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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Neue Rlassikerausgaben.

von Cotta eingeführten und lange für alleinseligmachend geltenden, in Wahrheit
aber abscheulichen "Schillerformat" unterscheidet, auch in Papier und Druck den
Vergleich mit dem Cottaschen Unternehmen nicht aushalten kann; und was den
Einband betrifft, so wird auch hier jedermann, wenn er überhaupt mit Lein¬
wand- oder Kalikodeckeln sich begnügen will, dein verhältnismäßig solid und ge¬
schmackvoll erscheinende" Einbande der Cottaschen Sammlung -- der wiederum
genau nach dein Rezept Spemann gemacht ist -- den Vorzug geben. Ange¬
sichts dieser beiden Bünde befällt uns in der That das aufrichtigste Mitleid
mit "Wallroths Klassikerbibliothek," und man möchte fast wünschen, daß die
Unternehmer lieber nicht auf ihre Idee gekommen wären, bei der sie nach mensch¬
lichem Ermessen kein Geschäft machen können.

An dieser einfachen Darlegung des Sachverhaltes könnten wir uns genügen
lassen. Indessen reizt es uns, doch noch ein paar andre Thatsachen zur Sprache
zu bringen, die den jüngeren nnter unsern Lesern wohl überhaupt unbekannt,
den älteren vielleicht aus dem Gedächtnis entschwunden sind. Wir thun es mir,
um die Gerechtigkeit zu Ehren zu bringen.

Die Cottasche Buchhandlung entwickelt in ihrem Prospekt die edelsten Ge¬
sinnungen. Sie sagt: "Welcher Gebildete wünschte nicht die klassischen Dichter¬
werke Deutschlands, Englands, Frankreichs, Italiens, Spaniens, diese erste und
wichtigste Grundlage einer jeden guten Hausbibliothek, in gleichmäßigen, gut
redigirten und schön gedruckten Ausgaben zu besitzen? Und doch -- wie ver¬
hältnismäßig wenigen ist dies bis heute gegönnt gewesen! Schon unsre deutscheu
Klassiker konnten sich die meisten nur in Ausgaben anschaffen, deren Druck und
Papier mehr oder weniger zu wünschen ließen; die besseren Ausgaben hatten
entsprechend höhere Preise, welche vielen deren Erwerb unmöglich machten. Noch
ungünstiger aber war das Verhältnis bei den ausländischen Klassikern.... Die
I. G. Cottasche Buchhandlung, in deren Verlag die Originalausgaben der meisten
deutschen Klassiker, voran Goethes und Schillers, erschienen, glaubt durch Schaffung
dieser neuen Ausgaben, welche höchste Solidität und Eleganz der Ausstattung
mit niedrigstem Preise verbinden, einer Ehrenpflicht gegen ihre großen Autoren
nachzukommen und sich den Dank des deutschen Volkes zu verdienen, dessen
weitesten Kreisen sie das Verständnis und den Genuß der erhabensten Werke
des menschlichen Geistes erschließt. Das langjährige Verlangen des deutschen
Volkes uach glciclMäßigcn, schönen und dabei billigen Oktavallsgaben seiner
klassischen Dichter ist damit erfüllt."

Wer die Geschichte des deutschen Buchhandels und insbesondre die klägliche
Geschichte unsrer deutschen Klassikcrausgaben kennt, traut seinen Angen nicht,
wenn er das in einem Cottaschen Prospekte liest! Man läßt sich in buchhänd-
lerischen Prospekten ja etwas bieten an dick aufgetragner Reklame und volltönenden
Phrase". Aber daß eine Buchhandlung dabei eine so dreiste Pharisäermiene
aufsteckt, wie die Cottasche in diesem Falle, haben wir doch "och nicht erlebt.


Neue Rlassikerausgaben.

von Cotta eingeführten und lange für alleinseligmachend geltenden, in Wahrheit
aber abscheulichen „Schillerformat" unterscheidet, auch in Papier und Druck den
Vergleich mit dem Cottaschen Unternehmen nicht aushalten kann; und was den
Einband betrifft, so wird auch hier jedermann, wenn er überhaupt mit Lein¬
wand- oder Kalikodeckeln sich begnügen will, dein verhältnismäßig solid und ge¬
schmackvoll erscheinende» Einbande der Cottaschen Sammlung — der wiederum
genau nach dein Rezept Spemann gemacht ist — den Vorzug geben. Ange¬
sichts dieser beiden Bünde befällt uns in der That das aufrichtigste Mitleid
mit „Wallroths Klassikerbibliothek," und man möchte fast wünschen, daß die
Unternehmer lieber nicht auf ihre Idee gekommen wären, bei der sie nach mensch¬
lichem Ermessen kein Geschäft machen können.

An dieser einfachen Darlegung des Sachverhaltes könnten wir uns genügen
lassen. Indessen reizt es uns, doch noch ein paar andre Thatsachen zur Sprache
zu bringen, die den jüngeren nnter unsern Lesern wohl überhaupt unbekannt,
den älteren vielleicht aus dem Gedächtnis entschwunden sind. Wir thun es mir,
um die Gerechtigkeit zu Ehren zu bringen.

Die Cottasche Buchhandlung entwickelt in ihrem Prospekt die edelsten Ge¬
sinnungen. Sie sagt: „Welcher Gebildete wünschte nicht die klassischen Dichter¬
werke Deutschlands, Englands, Frankreichs, Italiens, Spaniens, diese erste und
wichtigste Grundlage einer jeden guten Hausbibliothek, in gleichmäßigen, gut
redigirten und schön gedruckten Ausgaben zu besitzen? Und doch — wie ver¬
hältnismäßig wenigen ist dies bis heute gegönnt gewesen! Schon unsre deutscheu
Klassiker konnten sich die meisten nur in Ausgaben anschaffen, deren Druck und
Papier mehr oder weniger zu wünschen ließen; die besseren Ausgaben hatten
entsprechend höhere Preise, welche vielen deren Erwerb unmöglich machten. Noch
ungünstiger aber war das Verhältnis bei den ausländischen Klassikern.... Die
I. G. Cottasche Buchhandlung, in deren Verlag die Originalausgaben der meisten
deutschen Klassiker, voran Goethes und Schillers, erschienen, glaubt durch Schaffung
dieser neuen Ausgaben, welche höchste Solidität und Eleganz der Ausstattung
mit niedrigstem Preise verbinden, einer Ehrenpflicht gegen ihre großen Autoren
nachzukommen und sich den Dank des deutschen Volkes zu verdienen, dessen
weitesten Kreisen sie das Verständnis und den Genuß der erhabensten Werke
des menschlichen Geistes erschließt. Das langjährige Verlangen des deutschen
Volkes uach glciclMäßigcn, schönen und dabei billigen Oktavallsgaben seiner
klassischen Dichter ist damit erfüllt."

Wer die Geschichte des deutschen Buchhandels und insbesondre die klägliche
Geschichte unsrer deutschen Klassikcrausgaben kennt, traut seinen Angen nicht,
wenn er das in einem Cottaschen Prospekte liest! Man läßt sich in buchhänd-
lerischen Prospekten ja etwas bieten an dick aufgetragner Reklame und volltönenden
Phrase». Aber daß eine Buchhandlung dabei eine so dreiste Pharisäermiene
aufsteckt, wie die Cottasche in diesem Falle, haben wir doch »och nicht erlebt.


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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/562>, abgerufen am 26.06.2024.