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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Dnvcrdy contra Zola.

Aber die Frage ist falsch gestellt. Es handelt sich nicht um die Verwen¬
dung eines fremden Namens, sonder" um die Verwendung desselben in einer
ganz bestimmten Weise, zu einem bestimmten Zwecke.

Die Zwecke können verschieden sein. Über den einen Zweck hat die deutsche
Judieatur bereits endgiltig gesprochen, und da der Prozeß gleichfalls ein lite¬
rarisches Werk betrifft, so erwähne ich seiner mit einigen Worten. Als Wilhelm
Hauff seinen "Mann im Monde" in der süßlich-frivolen Manier Clanrens ver¬
faßt und unter diesem Namen publizirt hatte, so strengte Clauren gegen den
Verleger des Hauffschen Opus einen Prozeß an und gewann ihn endgiltig. Denn
wenngleich die Absicht Hanffs dahin ging, dem Claureuschen Lesepublikum den
Beweis zu liefern, daß die Claurenschen Arbeiten nichts als Machwerke seien,
allesammt nach einem bestimmten Rezepte, und zwar nach einem liederlichen an¬
gefertigt, allesammt so wenig originell in Anlage und Ausführung, daß es einem
angehenden, jugendlichen Schriftsteller von Geschicklichkeit und mit gutem Willen
möglich sei, die Claurenschen Leser glauben zu machen, sie hätten ein Werk ihres
Meisters in Händen, so haben doch die deutschen Gerichte ein solches Verfahre"
für unzulässig erklärt. So sittlich rein auch die Absichten Hauffs gewesen waren,
so suchte er sie doch mit einer Täuschung der Leser durchzuführen; er bot ihnen
ein Werk als ein Claurensches dar, während es eine bloße Imitation war. Aber
auch wenn der "Mann im Monde" gar keine Leser gefunden Hütte, wenn kein
einziges Exemplar verkauft worden wäre, so hätte doch der Prozeß zu Gunsten
Claurens entschieden werden müssen; denn die bloße Publikation eines Buches
unter dem Namen eines fremden Schriftstellers oder selbst unter dem einem
fremden Schriftsteller feststehend zukommenden Pseudonym enthält denselben Mi߬
brauch, dessen sich ein Kaufmann schuldig macht, welcher seiue Waare unter der
Marke eines andern Kaufmanns in die Handelswelt hinausschickt. Wir haben
1877 ein Gesetz über den Markenschutz erhalten, welches das Recht an der kauf¬
männischen Marke allseitig bestimmt; was die Marke bei der kaufmännischen
Waare bedeutet, das besagt der Name bei einem literarischen Erzeugnis, beide
verkündigen die Autorschaft.

Also der Gebrauch eines fremden Namens ist nicht schlechthin rechtlich un¬
zulässig; auf den Zweck kommt es an, der mit dem Gebrauch des fremden Na¬
mens verbunden wird. Ist dieser sittlich billigcnswcrt oder auch nur unver¬
werflich, so liegt keine Rechtswidrigkeit vor. Wäre es anders, in welcher Lage
würden sich unsre Lustspieldichter befinden, welche tagtäglich Personen unter
fremden Namen einführen! Und was auf der Schaubühne geschieht, soll das
Abbild des wirklichen Lebens sein.

Der Zweck Zolas war, den fremden Namen bei der Darstellung eines ab¬
gefeimten Schurken zu verwenden, eines Menschen, der um so verächtlicher und
verbrecherischer erscheint, als er kraft seines Berufs verpflichtet ist, die Übel¬
thäter zu bewältigen, das Recht zum Siege zu führen. Wenn der Vertreter


Ärcuzlwlcu 1. 1882. 71
Dnvcrdy contra Zola.

Aber die Frage ist falsch gestellt. Es handelt sich nicht um die Verwen¬
dung eines fremden Namens, sonder» um die Verwendung desselben in einer
ganz bestimmten Weise, zu einem bestimmten Zwecke.

Die Zwecke können verschieden sein. Über den einen Zweck hat die deutsche
Judieatur bereits endgiltig gesprochen, und da der Prozeß gleichfalls ein lite¬
rarisches Werk betrifft, so erwähne ich seiner mit einigen Worten. Als Wilhelm
Hauff seinen „Mann im Monde" in der süßlich-frivolen Manier Clanrens ver¬
faßt und unter diesem Namen publizirt hatte, so strengte Clauren gegen den
Verleger des Hauffschen Opus einen Prozeß an und gewann ihn endgiltig. Denn
wenngleich die Absicht Hanffs dahin ging, dem Claureuschen Lesepublikum den
Beweis zu liefern, daß die Claurenschen Arbeiten nichts als Machwerke seien,
allesammt nach einem bestimmten Rezepte, und zwar nach einem liederlichen an¬
gefertigt, allesammt so wenig originell in Anlage und Ausführung, daß es einem
angehenden, jugendlichen Schriftsteller von Geschicklichkeit und mit gutem Willen
möglich sei, die Claurenschen Leser glauben zu machen, sie hätten ein Werk ihres
Meisters in Händen, so haben doch die deutschen Gerichte ein solches Verfahre»
für unzulässig erklärt. So sittlich rein auch die Absichten Hauffs gewesen waren,
so suchte er sie doch mit einer Täuschung der Leser durchzuführen; er bot ihnen
ein Werk als ein Claurensches dar, während es eine bloße Imitation war. Aber
auch wenn der „Mann im Monde" gar keine Leser gefunden Hütte, wenn kein
einziges Exemplar verkauft worden wäre, so hätte doch der Prozeß zu Gunsten
Claurens entschieden werden müssen; denn die bloße Publikation eines Buches
unter dem Namen eines fremden Schriftstellers oder selbst unter dem einem
fremden Schriftsteller feststehend zukommenden Pseudonym enthält denselben Mi߬
brauch, dessen sich ein Kaufmann schuldig macht, welcher seiue Waare unter der
Marke eines andern Kaufmanns in die Handelswelt hinausschickt. Wir haben
1877 ein Gesetz über den Markenschutz erhalten, welches das Recht an der kauf¬
männischen Marke allseitig bestimmt; was die Marke bei der kaufmännischen
Waare bedeutet, das besagt der Name bei einem literarischen Erzeugnis, beide
verkündigen die Autorschaft.

Also der Gebrauch eines fremden Namens ist nicht schlechthin rechtlich un¬
zulässig; auf den Zweck kommt es an, der mit dem Gebrauch des fremden Na¬
mens verbunden wird. Ist dieser sittlich billigcnswcrt oder auch nur unver¬
werflich, so liegt keine Rechtswidrigkeit vor. Wäre es anders, in welcher Lage
würden sich unsre Lustspieldichter befinden, welche tagtäglich Personen unter
fremden Namen einführen! Und was auf der Schaubühne geschieht, soll das
Abbild des wirklichen Lebens sein.

Der Zweck Zolas war, den fremden Namen bei der Darstellung eines ab¬
gefeimten Schurken zu verwenden, eines Menschen, der um so verächtlicher und
verbrecherischer erscheint, als er kraft seines Berufs verpflichtet ist, die Übel¬
thäter zu bewältigen, das Recht zum Siege zu führen. Wenn der Vertreter


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[0569] Dnvcrdy contra Zola. Aber die Frage ist falsch gestellt. Es handelt sich nicht um die Verwen¬ dung eines fremden Namens, sonder» um die Verwendung desselben in einer ganz bestimmten Weise, zu einem bestimmten Zwecke. Die Zwecke können verschieden sein. Über den einen Zweck hat die deutsche Judieatur bereits endgiltig gesprochen, und da der Prozeß gleichfalls ein lite¬ rarisches Werk betrifft, so erwähne ich seiner mit einigen Worten. Als Wilhelm Hauff seinen „Mann im Monde" in der süßlich-frivolen Manier Clanrens ver¬ faßt und unter diesem Namen publizirt hatte, so strengte Clauren gegen den Verleger des Hauffschen Opus einen Prozeß an und gewann ihn endgiltig. Denn wenngleich die Absicht Hanffs dahin ging, dem Claureuschen Lesepublikum den Beweis zu liefern, daß die Claurenschen Arbeiten nichts als Machwerke seien, allesammt nach einem bestimmten Rezepte, und zwar nach einem liederlichen an¬ gefertigt, allesammt so wenig originell in Anlage und Ausführung, daß es einem angehenden, jugendlichen Schriftsteller von Geschicklichkeit und mit gutem Willen möglich sei, die Claurenschen Leser glauben zu machen, sie hätten ein Werk ihres Meisters in Händen, so haben doch die deutschen Gerichte ein solches Verfahre» für unzulässig erklärt. So sittlich rein auch die Absichten Hauffs gewesen waren, so suchte er sie doch mit einer Täuschung der Leser durchzuführen; er bot ihnen ein Werk als ein Claurensches dar, während es eine bloße Imitation war. Aber auch wenn der „Mann im Monde" gar keine Leser gefunden Hütte, wenn kein einziges Exemplar verkauft worden wäre, so hätte doch der Prozeß zu Gunsten Claurens entschieden werden müssen; denn die bloße Publikation eines Buches unter dem Namen eines fremden Schriftstellers oder selbst unter dem einem fremden Schriftsteller feststehend zukommenden Pseudonym enthält denselben Mi߬ brauch, dessen sich ein Kaufmann schuldig macht, welcher seiue Waare unter der Marke eines andern Kaufmanns in die Handelswelt hinausschickt. Wir haben 1877 ein Gesetz über den Markenschutz erhalten, welches das Recht an der kauf¬ männischen Marke allseitig bestimmt; was die Marke bei der kaufmännischen Waare bedeutet, das besagt der Name bei einem literarischen Erzeugnis, beide verkündigen die Autorschaft. Also der Gebrauch eines fremden Namens ist nicht schlechthin rechtlich un¬ zulässig; auf den Zweck kommt es an, der mit dem Gebrauch des fremden Na¬ mens verbunden wird. Ist dieser sittlich billigcnswcrt oder auch nur unver¬ werflich, so liegt keine Rechtswidrigkeit vor. Wäre es anders, in welcher Lage würden sich unsre Lustspieldichter befinden, welche tagtäglich Personen unter fremden Namen einführen! Und was auf der Schaubühne geschieht, soll das Abbild des wirklichen Lebens sein. Der Zweck Zolas war, den fremden Namen bei der Darstellung eines ab¬ gefeimten Schurken zu verwenden, eines Menschen, der um so verächtlicher und verbrecherischer erscheint, als er kraft seines Berufs verpflichtet ist, die Übel¬ thäter zu bewältigen, das Recht zum Siege zu führen. Wenn der Vertreter Ärcuzlwlcu 1. 1882. 71

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/569>, abgerufen am 26.06.2024.