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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Duverdy contr-r Zola.

In den Zeitungsreferaten über den Pariser Prozeß war fast durchgängig
die Frage so gestellt: Giebt es ein Recht auf den Namen? Und darüber wurde
hin und her gestritten. Der Advokat Zolas verneinte das natürlich; auf hohem
Kothurn schreitend erklärte er, in der Bejahung dieses Rechts liege eine Beein¬
trächtigung der Freiheit des Dichters. Ich denke, Zola hat ein solches Maß
von dichterischer Freiheit, und dies "ach so vielen Richtungen hin, für sich in
Anspruch genommen, daß es ihm besser anstünde, im Gerichtssaal davon zu
schweigen. Die dichterische Freiheit ist kein Objekt, zu dessen Maßbestimmung
man sich dadurch qualifizirt, daß man eine Reihe von Jahren das Lorxus
iuris oder den OoÄs oder das Preußische Landrecht theoretisch studirt und praktisch
angewendet hat. Ein Gericht ist anders zusammengesetzt als eine Kommission,
die einen Stacitsprcis für das beste literarische Werk der letzten fünf Jahre zu
verteilen hat. Aber auch abgesehen hiervon ist doch die Freiheit des Dichters
nicht schrankenlos; uicht im Wahnsinn, sondern im holden Wahnsinn rollt sein
Auge; darin spricht der große Dramatiker aus, daß die dichterische Freiheit in
sich selbst ihre Schranke finde, daß sie unfähig sei zu verbrecherischer Hand¬
lung, daß, wo eine solche vorliegt, sie nicht mit der dichterischen Freiheit gedeckt
werden dürfe.

Das möchte ich Zola und seinem gerichtlichen Vertreter in Erinnerung
bringen, daß der Dichter der bürgerlichen Gesellschaft angehört, daß er in steter
Berührung und Wechselwirkung mit ihr bleiben muß, daß aber dies einen ge¬
meinsamen Rechtsboden voraussetzt, einen Rechtsboden, der dem Dichter keine
höhere Stellung anweist als dem Bürger. Was auch Emil Zola schreiben mag,
ihm ziemt es nicht, sich unter die dichterische Freiheit zu flüchten und sich
hier zu isoliren. Geben wir sie ihm hier zu, so wird er nächstens irgend eine
andere Handlung, die mit dem Schreiben nichts zu thun hat, mit seiner beson¬
ders privilegirten Stellung als Dichter rechtfertigen.

So wie die Frage gestellt ist, d. h. wenn es sich lediglich darum handelte,
ob jemand ein ausschließliches Recht auf seinen Namen habe, würde ich sie ohne
Bedenken verneinen, und zwar ohne daß es der Bezugnahme auf dichterische
Freiheit bedarf. Es giebt kein ausschließliches Recht auf den Namen, einfach
aus dem Grunde, weil thatsächlich derselbe Name oft genug einer Mehrheit von
Menschen, die nicht von derselben Familie sind, angehört. Das deutsche Volk
hat seine Müller und Schulze, das englische seine Smith, das französische seine
Duval in einer Unzahl von Vertretern. Unser deutsches Handelsgesetzbuch war
gerade deshalb genötigt, nicht einmal hinsichtlich der Firma ein voll ausschließliches
Recht anzuerkennen. Bloß an demselben Orte oder in derselben Gemeinde darf
jemand, der den Vor- und Zunamen eines bereits etablirten Kaufmanns trägt,
seine Firma nicht schlechthin aus Vor- und Zunamen komponiren, er muß ihr vielmehr
einen Zusatz geben, welcher die neue Firma von der alten unterscheidet; an einem
andern Orte, in einer andern Gemeinde bedarf es eines solchen Zusatzes nicht.


Duverdy contr-r Zola.

In den Zeitungsreferaten über den Pariser Prozeß war fast durchgängig
die Frage so gestellt: Giebt es ein Recht auf den Namen? Und darüber wurde
hin und her gestritten. Der Advokat Zolas verneinte das natürlich; auf hohem
Kothurn schreitend erklärte er, in der Bejahung dieses Rechts liege eine Beein¬
trächtigung der Freiheit des Dichters. Ich denke, Zola hat ein solches Maß
von dichterischer Freiheit, und dies »ach so vielen Richtungen hin, für sich in
Anspruch genommen, daß es ihm besser anstünde, im Gerichtssaal davon zu
schweigen. Die dichterische Freiheit ist kein Objekt, zu dessen Maßbestimmung
man sich dadurch qualifizirt, daß man eine Reihe von Jahren das Lorxus
iuris oder den OoÄs oder das Preußische Landrecht theoretisch studirt und praktisch
angewendet hat. Ein Gericht ist anders zusammengesetzt als eine Kommission,
die einen Stacitsprcis für das beste literarische Werk der letzten fünf Jahre zu
verteilen hat. Aber auch abgesehen hiervon ist doch die Freiheit des Dichters
nicht schrankenlos; uicht im Wahnsinn, sondern im holden Wahnsinn rollt sein
Auge; darin spricht der große Dramatiker aus, daß die dichterische Freiheit in
sich selbst ihre Schranke finde, daß sie unfähig sei zu verbrecherischer Hand¬
lung, daß, wo eine solche vorliegt, sie nicht mit der dichterischen Freiheit gedeckt
werden dürfe.

Das möchte ich Zola und seinem gerichtlichen Vertreter in Erinnerung
bringen, daß der Dichter der bürgerlichen Gesellschaft angehört, daß er in steter
Berührung und Wechselwirkung mit ihr bleiben muß, daß aber dies einen ge¬
meinsamen Rechtsboden voraussetzt, einen Rechtsboden, der dem Dichter keine
höhere Stellung anweist als dem Bürger. Was auch Emil Zola schreiben mag,
ihm ziemt es nicht, sich unter die dichterische Freiheit zu flüchten und sich
hier zu isoliren. Geben wir sie ihm hier zu, so wird er nächstens irgend eine
andere Handlung, die mit dem Schreiben nichts zu thun hat, mit seiner beson¬
ders privilegirten Stellung als Dichter rechtfertigen.

So wie die Frage gestellt ist, d. h. wenn es sich lediglich darum handelte,
ob jemand ein ausschließliches Recht auf seinen Namen habe, würde ich sie ohne
Bedenken verneinen, und zwar ohne daß es der Bezugnahme auf dichterische
Freiheit bedarf. Es giebt kein ausschließliches Recht auf den Namen, einfach
aus dem Grunde, weil thatsächlich derselbe Name oft genug einer Mehrheit von
Menschen, die nicht von derselben Familie sind, angehört. Das deutsche Volk
hat seine Müller und Schulze, das englische seine Smith, das französische seine
Duval in einer Unzahl von Vertretern. Unser deutsches Handelsgesetzbuch war
gerade deshalb genötigt, nicht einmal hinsichtlich der Firma ein voll ausschließliches
Recht anzuerkennen. Bloß an demselben Orte oder in derselben Gemeinde darf
jemand, der den Vor- und Zunamen eines bereits etablirten Kaufmanns trägt,
seine Firma nicht schlechthin aus Vor- und Zunamen komponiren, er muß ihr vielmehr
einen Zusatz geben, welcher die neue Firma von der alten unterscheidet; an einem
andern Orte, in einer andern Gemeinde bedarf es eines solchen Zusatzes nicht.


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[0568] Duverdy contr-r Zola. In den Zeitungsreferaten über den Pariser Prozeß war fast durchgängig die Frage so gestellt: Giebt es ein Recht auf den Namen? Und darüber wurde hin und her gestritten. Der Advokat Zolas verneinte das natürlich; auf hohem Kothurn schreitend erklärte er, in der Bejahung dieses Rechts liege eine Beein¬ trächtigung der Freiheit des Dichters. Ich denke, Zola hat ein solches Maß von dichterischer Freiheit, und dies »ach so vielen Richtungen hin, für sich in Anspruch genommen, daß es ihm besser anstünde, im Gerichtssaal davon zu schweigen. Die dichterische Freiheit ist kein Objekt, zu dessen Maßbestimmung man sich dadurch qualifizirt, daß man eine Reihe von Jahren das Lorxus iuris oder den OoÄs oder das Preußische Landrecht theoretisch studirt und praktisch angewendet hat. Ein Gericht ist anders zusammengesetzt als eine Kommission, die einen Stacitsprcis für das beste literarische Werk der letzten fünf Jahre zu verteilen hat. Aber auch abgesehen hiervon ist doch die Freiheit des Dichters nicht schrankenlos; uicht im Wahnsinn, sondern im holden Wahnsinn rollt sein Auge; darin spricht der große Dramatiker aus, daß die dichterische Freiheit in sich selbst ihre Schranke finde, daß sie unfähig sei zu verbrecherischer Hand¬ lung, daß, wo eine solche vorliegt, sie nicht mit der dichterischen Freiheit gedeckt werden dürfe. Das möchte ich Zola und seinem gerichtlichen Vertreter in Erinnerung bringen, daß der Dichter der bürgerlichen Gesellschaft angehört, daß er in steter Berührung und Wechselwirkung mit ihr bleiben muß, daß aber dies einen ge¬ meinsamen Rechtsboden voraussetzt, einen Rechtsboden, der dem Dichter keine höhere Stellung anweist als dem Bürger. Was auch Emil Zola schreiben mag, ihm ziemt es nicht, sich unter die dichterische Freiheit zu flüchten und sich hier zu isoliren. Geben wir sie ihm hier zu, so wird er nächstens irgend eine andere Handlung, die mit dem Schreiben nichts zu thun hat, mit seiner beson¬ ders privilegirten Stellung als Dichter rechtfertigen. So wie die Frage gestellt ist, d. h. wenn es sich lediglich darum handelte, ob jemand ein ausschließliches Recht auf seinen Namen habe, würde ich sie ohne Bedenken verneinen, und zwar ohne daß es der Bezugnahme auf dichterische Freiheit bedarf. Es giebt kein ausschließliches Recht auf den Namen, einfach aus dem Grunde, weil thatsächlich derselbe Name oft genug einer Mehrheit von Menschen, die nicht von derselben Familie sind, angehört. Das deutsche Volk hat seine Müller und Schulze, das englische seine Smith, das französische seine Duval in einer Unzahl von Vertretern. Unser deutsches Handelsgesetzbuch war gerade deshalb genötigt, nicht einmal hinsichtlich der Firma ein voll ausschließliches Recht anzuerkennen. Bloß an demselben Orte oder in derselben Gemeinde darf jemand, der den Vor- und Zunamen eines bereits etablirten Kaufmanns trägt, seine Firma nicht schlechthin aus Vor- und Zunamen komponiren, er muß ihr vielmehr einen Zusatz geben, welcher die neue Firma von der alten unterscheidet; an einem andern Orte, in einer andern Gemeinde bedarf es eines solchen Zusatzes nicht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/568>, abgerufen am 26.06.2024.