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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Zur Verwaltungsreform in Preußen.

le beispiellosen Erfolge, welche Preußens auswärtige Politik durch
drei glücklich geführte Kriege in den beiden letzte" Jahrzehnten
errungen hatte, mußte" naturgemäß mich a"s das gesaiuinte innere
Leben der Nation in epochemachender Weise znrnckivirken. Schon
die Vergrößerung des Staatsgebietes, vor allen, ober die Einigung
Deutschlands, die Wiedermtfrichtung des deutscheu Kaisertums, d. h. die Ver¬
wirklichung der höchsten politischen Ideale des deutschen Volkes, alles dies waren
Umwülznngeu von solcher Großartigkeit, das; sie sich selbstverständlich nicht voll¬
ziehen konnten, ohne in alle Gebiete des Lebens mehr oder minder tief einzu¬
schneiden. Mit der unerbittlichen Logik der Thatsachen widerlegte der Gang
der Geschichte die Glaubenssätze doktrinärer Spekulation, an deren müßigen
Spielereien man so viele Freude gehabt hatte, stellte die Nichtigkeit manches
bisher als tiefsinnig angestaunten, vom aprioristischen Standpunkte ans schön
ausgeklügelten politischen Systems bloß. Überall aber, wo die alte Form zer¬
schlagen war, ging man sofort mit einer Arbeitsenergie und einer Schaffens¬
freudigkeit ohne gleichen ans Werk, um für den neue" Inhalt "me Formen zu
finden.

Vieles und Großes ist seitdem erreicht worden. Mancher ursprünglich als
Umsturzidee verfehmte Gedanke hat sich in der Folge bei näherer Betrachtung
als gesunde Reformbestrebnug ausgewiesen und wohl gar praktische Gestalt ge¬
wonnen, manche Erkenntnis einzelner Parteien ist Gemeingut der ganzen Nation
geworden. Freilich sind auch Mißgriffe, wie dies bei der Hast eines frischen,
aber zugleich skrupelloser Vvrwürtsstrebens nicht ausbleiben kann, in reichlichem
Maße mit untergelaufen. So ist auf die Zeit des begeisterten Aufschwunges
eine Periode der Abspannung und des Verdrusses gefolgt. Und doch harrt noch


Gu'nzbotl'i, 1. 1882, 67


Zur Verwaltungsreform in Preußen.

le beispiellosen Erfolge, welche Preußens auswärtige Politik durch
drei glücklich geführte Kriege in den beiden letzte» Jahrzehnten
errungen hatte, mußte» naturgemäß mich a»s das gesaiuinte innere
Leben der Nation in epochemachender Weise znrnckivirken. Schon
die Vergrößerung des Staatsgebietes, vor allen, ober die Einigung
Deutschlands, die Wiedermtfrichtung des deutscheu Kaisertums, d. h. die Ver¬
wirklichung der höchsten politischen Ideale des deutschen Volkes, alles dies waren
Umwülznngeu von solcher Großartigkeit, das; sie sich selbstverständlich nicht voll¬
ziehen konnten, ohne in alle Gebiete des Lebens mehr oder minder tief einzu¬
schneiden. Mit der unerbittlichen Logik der Thatsachen widerlegte der Gang
der Geschichte die Glaubenssätze doktrinärer Spekulation, an deren müßigen
Spielereien man so viele Freude gehabt hatte, stellte die Nichtigkeit manches
bisher als tiefsinnig angestaunten, vom aprioristischen Standpunkte ans schön
ausgeklügelten politischen Systems bloß. Überall aber, wo die alte Form zer¬
schlagen war, ging man sofort mit einer Arbeitsenergie und einer Schaffens¬
freudigkeit ohne gleichen ans Werk, um für den neue» Inhalt »me Formen zu
finden.

Vieles und Großes ist seitdem erreicht worden. Mancher ursprünglich als
Umsturzidee verfehmte Gedanke hat sich in der Folge bei näherer Betrachtung
als gesunde Reformbestrebnug ausgewiesen und wohl gar praktische Gestalt ge¬
wonnen, manche Erkenntnis einzelner Parteien ist Gemeingut der ganzen Nation
geworden. Freilich sind auch Mißgriffe, wie dies bei der Hast eines frischen,
aber zugleich skrupelloser Vvrwürtsstrebens nicht ausbleiben kann, in reichlichem
Maße mit untergelaufen. So ist auf die Zeit des begeisterten Aufschwunges
eine Periode der Abspannung und des Verdrusses gefolgt. Und doch harrt noch


Gu'nzbotl'i, 1. 1882, 67
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[0537] [Abbildung] Zur Verwaltungsreform in Preußen. le beispiellosen Erfolge, welche Preußens auswärtige Politik durch drei glücklich geführte Kriege in den beiden letzte» Jahrzehnten errungen hatte, mußte» naturgemäß mich a»s das gesaiuinte innere Leben der Nation in epochemachender Weise znrnckivirken. Schon die Vergrößerung des Staatsgebietes, vor allen, ober die Einigung Deutschlands, die Wiedermtfrichtung des deutscheu Kaisertums, d. h. die Ver¬ wirklichung der höchsten politischen Ideale des deutschen Volkes, alles dies waren Umwülznngeu von solcher Großartigkeit, das; sie sich selbstverständlich nicht voll¬ ziehen konnten, ohne in alle Gebiete des Lebens mehr oder minder tief einzu¬ schneiden. Mit der unerbittlichen Logik der Thatsachen widerlegte der Gang der Geschichte die Glaubenssätze doktrinärer Spekulation, an deren müßigen Spielereien man so viele Freude gehabt hatte, stellte die Nichtigkeit manches bisher als tiefsinnig angestaunten, vom aprioristischen Standpunkte ans schön ausgeklügelten politischen Systems bloß. Überall aber, wo die alte Form zer¬ schlagen war, ging man sofort mit einer Arbeitsenergie und einer Schaffens¬ freudigkeit ohne gleichen ans Werk, um für den neue» Inhalt »me Formen zu finden. Vieles und Großes ist seitdem erreicht worden. Mancher ursprünglich als Umsturzidee verfehmte Gedanke hat sich in der Folge bei näherer Betrachtung als gesunde Reformbestrebnug ausgewiesen und wohl gar praktische Gestalt ge¬ wonnen, manche Erkenntnis einzelner Parteien ist Gemeingut der ganzen Nation geworden. Freilich sind auch Mißgriffe, wie dies bei der Hast eines frischen, aber zugleich skrupelloser Vvrwürtsstrebens nicht ausbleiben kann, in reichlichem Maße mit untergelaufen. So ist auf die Zeit des begeisterten Aufschwunges eine Periode der Abspannung und des Verdrusses gefolgt. Und doch harrt noch Gu'nzbotl'i, 1. 1882, 67

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/537>, abgerufen am 26.06.2024.