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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Bakchon und ThyrsostrÄgcr.

das Diner war dieses Mal, wie ich selbst gestehen muß, ziemlich gut ge¬
wesen ....

Ihre Diners sind immer ziemlich gut, unterbrach ihn der Minister lachend.
Ich muß gestehen, daß ich an jenen: Abend, den Sie meinen, des Guten so viel
gethan hatte, daß ich nicht ganz ohne Befürchtung eines Schlaganfalls war.
Das rote Rebhuhn-Ragout hatte es mir angethan.

Nun gut. Seine Excellenz fuhren also unter nachsichtiger Anerkennung der
Leistungen meines Kochs nach Hause, als an Kranzlers Ecke eine momentane
Stockung im Verkehr den Wagen zum Halten nötigt. Da tritt so ein ärmlich
Kerlchen an den Schlag und bittet um ein Almosen, indem es sagt: Ich vergehe
vor Hunger. Und darüber beklagst du dich noch, Bursche? erwiedern Seine
Excellenz ächzend, ich möchte wohl an deiner Stelle sein.

Seine Excellenz Graf von Torres Novas, Minister von Portugal, meldete
der Diener.

Der portugiesische Gesandte brachte auch von seinem Monarchen ein sicht¬
bares Zeichen der Anerkennung für den großen Finanzmann, dessen Name auf
allen Handelsplätzen der Erde von gutem Klang war, und ihm folgte eine
lange Reihe von Würdenträgern des Inlandes und des Auslandes. Ein glänzender
Wagen nach dem andern rollte in die säulengetragene Vorhalle der prächtigen
Villa, und eine wogende Menge vornehmer und reicher Herren und Damen
strömte ab und zu in dem Empfangssaal und dem schön bemalten Arbeitszimmer
des Bankiers.

Er selbst, mit allen seinen Orden geschmückt, die sich heute so glän¬
zend vermehrten, watschelte hin und wider, hier die Hand drückend, dort
ein witziges Wort und dort ein gnädiges Kopfnicken den Gratulanten zu¬
wendend.

Aber seine Seele war in der Küche.

Er hatte auf heute Mittag -- und der Mittag fing bei ihm um 6 Uhr
Abends an -- ein Diner bestellt, zu welchem er fünfzig Personen eingeladen
hatte, darunter wohl ein Dutzend älterer Herren, welche für die feinsten Zungen
der Stadt galten. Unter diesen Herren war ein großer Arzt, der sich durch ein
gelehrtes Werk über Magenleiden berühmt gemacht und viel zur Verbreitung
einer von ihm erfundenen neuen Mayonnaisen-Sauce gethan hatte, ferner ein
Prälat und Kammerherr des Degens und der Kappe Seiner Heiligkeit des Papstes,
welcher das Geheimnis eines Salats von Eiweiß mit Lucca-Öl von Rom nach
Berlin gebracht hatte, ferner der Reichstagsabgeordnete Irrwisch, sein angeheirateter
Verwandter, mit welchem er in beständiger Fehde über den Zeitpunkt der Voll¬
kommenheit einer gebratenen Rindslende lag, der Prinz von Parolignac, sowie
andre weise und gediegene Männer, die zu der Einsicht gekommen waren, daß
auf dieser schwankenden und wechselnden Welt alles eitel sei, nur nicht das, was
man ißt und trinkt.


Bakchon und ThyrsostrÄgcr.

das Diner war dieses Mal, wie ich selbst gestehen muß, ziemlich gut ge¬
wesen ....

Ihre Diners sind immer ziemlich gut, unterbrach ihn der Minister lachend.
Ich muß gestehen, daß ich an jenen: Abend, den Sie meinen, des Guten so viel
gethan hatte, daß ich nicht ganz ohne Befürchtung eines Schlaganfalls war.
Das rote Rebhuhn-Ragout hatte es mir angethan.

Nun gut. Seine Excellenz fuhren also unter nachsichtiger Anerkennung der
Leistungen meines Kochs nach Hause, als an Kranzlers Ecke eine momentane
Stockung im Verkehr den Wagen zum Halten nötigt. Da tritt so ein ärmlich
Kerlchen an den Schlag und bittet um ein Almosen, indem es sagt: Ich vergehe
vor Hunger. Und darüber beklagst du dich noch, Bursche? erwiedern Seine
Excellenz ächzend, ich möchte wohl an deiner Stelle sein.

Seine Excellenz Graf von Torres Novas, Minister von Portugal, meldete
der Diener.

Der portugiesische Gesandte brachte auch von seinem Monarchen ein sicht¬
bares Zeichen der Anerkennung für den großen Finanzmann, dessen Name auf
allen Handelsplätzen der Erde von gutem Klang war, und ihm folgte eine
lange Reihe von Würdenträgern des Inlandes und des Auslandes. Ein glänzender
Wagen nach dem andern rollte in die säulengetragene Vorhalle der prächtigen
Villa, und eine wogende Menge vornehmer und reicher Herren und Damen
strömte ab und zu in dem Empfangssaal und dem schön bemalten Arbeitszimmer
des Bankiers.

Er selbst, mit allen seinen Orden geschmückt, die sich heute so glän¬
zend vermehrten, watschelte hin und wider, hier die Hand drückend, dort
ein witziges Wort und dort ein gnädiges Kopfnicken den Gratulanten zu¬
wendend.

Aber seine Seele war in der Küche.

Er hatte auf heute Mittag — und der Mittag fing bei ihm um 6 Uhr
Abends an — ein Diner bestellt, zu welchem er fünfzig Personen eingeladen
hatte, darunter wohl ein Dutzend älterer Herren, welche für die feinsten Zungen
der Stadt galten. Unter diesen Herren war ein großer Arzt, der sich durch ein
gelehrtes Werk über Magenleiden berühmt gemacht und viel zur Verbreitung
einer von ihm erfundenen neuen Mayonnaisen-Sauce gethan hatte, ferner ein
Prälat und Kammerherr des Degens und der Kappe Seiner Heiligkeit des Papstes,
welcher das Geheimnis eines Salats von Eiweiß mit Lucca-Öl von Rom nach
Berlin gebracht hatte, ferner der Reichstagsabgeordnete Irrwisch, sein angeheirateter
Verwandter, mit welchem er in beständiger Fehde über den Zeitpunkt der Voll¬
kommenheit einer gebratenen Rindslende lag, der Prinz von Parolignac, sowie
andre weise und gediegene Männer, die zu der Einsicht gekommen waren, daß
auf dieser schwankenden und wechselnden Welt alles eitel sei, nur nicht das, was
man ißt und trinkt.


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[0528] Bakchon und ThyrsostrÄgcr. das Diner war dieses Mal, wie ich selbst gestehen muß, ziemlich gut ge¬ wesen .... Ihre Diners sind immer ziemlich gut, unterbrach ihn der Minister lachend. Ich muß gestehen, daß ich an jenen: Abend, den Sie meinen, des Guten so viel gethan hatte, daß ich nicht ganz ohne Befürchtung eines Schlaganfalls war. Das rote Rebhuhn-Ragout hatte es mir angethan. Nun gut. Seine Excellenz fuhren also unter nachsichtiger Anerkennung der Leistungen meines Kochs nach Hause, als an Kranzlers Ecke eine momentane Stockung im Verkehr den Wagen zum Halten nötigt. Da tritt so ein ärmlich Kerlchen an den Schlag und bittet um ein Almosen, indem es sagt: Ich vergehe vor Hunger. Und darüber beklagst du dich noch, Bursche? erwiedern Seine Excellenz ächzend, ich möchte wohl an deiner Stelle sein. Seine Excellenz Graf von Torres Novas, Minister von Portugal, meldete der Diener. Der portugiesische Gesandte brachte auch von seinem Monarchen ein sicht¬ bares Zeichen der Anerkennung für den großen Finanzmann, dessen Name auf allen Handelsplätzen der Erde von gutem Klang war, und ihm folgte eine lange Reihe von Würdenträgern des Inlandes und des Auslandes. Ein glänzender Wagen nach dem andern rollte in die säulengetragene Vorhalle der prächtigen Villa, und eine wogende Menge vornehmer und reicher Herren und Damen strömte ab und zu in dem Empfangssaal und dem schön bemalten Arbeitszimmer des Bankiers. Er selbst, mit allen seinen Orden geschmückt, die sich heute so glän¬ zend vermehrten, watschelte hin und wider, hier die Hand drückend, dort ein witziges Wort und dort ein gnädiges Kopfnicken den Gratulanten zu¬ wendend. Aber seine Seele war in der Küche. Er hatte auf heute Mittag — und der Mittag fing bei ihm um 6 Uhr Abends an — ein Diner bestellt, zu welchem er fünfzig Personen eingeladen hatte, darunter wohl ein Dutzend älterer Herren, welche für die feinsten Zungen der Stadt galten. Unter diesen Herren war ein großer Arzt, der sich durch ein gelehrtes Werk über Magenleiden berühmt gemacht und viel zur Verbreitung einer von ihm erfundenen neuen Mayonnaisen-Sauce gethan hatte, ferner ein Prälat und Kammerherr des Degens und der Kappe Seiner Heiligkeit des Papstes, welcher das Geheimnis eines Salats von Eiweiß mit Lucca-Öl von Rom nach Berlin gebracht hatte, ferner der Reichstagsabgeordnete Irrwisch, sein angeheirateter Verwandter, mit welchem er in beständiger Fehde über den Zeitpunkt der Voll¬ kommenheit einer gebratenen Rindslende lag, der Prinz von Parolignac, sowie andre weise und gediegene Männer, die zu der Einsicht gekommen waren, daß auf dieser schwankenden und wechselnden Welt alles eitel sei, nur nicht das, was man ißt und trinkt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/528>, abgerufen am 26.06.2024.