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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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verfolgen, d, h. sich über alle Gebiete der innern Verwaltung, der staatlichen
wie der kommunalen, verbreiten, kurz,^ ein unermeßliches Gebiet in den Kreis
seiner Betrachtungen ziehen. Es bedarf nur der Eröffnung dieser Perspektive,
um klar zu mache", daß eine solche Behandlung der Sache nicht in der Absicht
des Verfassers liegen kann. Abgesehen davon, daß er sich die erforderliche Be¬
herrschung des ganzen ungeheuern Stoffes nicht entfernt zutraut, würde er damit
auch den ihm vorschwebenden praktischen Zweck verfehlen, zur Klärung der An¬
sichten über die gerade augenblicklich im Vordergründe des öffentlichen Inter¬
esses stehenden Fragen beizutragen. Über den ersten Punkt des Programms
soll daher um so kürzer hinweggegangen werden, als, nachdem die Durchführung
des Systems der Einteilung in Kreise, Regierungsbezirke, Provinzen mit Land¬
räten, Regierungspräsidenten in Verbindung mit Regierungskollegien, Oberprä¬
sidenten an der Spitze für alle Teile der Monarchie gesichert ist, das vorläufig
indizirte und erreichbare Maß von Einheitlichkeit wohl als erreicht gelten kann.
Die Bedenken, ob nicht einzelne Regierungsbezirke und Kreise der östlichen Pro¬
vinzen, welche bei der Reorganisation in ihrem alten Umfange bestehen geblieben
sind, die Maximalgrenze der zulässigen Größe überschreiten, mögen bloß neben¬
her angedeutet werden. Ebenso soll die wichtige Frage der Dezentralisation
nur flüchtig berührt werden; denn die große Tragweite dieses Gesichtspunktes
läßt sich sehr wohl ermessen, anch ohne daß der Gedanke in alle seine prak¬
tischen Konsequenzen verfolgt würde.

Kurz verweilen müssen wir dagegen bei der Frage nach der Gestaltung des
Rechtsschutzes. Daß die beiden Funktionen der staatlichen Exekutive und der
Verwaltungsjurisdiktion, welche bisher in denselben Behörden vereinigt waren,
nicht mit innerer Notwendigkeit zusammengehören, ist bereits oben hervorgehoben.
Überweist man dieselben nun an getrennte Behörden, so gewinnt man die Mög¬
lichkeit, den mit der Rechtsprechung betrauten Beamten diejenige volle Unab¬
hängigkeit der richterlichen Stellung zu verschaffen, welche den reinen Verwal¬
tungsbeamten ans überwiegenden Gründen des öffentlichen Wohls versagt werden
muß. Hiernach ist die Einrichtung von besondern Vcrwaltungsgerichtsbehörden,
welche gleichzeitig als Gerichte über die Legalität administrativer Maßregeln ur¬
teilen können, von selbst gegeben. Denn der sonst allenfalls naheliegende Ge¬
danke, auch diese Jurisdiktion den ordentlichen Gerichten zu übertragen, scheitert,
abgesehen von andern Gründen, schon an der Unmöglichkeit, daß der Dnrch-
schnittsrichter alle Gebiete des Privat- und öffentlichen Rechts in dem zur Ent¬
faltung einer gedeihlichen praktischen Thätigkeit erforderlichen Grade gleichmäßig
beherrsche.

Noch schwieriger aber als die Verständigung über den Rechtsschutz bleibt
die Erzielung übereinstimmender Ansichten in Bezug auf ein Thema, das schon
vielen unnützen Staub aufgewirbelt hat. Das Prinzip nämlich, von welchem
die öffentliche Meinung alles Heil für die Berwaltungsreform erwartet, ist be-


verfolgen, d, h. sich über alle Gebiete der innern Verwaltung, der staatlichen
wie der kommunalen, verbreiten, kurz,^ ein unermeßliches Gebiet in den Kreis
seiner Betrachtungen ziehen. Es bedarf nur der Eröffnung dieser Perspektive,
um klar zu mache», daß eine solche Behandlung der Sache nicht in der Absicht
des Verfassers liegen kann. Abgesehen davon, daß er sich die erforderliche Be¬
herrschung des ganzen ungeheuern Stoffes nicht entfernt zutraut, würde er damit
auch den ihm vorschwebenden praktischen Zweck verfehlen, zur Klärung der An¬
sichten über die gerade augenblicklich im Vordergründe des öffentlichen Inter¬
esses stehenden Fragen beizutragen. Über den ersten Punkt des Programms
soll daher um so kürzer hinweggegangen werden, als, nachdem die Durchführung
des Systems der Einteilung in Kreise, Regierungsbezirke, Provinzen mit Land¬
räten, Regierungspräsidenten in Verbindung mit Regierungskollegien, Oberprä¬
sidenten an der Spitze für alle Teile der Monarchie gesichert ist, das vorläufig
indizirte und erreichbare Maß von Einheitlichkeit wohl als erreicht gelten kann.
Die Bedenken, ob nicht einzelne Regierungsbezirke und Kreise der östlichen Pro¬
vinzen, welche bei der Reorganisation in ihrem alten Umfange bestehen geblieben
sind, die Maximalgrenze der zulässigen Größe überschreiten, mögen bloß neben¬
her angedeutet werden. Ebenso soll die wichtige Frage der Dezentralisation
nur flüchtig berührt werden; denn die große Tragweite dieses Gesichtspunktes
läßt sich sehr wohl ermessen, anch ohne daß der Gedanke in alle seine prak¬
tischen Konsequenzen verfolgt würde.

Kurz verweilen müssen wir dagegen bei der Frage nach der Gestaltung des
Rechtsschutzes. Daß die beiden Funktionen der staatlichen Exekutive und der
Verwaltungsjurisdiktion, welche bisher in denselben Behörden vereinigt waren,
nicht mit innerer Notwendigkeit zusammengehören, ist bereits oben hervorgehoben.
Überweist man dieselben nun an getrennte Behörden, so gewinnt man die Mög¬
lichkeit, den mit der Rechtsprechung betrauten Beamten diejenige volle Unab¬
hängigkeit der richterlichen Stellung zu verschaffen, welche den reinen Verwal¬
tungsbeamten ans überwiegenden Gründen des öffentlichen Wohls versagt werden
muß. Hiernach ist die Einrichtung von besondern Vcrwaltungsgerichtsbehörden,
welche gleichzeitig als Gerichte über die Legalität administrativer Maßregeln ur¬
teilen können, von selbst gegeben. Denn der sonst allenfalls naheliegende Ge¬
danke, auch diese Jurisdiktion den ordentlichen Gerichten zu übertragen, scheitert,
abgesehen von andern Gründen, schon an der Unmöglichkeit, daß der Dnrch-
schnittsrichter alle Gebiete des Privat- und öffentlichen Rechts in dem zur Ent¬
faltung einer gedeihlichen praktischen Thätigkeit erforderlichen Grade gleichmäßig
beherrsche.

Noch schwieriger aber als die Verständigung über den Rechtsschutz bleibt
die Erzielung übereinstimmender Ansichten in Bezug auf ein Thema, das schon
vielen unnützen Staub aufgewirbelt hat. Das Prinzip nämlich, von welchem
die öffentliche Meinung alles Heil für die Berwaltungsreform erwartet, ist be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/543>, abgerufen am 26.06.2024.