
ihrer ganzen großen Verwandtschaft war kein männlicher Sproß, der nicht das
Schwert trug oder getragen hatte oder die Absicht hatte, es zu tragen, Sie
dienten alle zu Pferd oder zu Fuß ihrem König, und es war keiner unter ihnen,
der jemals Geld erworben hätte, Comtesse Hyazinth selber, das wußte der junge
Freiherr ganz genau, obwohl sie es niemals gesagt hatte, kannte nur einen einzigen
Stand als ehrenwert, und das war der Stand, welcher für das Vaterland siegt
und stirbt.

Als der Freiherr von Lvvendal diese beiden Gestalten neben einander sah,
den stattlichen Anführer einer geharnischten Reiterschaar und das schöne Mädchen,
das er sich oft in seinen Träumen als Walküre über dein Schlachtfeld? schwebend
ausgemalt hatte, da war es ihm, als sei er selbst von ferne her in ein fremdes
Land verirrt gekommen, als habe er unbesonnener Weise den glühenden gelben
Sand und den leuchtenden Himmel seiner Heimat verlassen. Er fühlte in diesen:
schmerzlichen Augenblicke zum erstenmale ganz klar und deutlich, daß kein Äderchen
dieser blonden Kriegsgöttin mit ihm verwandt sei.

Das war schmerzlich, denn er liebte sie.

Der Freiherr von Lvvendal hatte viel Phantasie, Er hatte den gelben
Sand und leuchtenden.Himmel niemals gesehen, aber das blonde Mädchen und
der Neitersührer zwangen ihm die levantinische Heimat auf, er dachte jetzt an den
gepanzerten Schotten, der am Quell unter den Palmen saß und durch seine
grobe, fette Nahrung den Abscheu des reinlichem, weißgekleideten, Datteln essenden
Emirs erregte, er dachte an die spöttische Achtung, womit der Prinz von Parolignae
seiner vornehmen Abstammung gedacht hatte, und empfand jetzt den uralten Abscheu
des Orientalen vor den rohen Schweinefleischcsscrn,

Doch nur für eine kurze Sekunde regte sich in ihm das Blut und der Stolz
seiner Väter, dann gewann die Gewohnheit wieder den Sieg über seine Empfindungen,
und er beugte sich unter das Joch, das der Reichtum seines Vaters und die eigene


Grenzl'olor I. 1S82, 72
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[0577] Bakchen und Thyrsosträger. Von seinein Sockel herab gestiegen ist. Letzthin, im Allianz-Klub, als er sich mit seinem Vetter, dem Prinzen Parvlignae, begrüßte, hatte er für den Freiherrn von Lvvendal nnr eine wahrhaft eisige Verbeugung übrig gehabt. Jetzt, als er den jungen Freiherrn sich seiner Braut nähern sah, grüßte er wieder durchaus artig, aber auch durchaus kalt und erbat dann von der Comtesse seinen Abschied, Der junge Freiherr sah seine Braut an, sah den Rittmeister an und fühlte einen scharfen Stahl durch seine Brust dringen, Sie waren sich so ähnlich, dieser Graf und diese Comtesse, sie waren aus demselben Teig geknetet, von denselben Empfindungen beseelt, sie hatten denselben Stolz und dieselben Vorurteile. Comtesse Hyazinth war schlank, sie mochte wohl zwei Finger breit größer sein als ihr Bräutigam, Sie hatte einen blendenden Teint, Augen wie Vergi߬ meinnicht und das blondeste Haar, hell wie die Kornähren im Angust, In ihrer ganzen großen Verwandtschaft war kein männlicher Sproß, der nicht das Schwert trug oder getragen hatte oder die Absicht hatte, es zu tragen, Sie dienten alle zu Pferd oder zu Fuß ihrem König, und es war keiner unter ihnen, der jemals Geld erworben hätte, Comtesse Hyazinth selber, das wußte der junge Freiherr ganz genau, obwohl sie es niemals gesagt hatte, kannte nur einen einzigen Stand als ehrenwert, und das war der Stand, welcher für das Vaterland siegt und stirbt. Als der Freiherr von Lvvendal diese beiden Gestalten neben einander sah, den stattlichen Anführer einer geharnischten Reiterschaar und das schöne Mädchen, das er sich oft in seinen Träumen als Walküre über dein Schlachtfeld? schwebend ausgemalt hatte, da war es ihm, als sei er selbst von ferne her in ein fremdes Land verirrt gekommen, als habe er unbesonnener Weise den glühenden gelben Sand und den leuchtenden Himmel seiner Heimat verlassen. Er fühlte in diesen: schmerzlichen Augenblicke zum erstenmale ganz klar und deutlich, daß kein Äderchen dieser blonden Kriegsgöttin mit ihm verwandt sei. Das war schmerzlich, denn er liebte sie. Der Freiherr von Lvvendal hatte viel Phantasie, Er hatte den gelben Sand und leuchtenden.Himmel niemals gesehen, aber das blonde Mädchen und der Neitersührer zwangen ihm die levantinische Heimat auf, er dachte jetzt an den gepanzerten Schotten, der am Quell unter den Palmen saß und durch seine grobe, fette Nahrung den Abscheu des reinlichem, weißgekleideten, Datteln essenden Emirs erregte, er dachte an die spöttische Achtung, womit der Prinz von Parolignae seiner vornehmen Abstammung gedacht hatte, und empfand jetzt den uralten Abscheu des Orientalen vor den rohen Schweinefleischcsscrn, Doch nur für eine kurze Sekunde regte sich in ihm das Blut und der Stolz seiner Väter, dann gewann die Gewohnheit wieder den Sieg über seine Empfindungen, und er beugte sich unter das Joch, das der Reichtum seines Vaters und die eigene Grenzl'olor I. 1S82, 72

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/577>, abgerufen am 03.07.2024.