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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Bakchen und ThyrsosträgLV.

gegen dich. Es hat mich oft verdrossen, daß du ihn mit solchem Hohn, mit
solcher abweisender Kälte behandelst, während er dir stets liebevoll entgegen¬
kam. Ich bewundere seine Gutmütigkeit, daß er trotzdem immer mit Achtung
und Wohlwollen von dir spricht und zu jeder Gefälligkeit bereit ist.

Habe ich je eine Gefälligkeit von ihm angenommen?

Du freilich uicht, und ich auch uicht, wenn auch . . .

O sprich nur aus. Ich weiß es wohl, er ist es, der dein Herzblatt Alfons
protegirt. Er und vielleicht auch noch ein anderer, der große Macht im Staate
besitzt. Ich hatte nicht gedacht, daß die Verwandtschaft so aufblühen und ge¬
waltig werden würde. Potztausend, jetzt sind Reichstags-Mitglieder, Aussichts-
rats-Prüsidenten, Fürsten der Börse unsre Vettern!

Du hast dich nicht darüber zu beklage". Ich dächte, du wüßtest, welche
Schwierigkeiten es gemacht hat, Alfons zum Offizier ernennen zu lassen. Du
darfst es mir nicht übel nehmen, wenn ich sage, daß deine israelitische Abstammung
nicht förderlich war. Wenn du selbst unsre einflußreichen Konnexionen verschmähst,
so sollen sie doch den Kindern zu Gute kommen. Du denkst wohl nicht daran,
welche Aussichten unsre Kinder dnrch eben diese Verbindungen haben.

Was für Aussichten meinst du?

Habe ich es dir nicht schon oft auseinandergesetzt und dich gebeten, mit
Balduin gemeinsam vorzugehen, damit unsre Hoffnungen sich realisiren? Es ist
meiner Meinung nach hohe Zeit, etwas zu thun, damit unsre Familien sicher
gestellt werden. Der Onkel Lovendal feiert in wenigen Monaten seinen siebzigsten
Geburtstag, und er leidet an der Gicht. Wenn er stirbt und wir leer ausgehen,
so ist es deine Schuld.

Meine liebe Clara, die Ansprüche, die du an eine Erbschaft des Onkels
Lovendal erheben zu können vermeinst, sind durchaus vager Natur.

Durchaus nicht! Du kannst es vor jedem Gericht beschwören, daß ihm
dein Vater tausend Thaler geliehen hat, und daß er versprochen hat, sie ihm
mit Zins und Zinscszius zurückzuzahlen. Wenn ich uun berechne, in welcher
Weise der Onkel Lovendal seine Geschäfte betreibt, so sind jetzt aus den tausend
mindestens fünfhunderttausend Thaler geworden. Die soll er uns hinterlassen
oder keine Ruhe im Grabe finden!

Was das für thörichte Reden sind! entgegnete der Alte. Wir wissen gar
nicht, ob Lovendal das Geld nicht schon längst an meinen Vater zurückgezahlt
hat. Und mit solchen Phantasien, die nur auf Geldgier und auf die Verehrung
vor dem ungeheuren Lovendalschen Vermögen gegründet sind, machst du dir
das Leben schwer und reizest Alfons zu kavaliermäßigem Auftreten an, das ihn
schließlich noch zu Grunde richten wird. Ich sage dir ein für alle Male, ich
will von der Geschichte nichts wieder hören. Ich will kein Geld von Lovendal
erben, denn es ist der Schweiß von Millionen armer Menschen, den er in goldene
Millionen verwandelt hat, und Balduin mit seinen Bankspeknlationen und Politischen


Bakchen und ThyrsosträgLV.

gegen dich. Es hat mich oft verdrossen, daß du ihn mit solchem Hohn, mit
solcher abweisender Kälte behandelst, während er dir stets liebevoll entgegen¬
kam. Ich bewundere seine Gutmütigkeit, daß er trotzdem immer mit Achtung
und Wohlwollen von dir spricht und zu jeder Gefälligkeit bereit ist.

Habe ich je eine Gefälligkeit von ihm angenommen?

Du freilich uicht, und ich auch uicht, wenn auch . . .

O sprich nur aus. Ich weiß es wohl, er ist es, der dein Herzblatt Alfons
protegirt. Er und vielleicht auch noch ein anderer, der große Macht im Staate
besitzt. Ich hatte nicht gedacht, daß die Verwandtschaft so aufblühen und ge¬
waltig werden würde. Potztausend, jetzt sind Reichstags-Mitglieder, Aussichts-
rats-Prüsidenten, Fürsten der Börse unsre Vettern!

Du hast dich nicht darüber zu beklage». Ich dächte, du wüßtest, welche
Schwierigkeiten es gemacht hat, Alfons zum Offizier ernennen zu lassen. Du
darfst es mir nicht übel nehmen, wenn ich sage, daß deine israelitische Abstammung
nicht förderlich war. Wenn du selbst unsre einflußreichen Konnexionen verschmähst,
so sollen sie doch den Kindern zu Gute kommen. Du denkst wohl nicht daran,
welche Aussichten unsre Kinder dnrch eben diese Verbindungen haben.

Was für Aussichten meinst du?

Habe ich es dir nicht schon oft auseinandergesetzt und dich gebeten, mit
Balduin gemeinsam vorzugehen, damit unsre Hoffnungen sich realisiren? Es ist
meiner Meinung nach hohe Zeit, etwas zu thun, damit unsre Familien sicher
gestellt werden. Der Onkel Lovendal feiert in wenigen Monaten seinen siebzigsten
Geburtstag, und er leidet an der Gicht. Wenn er stirbt und wir leer ausgehen,
so ist es deine Schuld.

Meine liebe Clara, die Ansprüche, die du an eine Erbschaft des Onkels
Lovendal erheben zu können vermeinst, sind durchaus vager Natur.

Durchaus nicht! Du kannst es vor jedem Gericht beschwören, daß ihm
dein Vater tausend Thaler geliehen hat, und daß er versprochen hat, sie ihm
mit Zins und Zinscszius zurückzuzahlen. Wenn ich uun berechne, in welcher
Weise der Onkel Lovendal seine Geschäfte betreibt, so sind jetzt aus den tausend
mindestens fünfhunderttausend Thaler geworden. Die soll er uns hinterlassen
oder keine Ruhe im Grabe finden!

Was das für thörichte Reden sind! entgegnete der Alte. Wir wissen gar
nicht, ob Lovendal das Geld nicht schon längst an meinen Vater zurückgezahlt
hat. Und mit solchen Phantasien, die nur auf Geldgier und auf die Verehrung
vor dem ungeheuren Lovendalschen Vermögen gegründet sind, machst du dir
das Leben schwer und reizest Alfons zu kavaliermäßigem Auftreten an, das ihn
schließlich noch zu Grunde richten wird. Ich sage dir ein für alle Male, ich
will von der Geschichte nichts wieder hören. Ich will kein Geld von Lovendal
erben, denn es ist der Schweiß von Millionen armer Menschen, den er in goldene
Millionen verwandelt hat, und Balduin mit seinen Bankspeknlationen und Politischen


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[0056] Bakchen und ThyrsosträgLV. gegen dich. Es hat mich oft verdrossen, daß du ihn mit solchem Hohn, mit solcher abweisender Kälte behandelst, während er dir stets liebevoll entgegen¬ kam. Ich bewundere seine Gutmütigkeit, daß er trotzdem immer mit Achtung und Wohlwollen von dir spricht und zu jeder Gefälligkeit bereit ist. Habe ich je eine Gefälligkeit von ihm angenommen? Du freilich uicht, und ich auch uicht, wenn auch . . . O sprich nur aus. Ich weiß es wohl, er ist es, der dein Herzblatt Alfons protegirt. Er und vielleicht auch noch ein anderer, der große Macht im Staate besitzt. Ich hatte nicht gedacht, daß die Verwandtschaft so aufblühen und ge¬ waltig werden würde. Potztausend, jetzt sind Reichstags-Mitglieder, Aussichts- rats-Prüsidenten, Fürsten der Börse unsre Vettern! Du hast dich nicht darüber zu beklage». Ich dächte, du wüßtest, welche Schwierigkeiten es gemacht hat, Alfons zum Offizier ernennen zu lassen. Du darfst es mir nicht übel nehmen, wenn ich sage, daß deine israelitische Abstammung nicht förderlich war. Wenn du selbst unsre einflußreichen Konnexionen verschmähst, so sollen sie doch den Kindern zu Gute kommen. Du denkst wohl nicht daran, welche Aussichten unsre Kinder dnrch eben diese Verbindungen haben. Was für Aussichten meinst du? Habe ich es dir nicht schon oft auseinandergesetzt und dich gebeten, mit Balduin gemeinsam vorzugehen, damit unsre Hoffnungen sich realisiren? Es ist meiner Meinung nach hohe Zeit, etwas zu thun, damit unsre Familien sicher gestellt werden. Der Onkel Lovendal feiert in wenigen Monaten seinen siebzigsten Geburtstag, und er leidet an der Gicht. Wenn er stirbt und wir leer ausgehen, so ist es deine Schuld. Meine liebe Clara, die Ansprüche, die du an eine Erbschaft des Onkels Lovendal erheben zu können vermeinst, sind durchaus vager Natur. Durchaus nicht! Du kannst es vor jedem Gericht beschwören, daß ihm dein Vater tausend Thaler geliehen hat, und daß er versprochen hat, sie ihm mit Zins und Zinscszius zurückzuzahlen. Wenn ich uun berechne, in welcher Weise der Onkel Lovendal seine Geschäfte betreibt, so sind jetzt aus den tausend mindestens fünfhunderttausend Thaler geworden. Die soll er uns hinterlassen oder keine Ruhe im Grabe finden! Was das für thörichte Reden sind! entgegnete der Alte. Wir wissen gar nicht, ob Lovendal das Geld nicht schon längst an meinen Vater zurückgezahlt hat. Und mit solchen Phantasien, die nur auf Geldgier und auf die Verehrung vor dem ungeheuren Lovendalschen Vermögen gegründet sind, machst du dir das Leben schwer und reizest Alfons zu kavaliermäßigem Auftreten an, das ihn schließlich noch zu Grunde richten wird. Ich sage dir ein für alle Male, ich will von der Geschichte nichts wieder hören. Ich will kein Geld von Lovendal erben, denn es ist der Schweiß von Millionen armer Menschen, den er in goldene Millionen verwandelt hat, und Balduin mit seinen Bankspeknlationen und Politischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/56>, abgerufen am 01.07.2024.