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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Glndstono und das GberhlNis,

sichtlich gewählt, nachdem er sich aus dem Adrcßkalcndcr davon überzeugt, daß
der Träger des Namens ein Advokat an demselben Pariser Gerichtshofe sei,
dessen Rat er schildert. Absichtlich hat er ihm anch die Wohnung gegeben, die
der Advokat früher inne hatte. Wenn darin nicht die Absicht liegt, den Ad¬
vokaten zu kränken, so liegt unbedingt darin die bewußte Geltendmachung der
eigenen, angeblich literarischen Interessen ans Kosten des Advokaten, und darum
eine nicht geringere Verschuldung als in der Absicht, zu kränken. Auch in den
oben aus dem römischen Rechte angeführten Fällen wird nicht immer der von
unsern Juristen so sehr betonte !urirnn8 irünrümäi verlangt, namentlich nicht in
dein Falle, daß ein Fischer den andern an der Fischerei ans hohem Meere, daß
einer den andern an der Benutzung der öffentlichen Plätze eigenmächtig verhindert.
Die bewußte Eigenmacht enthält die absichtliche Nichtachtung einer fremden Persön¬
lichkeit, die rücksichtslose Durchführung eigner Interessen unter Verletzung der gleich¬
berechtigten fremden. Dabei kaun keine bürgerliche Ordnung bestehen; an Stelle der
Coexistenzmaxime würde die in Mitteln aller Art nicht wählerische Selbstsucht treten.

In den letzten Jahren machte die Schrift Iherings, worin er den "Kampf
ums Recht" als notwendig hinstellte, die Runde um die Welt; es war ausge¬
führt, daß, wer für das eigne Recht eintritt, die Interessen der gesammten Nechts-
wclt wahrnimmt. Wenn je, so bewährt sich die Richtigkeit dieses Gedankens im
vorliegenden Falle. Gegenüber den Künsten und Listen des realistischen Romans
ist die wissenschaftliche Kritik zu schwach; sie darf die Bundesgenossenschaft des
z, zz. wahrhaften Rechts nicht verschmähen. .




Gladstone und das Oberhaus"

einen war im englischen Parlamente die Adreßdebatte beendigt, als
neben der Schwierigkeit, die wir in der vorigen Nummer dieses
Blattes besprachen, und die jetzt durch eine Erklärung Gladstones
gehoben oder doch weniger bedenklich geworden zu sein scheint, eine
zweite auftauchte, welche die Existenz des liberalen Ministeriums
ebenfalls in Frage zu stellen geeignet war. Wir meinen den Konflikt,
der infolge des Umstandes drohte, daß das Oberhaus den Beschluß gefaßt hatte, eine
Spezinlkommissivn niederzusetzen, welche die Wirkungen der irischen Lamballe unter¬
suchen und zu diesem Zwecke befugt sein sollte, Zeugen vorzuladen und zu vereidigen.

Ehe wir die Sache weiter verfolgen, erinnern wir kurz an den Charakter
und das Recht des Oberhauses. Dasselbe war ursprünglich eine Versammlung
der territorialen Aristokratie der drei vereinigten Reiche Großbritannien und
Irland, deren Vertreter lediglich kraft ihres' Gebnrtsrechtes Sitze im Hause
einnahmen. Später aber und besonders seit Georg dem Dritten nahm es einen
volkstümlichen Charakter an, indem die Krone sich ihres Rechtes bediente, die
Versammlung durch verdiente Männer zu ergänzen, und indem außer solchen,


Glndstono und das GberhlNis,

sichtlich gewählt, nachdem er sich aus dem Adrcßkalcndcr davon überzeugt, daß
der Träger des Namens ein Advokat an demselben Pariser Gerichtshofe sei,
dessen Rat er schildert. Absichtlich hat er ihm anch die Wohnung gegeben, die
der Advokat früher inne hatte. Wenn darin nicht die Absicht liegt, den Ad¬
vokaten zu kränken, so liegt unbedingt darin die bewußte Geltendmachung der
eigenen, angeblich literarischen Interessen ans Kosten des Advokaten, und darum
eine nicht geringere Verschuldung als in der Absicht, zu kränken. Auch in den
oben aus dem römischen Rechte angeführten Fällen wird nicht immer der von
unsern Juristen so sehr betonte !urirnn8 irünrümäi verlangt, namentlich nicht in
dein Falle, daß ein Fischer den andern an der Fischerei ans hohem Meere, daß
einer den andern an der Benutzung der öffentlichen Plätze eigenmächtig verhindert.
Die bewußte Eigenmacht enthält die absichtliche Nichtachtung einer fremden Persön¬
lichkeit, die rücksichtslose Durchführung eigner Interessen unter Verletzung der gleich¬
berechtigten fremden. Dabei kaun keine bürgerliche Ordnung bestehen; an Stelle der
Coexistenzmaxime würde die in Mitteln aller Art nicht wählerische Selbstsucht treten.

In den letzten Jahren machte die Schrift Iherings, worin er den „Kampf
ums Recht" als notwendig hinstellte, die Runde um die Welt; es war ausge¬
führt, daß, wer für das eigne Recht eintritt, die Interessen der gesammten Nechts-
wclt wahrnimmt. Wenn je, so bewährt sich die Richtigkeit dieses Gedankens im
vorliegenden Falle. Gegenüber den Künsten und Listen des realistischen Romans
ist die wissenschaftliche Kritik zu schwach; sie darf die Bundesgenossenschaft des
z, zz. wahrhaften Rechts nicht verschmähen. .




Gladstone und das Oberhaus»

einen war im englischen Parlamente die Adreßdebatte beendigt, als
neben der Schwierigkeit, die wir in der vorigen Nummer dieses
Blattes besprachen, und die jetzt durch eine Erklärung Gladstones
gehoben oder doch weniger bedenklich geworden zu sein scheint, eine
zweite auftauchte, welche die Existenz des liberalen Ministeriums
ebenfalls in Frage zu stellen geeignet war. Wir meinen den Konflikt,
der infolge des Umstandes drohte, daß das Oberhaus den Beschluß gefaßt hatte, eine
Spezinlkommissivn niederzusetzen, welche die Wirkungen der irischen Lamballe unter¬
suchen und zu diesem Zwecke befugt sein sollte, Zeugen vorzuladen und zu vereidigen.

Ehe wir die Sache weiter verfolgen, erinnern wir kurz an den Charakter
und das Recht des Oberhauses. Dasselbe war ursprünglich eine Versammlung
der territorialen Aristokratie der drei vereinigten Reiche Großbritannien und
Irland, deren Vertreter lediglich kraft ihres' Gebnrtsrechtes Sitze im Hause
einnahmen. Später aber und besonders seit Georg dem Dritten nahm es einen
volkstümlichen Charakter an, indem die Krone sich ihres Rechtes bediente, die
Versammlung durch verdiente Männer zu ergänzen, und indem außer solchen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/571>, abgerufen am 26.06.2024.