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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Neue Klassikerausgabcn,

Wem macht denn die Cottasche Buchhandlung hier Vorwürfe? Wer ist denn
schuld daran, daß es dem deutschen Volke jahrzehntelang nicht "gegönnt gewesen,"
anständige und zugleich wohlfeile Ausgaben seiner großen Dichter zu besitzen?
Wer anders als die Cottasche Buchhandlung? Hatte sie nicht bereits vor zwanzig,
dreißig Jahren allen Grund, der "Ehrenpflicht gegen ihre großen Autoren nach¬
zukommen" und "das langjährige Verlangen des deutschen Volkes zu erfüllen?"
Wer hat es ihr dem? verwehrt?

Es ist nnn ziemlich dreißig Jahre her, da begann die Cottasche Buchhandlung
ein ganz ähnliches Unternehmen wie jetzt wieder mit ihrer "Bibliothek der Welt¬
literatur," In dreihundert Lieferungen gab sie von 1853--58, zum Teil in
Verbindung mit der Göschenschcn Verlagshandlung, welche einzelne ihrer Ver-
lagsartikel beisteuerte, eine Serie "Deutscher Klassiker" heraus. Es war das
jene Sammlung, aus der die bekannte vierzigbändigc Goetheausgabe, die zwölf¬
bändige Schilleransgabe, die zehnbändigen Klopstock- und Lessingausgaben und
die sechsunddreißigbändige Wielcmdausgabe stammen, mit der das berühmte
Cottasche "Schillerformat" erfunden wurde und aus der die Literarhistoriker
zu ihrem Erstaunen erfuhren, daß auch Johann LadiSlav Pyrker ein "deutscher
Klassiker" sei. An diese Sammlung schloß sich 1859 und 1860 unter dem
Titel "Deutsche Volksbibliothek" eine zweite von hundert Lieferungen, 1861 und
1862 unter demselben Titel eine dritte von Hundertachtzchn Lieferungen an.
Da rückten Hippel, Houwald, Iffland, Jünger, Pfeffel, Steigentesch und andre
Größen an; alles, was der Cottasche und der Göschcnsche Verlag nur irgend
von Büchern auszuweisen hatten, die in einer "Deutschen Volksbibliothck" sich unter¬
bringen ließen, das wurde mobil gemacht und in die Uniform des "Schiller¬
formates" gesteckt. Ans dieser Zeit schreibt sich das Unglück her, daß man keinen
antiquarischen Katalog und keinen Auktionskatalog mehr in die Hände bekommt,
worin einem nicht sofort auf der ersten Seite Alxiugers "Vlivmberis" in die
Augen fiele. Die Cottasche Verlagshandlung ließ sich damals durch alle drei
Serien für jede Lieferung vierzig Pfennige oder, wie es damals hieß, "vier Neu-
groschen" bezahle". Unter jedem der drei Unternehmen aber stand: "Einzelne
Autoren und Bände werde" nicht abgegeben."

Nun bedenke man folgendes. Ein Band der neuen Cottaschen Bibliothek
umfaßt mindestens soviel wie in der Bibliothek aus den fünfziger Jahren zwei
Lieferungen. Jene Lieferungen aber wurden broschirt ausgegeben, die Bände
der neuen Sammlung gebunden, und zwar in einem Bande, der auch in der
Masse schwerlich unter zwanzig Pfennigen herzustellen sein wird, denn die Lein¬
wand ist nicht die schlechteste, und die Bogen sind nicht bloß eingeklebt, sondern
wirklich eingeheftet, wenn auch nur ans zwei Bünde, während im übrigen der Buch¬
binder sich mit Säge und Leim begnügt hat. Ferner sind Papier und Druck
in der neuen Ausgabe unvergleichlich viel besser als in der damaligen. Außer¬
dem ersparte man in jenen glücklichen Zeiten, wo noch "des durchlauchtigsten


Neue Klassikerausgabcn,

Wem macht denn die Cottasche Buchhandlung hier Vorwürfe? Wer ist denn
schuld daran, daß es dem deutschen Volke jahrzehntelang nicht „gegönnt gewesen,"
anständige und zugleich wohlfeile Ausgaben seiner großen Dichter zu besitzen?
Wer anders als die Cottasche Buchhandlung? Hatte sie nicht bereits vor zwanzig,
dreißig Jahren allen Grund, der „Ehrenpflicht gegen ihre großen Autoren nach¬
zukommen" und „das langjährige Verlangen des deutschen Volkes zu erfüllen?"
Wer hat es ihr dem? verwehrt?

Es ist nnn ziemlich dreißig Jahre her, da begann die Cottasche Buchhandlung
ein ganz ähnliches Unternehmen wie jetzt wieder mit ihrer „Bibliothek der Welt¬
literatur," In dreihundert Lieferungen gab sie von 1853—58, zum Teil in
Verbindung mit der Göschenschcn Verlagshandlung, welche einzelne ihrer Ver-
lagsartikel beisteuerte, eine Serie „Deutscher Klassiker" heraus. Es war das
jene Sammlung, aus der die bekannte vierzigbändigc Goetheausgabe, die zwölf¬
bändige Schilleransgabe, die zehnbändigen Klopstock- und Lessingausgaben und
die sechsunddreißigbändige Wielcmdausgabe stammen, mit der das berühmte
Cottasche „Schillerformat" erfunden wurde und aus der die Literarhistoriker
zu ihrem Erstaunen erfuhren, daß auch Johann LadiSlav Pyrker ein „deutscher
Klassiker" sei. An diese Sammlung schloß sich 1859 und 1860 unter dem
Titel „Deutsche Volksbibliothek" eine zweite von hundert Lieferungen, 1861 und
1862 unter demselben Titel eine dritte von Hundertachtzchn Lieferungen an.
Da rückten Hippel, Houwald, Iffland, Jünger, Pfeffel, Steigentesch und andre
Größen an; alles, was der Cottasche und der Göschcnsche Verlag nur irgend
von Büchern auszuweisen hatten, die in einer „Deutschen Volksbibliothck" sich unter¬
bringen ließen, das wurde mobil gemacht und in die Uniform des „Schiller¬
formates" gesteckt. Ans dieser Zeit schreibt sich das Unglück her, daß man keinen
antiquarischen Katalog und keinen Auktionskatalog mehr in die Hände bekommt,
worin einem nicht sofort auf der ersten Seite Alxiugers „Vlivmberis" in die
Augen fiele. Die Cottasche Verlagshandlung ließ sich damals durch alle drei
Serien für jede Lieferung vierzig Pfennige oder, wie es damals hieß, „vier Neu-
groschen" bezahle». Unter jedem der drei Unternehmen aber stand: „Einzelne
Autoren und Bände werde» nicht abgegeben."

Nun bedenke man folgendes. Ein Band der neuen Cottaschen Bibliothek
umfaßt mindestens soviel wie in der Bibliothek aus den fünfziger Jahren zwei
Lieferungen. Jene Lieferungen aber wurden broschirt ausgegeben, die Bände
der neuen Sammlung gebunden, und zwar in einem Bande, der auch in der
Masse schwerlich unter zwanzig Pfennigen herzustellen sein wird, denn die Lein¬
wand ist nicht die schlechteste, und die Bogen sind nicht bloß eingeklebt, sondern
wirklich eingeheftet, wenn auch nur ans zwei Bünde, während im übrigen der Buch¬
binder sich mit Säge und Leim begnügt hat. Ferner sind Papier und Druck
in der neuen Ausgabe unvergleichlich viel besser als in der damaligen. Außer¬
dem ersparte man in jenen glücklichen Zeiten, wo noch „des durchlauchtigsten


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[0563] Neue Klassikerausgabcn, Wem macht denn die Cottasche Buchhandlung hier Vorwürfe? Wer ist denn schuld daran, daß es dem deutschen Volke jahrzehntelang nicht „gegönnt gewesen," anständige und zugleich wohlfeile Ausgaben seiner großen Dichter zu besitzen? Wer anders als die Cottasche Buchhandlung? Hatte sie nicht bereits vor zwanzig, dreißig Jahren allen Grund, der „Ehrenpflicht gegen ihre großen Autoren nach¬ zukommen" und „das langjährige Verlangen des deutschen Volkes zu erfüllen?" Wer hat es ihr dem? verwehrt? Es ist nnn ziemlich dreißig Jahre her, da begann die Cottasche Buchhandlung ein ganz ähnliches Unternehmen wie jetzt wieder mit ihrer „Bibliothek der Welt¬ literatur," In dreihundert Lieferungen gab sie von 1853—58, zum Teil in Verbindung mit der Göschenschcn Verlagshandlung, welche einzelne ihrer Ver- lagsartikel beisteuerte, eine Serie „Deutscher Klassiker" heraus. Es war das jene Sammlung, aus der die bekannte vierzigbändigc Goetheausgabe, die zwölf¬ bändige Schilleransgabe, die zehnbändigen Klopstock- und Lessingausgaben und die sechsunddreißigbändige Wielcmdausgabe stammen, mit der das berühmte Cottasche „Schillerformat" erfunden wurde und aus der die Literarhistoriker zu ihrem Erstaunen erfuhren, daß auch Johann LadiSlav Pyrker ein „deutscher Klassiker" sei. An diese Sammlung schloß sich 1859 und 1860 unter dem Titel „Deutsche Volksbibliothek" eine zweite von hundert Lieferungen, 1861 und 1862 unter demselben Titel eine dritte von Hundertachtzchn Lieferungen an. Da rückten Hippel, Houwald, Iffland, Jünger, Pfeffel, Steigentesch und andre Größen an; alles, was der Cottasche und der Göschcnsche Verlag nur irgend von Büchern auszuweisen hatten, die in einer „Deutschen Volksbibliothck" sich unter¬ bringen ließen, das wurde mobil gemacht und in die Uniform des „Schiller¬ formates" gesteckt. Ans dieser Zeit schreibt sich das Unglück her, daß man keinen antiquarischen Katalog und keinen Auktionskatalog mehr in die Hände bekommt, worin einem nicht sofort auf der ersten Seite Alxiugers „Vlivmberis" in die Augen fiele. Die Cottasche Verlagshandlung ließ sich damals durch alle drei Serien für jede Lieferung vierzig Pfennige oder, wie es damals hieß, „vier Neu- groschen" bezahle». Unter jedem der drei Unternehmen aber stand: „Einzelne Autoren und Bände werde» nicht abgegeben." Nun bedenke man folgendes. Ein Band der neuen Cottaschen Bibliothek umfaßt mindestens soviel wie in der Bibliothek aus den fünfziger Jahren zwei Lieferungen. Jene Lieferungen aber wurden broschirt ausgegeben, die Bände der neuen Sammlung gebunden, und zwar in einem Bande, der auch in der Masse schwerlich unter zwanzig Pfennigen herzustellen sein wird, denn die Lein¬ wand ist nicht die schlechteste, und die Bogen sind nicht bloß eingeklebt, sondern wirklich eingeheftet, wenn auch nur ans zwei Bünde, während im übrigen der Buch¬ binder sich mit Säge und Leim begnügt hat. Ferner sind Papier und Druck in der neuen Ausgabe unvergleichlich viel besser als in der damaligen. Außer¬ dem ersparte man in jenen glücklichen Zeiten, wo noch „des durchlauchtigsten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/563>, abgerufen am 26.06.2024.