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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Neue Alassikercmsgabon.

Ursache, eines der beide" Unternehmen zu bedauern. Jeder ist seines Glückes
Schmied, Ehe nicht die ganze gegenwärtig herrschende Art von Betriebsamkeit
im deutschen Buchhandel, bei der keine geschäftliche Idee sich hervorwagen kaun,
ohne daß sie sofort von so und so viel andern nachgemacht würde, beseitigt ist
-- auch diese beiden Klassikcrsammlungen sind ja bis ins einzelnste hinein nichts
andres als Kopien der bekannten "Kollektion Spemann" --, eher werden auch die
Gefahre" solcher Zusammenstoße nicht vermieden werden. Vorläufig scheint es, als
ob auf die Periode der "Prachtwerke," die sich ja Gott sei Dank langsam ihrem
Ende nähert, zunächst eine Periode der "Kollektivum" folgen sollte. Nun die
Tische des Salons zum Brechen voll liegen, wird sich der Buchhandel zur Ab¬
wechslung wieder einmal der leeren Bücherschränke erbarmen. Und o Himmel!
Welche berauschende Vorstellung thut sich da auf! Man denke sich den Bücher¬
schrank eines jungen deutschen Ehepaares vom Schwiegerpapa cmgefiillt mit den
60 dunkelblauen Leinwnndbändcn der drei ersten Serien der "Kollektion Spe¬
mann," und daneben mit den 110 kirschroten Leinwandbänden der "Cottaschen
Bibliothek der Weltliteratur" oder den 52 feuerroten Kalikobände" der "Wallroth-
schcn Klassikerbibliothek!" Welches Testimonium von "Bildung" und -- welche
Augenweide zugleich!

Wir haben hier nicht die Absicht, zu raten und zu empfehlen. Unter den
Lesern dieser Blätter werden wohl die wenigsten soll man sagen so beneidens¬
wert oder so bedauernswürdig sein, daß sie sich noch "einen Schiller" oder "einen
Goethe" kaufen können. Rat und Empfehlung würden auch ziemlich überflüssig
sein. In dem Prospekt zu "Wallroths Klassikerbibliothek" heißt es zwar: "Die
Auswahl der aufzunehmenden Werke ist äußerst sorgfältig erfolgt; es hat nichts
Aufnahme gefunden, was nur noch einzelne Gelehrtenkreise interessirt. Ans diese
Weise ist der Käufer davor bewahrt worden, einen ganzen Wust gelehrter Ab¬
handlungen zu bezahlen, die von einer Minderzahl gelesen werden, weil sie nun
einmal bezahlt sind." Dennoch ist es uns etwas zweifelhaft, ob das bildungs¬
durstige Publikum geneigt sein wird, sich von zwei ihnen jedenfalls bisher völlig
unbekannten Herren Namens W. Lange und R. Öser -- diese beiden Namen
figuriren im Prospekt als Herausgeber, während bei der Cottaschen Sammlung
eine Anzahl mehr oder weniger bewährter Literarhistoriker an der Spitze stehen --
seine Klassikerlektüre auswählen zu lassen. Aber ganz abgesehen davon, daß bei
Cotta das Ganze, hier nur eine Auswahl geboten wird, sind wir fest über¬
zeugt: wem in der Buchhandlung der erste Band von jeder der beiden Samm¬
lungen vorgelegt wird, der wird sich nicht eine Minute besinne", wo er zugreife"
soll. Die "Cottasche Bibliothek" stellt es ihm frei, seine Auswahl selbst zu treffen;
sie ist ferner in demselben fein abgemessenen Oktavformat wie die "Kollektion
Spemann" auf gutes und schönes Papier von angenehmem gelblichen Tone
scharf und sauber gedruckt, während das Konkurrenzunternehmen unbegreiflicher¬
weise wieder zu einem Format zurückgekehrt ist, das sich wenig von dem früher


Grenzboten I. 1382. 70
Neue Alassikercmsgabon.

Ursache, eines der beide» Unternehmen zu bedauern. Jeder ist seines Glückes
Schmied, Ehe nicht die ganze gegenwärtig herrschende Art von Betriebsamkeit
im deutschen Buchhandel, bei der keine geschäftliche Idee sich hervorwagen kaun,
ohne daß sie sofort von so und so viel andern nachgemacht würde, beseitigt ist
— auch diese beiden Klassikcrsammlungen sind ja bis ins einzelnste hinein nichts
andres als Kopien der bekannten „Kollektion Spemann" —, eher werden auch die
Gefahre» solcher Zusammenstoße nicht vermieden werden. Vorläufig scheint es, als
ob auf die Periode der „Prachtwerke," die sich ja Gott sei Dank langsam ihrem
Ende nähert, zunächst eine Periode der „Kollektivum" folgen sollte. Nun die
Tische des Salons zum Brechen voll liegen, wird sich der Buchhandel zur Ab¬
wechslung wieder einmal der leeren Bücherschränke erbarmen. Und o Himmel!
Welche berauschende Vorstellung thut sich da auf! Man denke sich den Bücher¬
schrank eines jungen deutschen Ehepaares vom Schwiegerpapa cmgefiillt mit den
60 dunkelblauen Leinwnndbändcn der drei ersten Serien der „Kollektion Spe¬
mann," und daneben mit den 110 kirschroten Leinwandbänden der „Cottaschen
Bibliothek der Weltliteratur" oder den 52 feuerroten Kalikobände» der „Wallroth-
schcn Klassikerbibliothek!" Welches Testimonium von „Bildung" und — welche
Augenweide zugleich!

Wir haben hier nicht die Absicht, zu raten und zu empfehlen. Unter den
Lesern dieser Blätter werden wohl die wenigsten soll man sagen so beneidens¬
wert oder so bedauernswürdig sein, daß sie sich noch „einen Schiller" oder „einen
Goethe" kaufen können. Rat und Empfehlung würden auch ziemlich überflüssig
sein. In dem Prospekt zu „Wallroths Klassikerbibliothek" heißt es zwar: „Die
Auswahl der aufzunehmenden Werke ist äußerst sorgfältig erfolgt; es hat nichts
Aufnahme gefunden, was nur noch einzelne Gelehrtenkreise interessirt. Ans diese
Weise ist der Käufer davor bewahrt worden, einen ganzen Wust gelehrter Ab¬
handlungen zu bezahlen, die von einer Minderzahl gelesen werden, weil sie nun
einmal bezahlt sind." Dennoch ist es uns etwas zweifelhaft, ob das bildungs¬
durstige Publikum geneigt sein wird, sich von zwei ihnen jedenfalls bisher völlig
unbekannten Herren Namens W. Lange und R. Öser — diese beiden Namen
figuriren im Prospekt als Herausgeber, während bei der Cottaschen Sammlung
eine Anzahl mehr oder weniger bewährter Literarhistoriker an der Spitze stehen —
seine Klassikerlektüre auswählen zu lassen. Aber ganz abgesehen davon, daß bei
Cotta das Ganze, hier nur eine Auswahl geboten wird, sind wir fest über¬
zeugt: wem in der Buchhandlung der erste Band von jeder der beiden Samm¬
lungen vorgelegt wird, der wird sich nicht eine Minute besinne», wo er zugreife»
soll. Die „Cottasche Bibliothek" stellt es ihm frei, seine Auswahl selbst zu treffen;
sie ist ferner in demselben fein abgemessenen Oktavformat wie die „Kollektion
Spemann" auf gutes und schönes Papier von angenehmem gelblichen Tone
scharf und sauber gedruckt, während das Konkurrenzunternehmen unbegreiflicher¬
weise wieder zu einem Format zurückgekehrt ist, das sich wenig von dem früher


Grenzboten I. 1382. 70
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[0561] Neue Alassikercmsgabon. Ursache, eines der beide» Unternehmen zu bedauern. Jeder ist seines Glückes Schmied, Ehe nicht die ganze gegenwärtig herrschende Art von Betriebsamkeit im deutschen Buchhandel, bei der keine geschäftliche Idee sich hervorwagen kaun, ohne daß sie sofort von so und so viel andern nachgemacht würde, beseitigt ist — auch diese beiden Klassikcrsammlungen sind ja bis ins einzelnste hinein nichts andres als Kopien der bekannten „Kollektion Spemann" —, eher werden auch die Gefahre» solcher Zusammenstoße nicht vermieden werden. Vorläufig scheint es, als ob auf die Periode der „Prachtwerke," die sich ja Gott sei Dank langsam ihrem Ende nähert, zunächst eine Periode der „Kollektivum" folgen sollte. Nun die Tische des Salons zum Brechen voll liegen, wird sich der Buchhandel zur Ab¬ wechslung wieder einmal der leeren Bücherschränke erbarmen. Und o Himmel! Welche berauschende Vorstellung thut sich da auf! Man denke sich den Bücher¬ schrank eines jungen deutschen Ehepaares vom Schwiegerpapa cmgefiillt mit den 60 dunkelblauen Leinwnndbändcn der drei ersten Serien der „Kollektion Spe¬ mann," und daneben mit den 110 kirschroten Leinwandbänden der „Cottaschen Bibliothek der Weltliteratur" oder den 52 feuerroten Kalikobände» der „Wallroth- schcn Klassikerbibliothek!" Welches Testimonium von „Bildung" und — welche Augenweide zugleich! Wir haben hier nicht die Absicht, zu raten und zu empfehlen. Unter den Lesern dieser Blätter werden wohl die wenigsten soll man sagen so beneidens¬ wert oder so bedauernswürdig sein, daß sie sich noch „einen Schiller" oder „einen Goethe" kaufen können. Rat und Empfehlung würden auch ziemlich überflüssig sein. In dem Prospekt zu „Wallroths Klassikerbibliothek" heißt es zwar: „Die Auswahl der aufzunehmenden Werke ist äußerst sorgfältig erfolgt; es hat nichts Aufnahme gefunden, was nur noch einzelne Gelehrtenkreise interessirt. Ans diese Weise ist der Käufer davor bewahrt worden, einen ganzen Wust gelehrter Ab¬ handlungen zu bezahlen, die von einer Minderzahl gelesen werden, weil sie nun einmal bezahlt sind." Dennoch ist es uns etwas zweifelhaft, ob das bildungs¬ durstige Publikum geneigt sein wird, sich von zwei ihnen jedenfalls bisher völlig unbekannten Herren Namens W. Lange und R. Öser — diese beiden Namen figuriren im Prospekt als Herausgeber, während bei der Cottaschen Sammlung eine Anzahl mehr oder weniger bewährter Literarhistoriker an der Spitze stehen — seine Klassikerlektüre auswählen zu lassen. Aber ganz abgesehen davon, daß bei Cotta das Ganze, hier nur eine Auswahl geboten wird, sind wir fest über¬ zeugt: wem in der Buchhandlung der erste Band von jeder der beiden Samm¬ lungen vorgelegt wird, der wird sich nicht eine Minute besinne», wo er zugreife» soll. Die „Cottasche Bibliothek" stellt es ihm frei, seine Auswahl selbst zu treffen; sie ist ferner in demselben fein abgemessenen Oktavformat wie die „Kollektion Spemann" auf gutes und schönes Papier von angenehmem gelblichen Tone scharf und sauber gedruckt, während das Konkurrenzunternehmen unbegreiflicher¬ weise wieder zu einem Format zurückgekehrt ist, das sich wenig von dem früher Grenzboten I. 1382. 70

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/561>, abgerufen am 26.06.2024.