Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Fortschritte ni der antiken Kunstgeschichte wahrend des letzten Jahrzehnts.

Kunsthistoriker über diese teils schon vorliegenden, teils zu erwartenden Skulp¬
turen vor Beginn der olympischen Ausgrabungen?

In der Regel galten beide Künstler, welche Pausanias als Verfertiger der
Giebelfelder nennt, als Schüler des Phidias. Von Alkamenes ist das auch
überliefert; vou Paionios wurde es, und zwar gerade wegen dieser seiner Thätig¬
keit am Zeustempel, wenigstens als wahrscheinlich angenommen, Brunn versetzte
in seiner Künstlergeschichte die Ausführung dieser Bildwerke in dieselbe Zeit, wo
Phidias mit dem goldelfenbeinernen Bilde des Gottes beschäftigt war, also um
das Jahr 432; wie früher schon Welcker, machte auch er auf den Gegensatz
aufmerksam, welcher zwischen den beiden Giebelfeldern sich zeigt, indem das
östliche deu Charakter der Ruhe trägt, das westliche dagegen mit seinen Kmnpf-
szeneu voll Bewegung ist, wie man das ja ähnlich auch am Parthenon findet
und wie auch die Giebelgruppen am Heräon von Argos und am delphischen
Tempel den gleichen Gegensatz auswiesen, Während jedoch Brunn, bei dem
Mangel direkter Nachrichten, über den Stil der Werke keine Vermutung äußerte,
sprach Overbeck es in den ersten Auflagen seiner Plastik unumwunden aus, daß
man sich den plastischen Schmuck des Zeustcmpels "ohne Zweifel am unmittel¬
barsten unter dem Einfluß attischer Kunst entstanden" denken müsse; auch die
übrigen architektonischem Skulpturen des Tempels werde man einem jener beiden
Meister zuzuschreiben haben, etwa so, wie man ja auch dem Phidias den
plastischen Schmuck des Parthenon beilegt. Was die Metopen anlangt, so war
man, wegen der unbestimmten Ausdrucksweise des Pausanias, im Zweifel, ob
dieselben wie gewöhnlich um deu ganzen Tempel herumliefen: dann mußten es
jedenfalls mehr als elf oder zwölf sein, und die übrigen dachte man sich für
diesen Fall nnr durch Venmlnng verziert; oder ob, wie vou andrer Seite be¬
hauptet wurde, die Metopen sich nur über deu beiden Thüren des Tempels,
an den Schmalseiten, also innerhalb des bedeckte" Säulcnumgangs befanden.
Betreffs des Stiles der Metopen aber, von dem ja Proben vorlagen, erkannte
Overbeck an, daß dieselben ihrer ganzen Ausführung nach viel eher einem ein¬
heimische", eleischen Künstler, als einem attischen der Genossenschaft des Phidias
zugeschrieben werden müßten. Möglicherweise wären, wie schon O. Müller meinte,
diese Skulpturen bereits fertig gewesen, als Phidias mit seinen Genossen nach
Elis kam; deshalb könne anch ihr Datum nicht sicher bestimmt werden, und
wenn sie auch schwerlich uach 432 entstanden seien, so könnten sie doch sehr
wohl auch einige Jahrzehnte früher entstanden sein. Wir werden gleich sehen,
wie die Funde diese letztere Auffassung vollkommen bestätigt haben, wie sehr man
aber irre ging, wenn man, und zwar fast einstimmig, von der Ansicht aus¬
ging, daß die Giebelskulpturen unter dem Einfluß attischer Kunst, speziell dnrch
Genossen oder Schüler des Phidias gefertigt worden seien.

Es darf nicht verschwiegen werden, daß schon vor Beginn der olhmpischen
Ausgrabungen H. Brunn eine neue Ansicht über diese Frage in seinen Vor-


Die Fortschritte ni der antiken Kunstgeschichte wahrend des letzten Jahrzehnts.

Kunsthistoriker über diese teils schon vorliegenden, teils zu erwartenden Skulp¬
turen vor Beginn der olympischen Ausgrabungen?

In der Regel galten beide Künstler, welche Pausanias als Verfertiger der
Giebelfelder nennt, als Schüler des Phidias. Von Alkamenes ist das auch
überliefert; vou Paionios wurde es, und zwar gerade wegen dieser seiner Thätig¬
keit am Zeustempel, wenigstens als wahrscheinlich angenommen, Brunn versetzte
in seiner Künstlergeschichte die Ausführung dieser Bildwerke in dieselbe Zeit, wo
Phidias mit dem goldelfenbeinernen Bilde des Gottes beschäftigt war, also um
das Jahr 432; wie früher schon Welcker, machte auch er auf den Gegensatz
aufmerksam, welcher zwischen den beiden Giebelfeldern sich zeigt, indem das
östliche deu Charakter der Ruhe trägt, das westliche dagegen mit seinen Kmnpf-
szeneu voll Bewegung ist, wie man das ja ähnlich auch am Parthenon findet
und wie auch die Giebelgruppen am Heräon von Argos und am delphischen
Tempel den gleichen Gegensatz auswiesen, Während jedoch Brunn, bei dem
Mangel direkter Nachrichten, über den Stil der Werke keine Vermutung äußerte,
sprach Overbeck es in den ersten Auflagen seiner Plastik unumwunden aus, daß
man sich den plastischen Schmuck des Zeustcmpels „ohne Zweifel am unmittel¬
barsten unter dem Einfluß attischer Kunst entstanden" denken müsse; auch die
übrigen architektonischem Skulpturen des Tempels werde man einem jener beiden
Meister zuzuschreiben haben, etwa so, wie man ja auch dem Phidias den
plastischen Schmuck des Parthenon beilegt. Was die Metopen anlangt, so war
man, wegen der unbestimmten Ausdrucksweise des Pausanias, im Zweifel, ob
dieselben wie gewöhnlich um deu ganzen Tempel herumliefen: dann mußten es
jedenfalls mehr als elf oder zwölf sein, und die übrigen dachte man sich für
diesen Fall nnr durch Venmlnng verziert; oder ob, wie vou andrer Seite be¬
hauptet wurde, die Metopen sich nur über deu beiden Thüren des Tempels,
an den Schmalseiten, also innerhalb des bedeckte» Säulcnumgangs befanden.
Betreffs des Stiles der Metopen aber, von dem ja Proben vorlagen, erkannte
Overbeck an, daß dieselben ihrer ganzen Ausführung nach viel eher einem ein¬
heimische», eleischen Künstler, als einem attischen der Genossenschaft des Phidias
zugeschrieben werden müßten. Möglicherweise wären, wie schon O. Müller meinte,
diese Skulpturen bereits fertig gewesen, als Phidias mit seinen Genossen nach
Elis kam; deshalb könne anch ihr Datum nicht sicher bestimmt werden, und
wenn sie auch schwerlich uach 432 entstanden seien, so könnten sie doch sehr
wohl auch einige Jahrzehnte früher entstanden sein. Wir werden gleich sehen,
wie die Funde diese letztere Auffassung vollkommen bestätigt haben, wie sehr man
aber irre ging, wenn man, und zwar fast einstimmig, von der Ansicht aus¬
ging, daß die Giebelskulpturen unter dem Einfluß attischer Kunst, speziell dnrch
Genossen oder Schüler des Phidias gefertigt worden seien.

Es darf nicht verschwiegen werden, daß schon vor Beginn der olhmpischen
Ausgrabungen H. Brunn eine neue Ansicht über diese Frage in seinen Vor-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0550" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/86671"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Fortschritte ni der antiken Kunstgeschichte wahrend des letzten Jahrzehnts.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2250" prev="#ID_2249"> Kunsthistoriker über diese teils schon vorliegenden, teils zu erwartenden Skulp¬<lb/>
turen vor Beginn der olympischen Ausgrabungen?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2251"> In der Regel galten beide Künstler, welche Pausanias als Verfertiger der<lb/>
Giebelfelder nennt, als Schüler des Phidias. Von Alkamenes ist das auch<lb/>
überliefert; vou Paionios wurde es, und zwar gerade wegen dieser seiner Thätig¬<lb/>
keit am Zeustempel, wenigstens als wahrscheinlich angenommen, Brunn versetzte<lb/>
in seiner Künstlergeschichte die Ausführung dieser Bildwerke in dieselbe Zeit, wo<lb/>
Phidias mit dem goldelfenbeinernen Bilde des Gottes beschäftigt war, also um<lb/>
das Jahr 432; wie früher schon Welcker, machte auch er auf den Gegensatz<lb/>
aufmerksam, welcher zwischen den beiden Giebelfeldern sich zeigt, indem das<lb/>
östliche deu Charakter der Ruhe trägt, das westliche dagegen mit seinen Kmnpf-<lb/>
szeneu voll Bewegung ist, wie man das ja ähnlich auch am Parthenon findet<lb/>
und wie auch die Giebelgruppen am Heräon von Argos und am delphischen<lb/>
Tempel den gleichen Gegensatz auswiesen, Während jedoch Brunn, bei dem<lb/>
Mangel direkter Nachrichten, über den Stil der Werke keine Vermutung äußerte,<lb/>
sprach Overbeck es in den ersten Auflagen seiner Plastik unumwunden aus, daß<lb/>
man sich den plastischen Schmuck des Zeustcmpels &#x201E;ohne Zweifel am unmittel¬<lb/>
barsten unter dem Einfluß attischer Kunst entstanden" denken müsse; auch die<lb/>
übrigen architektonischem Skulpturen des Tempels werde man einem jener beiden<lb/>
Meister zuzuschreiben haben, etwa so, wie man ja auch dem Phidias den<lb/>
plastischen Schmuck des Parthenon beilegt. Was die Metopen anlangt, so war<lb/>
man, wegen der unbestimmten Ausdrucksweise des Pausanias, im Zweifel, ob<lb/>
dieselben wie gewöhnlich um deu ganzen Tempel herumliefen: dann mußten es<lb/>
jedenfalls mehr als elf oder zwölf sein, und die übrigen dachte man sich für<lb/>
diesen Fall nnr durch Venmlnng verziert; oder ob, wie vou andrer Seite be¬<lb/>
hauptet wurde, die Metopen sich nur über deu beiden Thüren des Tempels,<lb/>
an den Schmalseiten, also innerhalb des bedeckte» Säulcnumgangs befanden.<lb/>
Betreffs des Stiles der Metopen aber, von dem ja Proben vorlagen, erkannte<lb/>
Overbeck an, daß dieselben ihrer ganzen Ausführung nach viel eher einem ein¬<lb/>
heimische», eleischen Künstler, als einem attischen der Genossenschaft des Phidias<lb/>
zugeschrieben werden müßten. Möglicherweise wären, wie schon O. Müller meinte,<lb/>
diese Skulpturen bereits fertig gewesen, als Phidias mit seinen Genossen nach<lb/>
Elis kam; deshalb könne anch ihr Datum nicht sicher bestimmt werden, und<lb/>
wenn sie auch schwerlich uach 432 entstanden seien, so könnten sie doch sehr<lb/>
wohl auch einige Jahrzehnte früher entstanden sein. Wir werden gleich sehen,<lb/>
wie die Funde diese letztere Auffassung vollkommen bestätigt haben, wie sehr man<lb/>
aber irre ging, wenn man, und zwar fast einstimmig, von der Ansicht aus¬<lb/>
ging, daß die Giebelskulpturen unter dem Einfluß attischer Kunst, speziell dnrch<lb/>
Genossen oder Schüler des Phidias gefertigt worden seien.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2252" next="#ID_2253"> Es darf nicht verschwiegen werden, daß schon vor Beginn der olhmpischen<lb/>
Ausgrabungen H. Brunn eine neue Ansicht über diese Frage in seinen Vor-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0550] Die Fortschritte ni der antiken Kunstgeschichte wahrend des letzten Jahrzehnts. Kunsthistoriker über diese teils schon vorliegenden, teils zu erwartenden Skulp¬ turen vor Beginn der olympischen Ausgrabungen? In der Regel galten beide Künstler, welche Pausanias als Verfertiger der Giebelfelder nennt, als Schüler des Phidias. Von Alkamenes ist das auch überliefert; vou Paionios wurde es, und zwar gerade wegen dieser seiner Thätig¬ keit am Zeustempel, wenigstens als wahrscheinlich angenommen, Brunn versetzte in seiner Künstlergeschichte die Ausführung dieser Bildwerke in dieselbe Zeit, wo Phidias mit dem goldelfenbeinernen Bilde des Gottes beschäftigt war, also um das Jahr 432; wie früher schon Welcker, machte auch er auf den Gegensatz aufmerksam, welcher zwischen den beiden Giebelfeldern sich zeigt, indem das östliche deu Charakter der Ruhe trägt, das westliche dagegen mit seinen Kmnpf- szeneu voll Bewegung ist, wie man das ja ähnlich auch am Parthenon findet und wie auch die Giebelgruppen am Heräon von Argos und am delphischen Tempel den gleichen Gegensatz auswiesen, Während jedoch Brunn, bei dem Mangel direkter Nachrichten, über den Stil der Werke keine Vermutung äußerte, sprach Overbeck es in den ersten Auflagen seiner Plastik unumwunden aus, daß man sich den plastischen Schmuck des Zeustcmpels „ohne Zweifel am unmittel¬ barsten unter dem Einfluß attischer Kunst entstanden" denken müsse; auch die übrigen architektonischem Skulpturen des Tempels werde man einem jener beiden Meister zuzuschreiben haben, etwa so, wie man ja auch dem Phidias den plastischen Schmuck des Parthenon beilegt. Was die Metopen anlangt, so war man, wegen der unbestimmten Ausdrucksweise des Pausanias, im Zweifel, ob dieselben wie gewöhnlich um deu ganzen Tempel herumliefen: dann mußten es jedenfalls mehr als elf oder zwölf sein, und die übrigen dachte man sich für diesen Fall nnr durch Venmlnng verziert; oder ob, wie vou andrer Seite be¬ hauptet wurde, die Metopen sich nur über deu beiden Thüren des Tempels, an den Schmalseiten, also innerhalb des bedeckte» Säulcnumgangs befanden. Betreffs des Stiles der Metopen aber, von dem ja Proben vorlagen, erkannte Overbeck an, daß dieselben ihrer ganzen Ausführung nach viel eher einem ein¬ heimische», eleischen Künstler, als einem attischen der Genossenschaft des Phidias zugeschrieben werden müßten. Möglicherweise wären, wie schon O. Müller meinte, diese Skulpturen bereits fertig gewesen, als Phidias mit seinen Genossen nach Elis kam; deshalb könne anch ihr Datum nicht sicher bestimmt werden, und wenn sie auch schwerlich uach 432 entstanden seien, so könnten sie doch sehr wohl auch einige Jahrzehnte früher entstanden sein. Wir werden gleich sehen, wie die Funde diese letztere Auffassung vollkommen bestätigt haben, wie sehr man aber irre ging, wenn man, und zwar fast einstimmig, von der Ansicht aus¬ ging, daß die Giebelskulpturen unter dem Einfluß attischer Kunst, speziell dnrch Genossen oder Schüler des Phidias gefertigt worden seien. Es darf nicht verschwiegen werden, daß schon vor Beginn der olhmpischen Ausgrabungen H. Brunn eine neue Ansicht über diese Frage in seinen Vor-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/550
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/550>, abgerufen am 26.06.2024.