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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Bakchen i"it Thyrsosträger.

In diesem Augenblicke meldete ein Diener Seine Excellenz Herrn Finanz¬
minister Müller.

Der Botschafter erhob sich.

Sie haben wichtige Geschäfte, sagte er. Überlegen Sie meine Vorschläge.

O, bitte, Excellenz, sagte der Baron, ihn am Arme festhaltend, es ist nur
unser Finanzminister. Excellenz haben ja noch nicht einmal ausgetrunken. --
Führen Sie Seine Excellenz herein, fügte er hinzu, sich zu dein Diener wendend.

Ein rosig blühender, lächelnder Herr zeigte sich in der Thür und ward vom
Bankier aufs freundschaftlichste begrüßt.

Es ist mir eine ganz besondre Freude, mein lieber alter Lovendal, sagte
er, mit meinem herzlichen Glückwunsch zugleich den Seiner Majestät zu ver¬
einigen, welche Ihnen durch mich den Titel "Geheimer Kommerzienrat" über¬
sendet und außerdem in Anerkennung Ihrer großen Verdienste dieses äußere
Zeichen allerhöchster Anerkennung.

Mit diesen Worten übergab er dem Bankier ein Pergament und schlang
ihm ein breites seidenes Band mit glänzendem Stern um den Hals.

Und wie ich glaube, fügte der Minister hinzu, wird diese Auszeichnung nicht
allein neben den: hohen russischen Orden bleiben, denn, wie nur schien, folgte der
Wagen des portugiesischen Gesandten dem meinigen.

Friedrich, rief der Bankier einem der Diener zu, sagen Sie dem Kammer¬
diener, er soll mir meine Orden bringen, die große Garnitur.

Wenn das doch meine Rebekka noch erlebt hätte, dachte er, vor eine riesige
silberne polirte Platte auf dem Büffet tretend und sich lächelnd darin spiegelnd,
indem er in seinem Witwertum der Illusion nachgab, es könne einen Gegenstand
geben, über welchen seine Ehehälfte, wenn sie noch lebte, mit ihm derselben
Meinung sein würde.

Danke, mein guter Müller, danke.

Er schüttelte den: Minister die Hand. -- Und auch den Ausdruck meiner
Anerkennung für Ihre ausgezeichnete Rede in der gestrigen Sitzung. Das war
nun einmal so ganz mir aus der Seele gesprochen! Ob nur die Leute es nicht
endlich satt bekommen werden, die Regierung zu tadeln und eine andre Wirt¬
schaftspolitik zu verlangen! Aber Unzufriedene giebt es ja freilich immer. Alle
die trägen und ungeschickten Leute, die es zu nichts gebracht haben, geben dem
System die Schuld anstatt sich selber. Aber mir ist nicht bange. So lange
Männer wie unser Müller und der wackere Schulze an der Spitze der Ver¬
waltung sind, so lange werden die Geschäfte gut gehen. Sind unsre Finanzen
nicht blühend?

Der Herr Finanzminister wenigstens sieht sehr blühend aus, sagte der Fürst
Tschitschaschew lächelnd.

Dabei fällt mir eine kleine Geschichte vom Herrn Finanzminister ein, sagte
der Bankier. Seine Excellenz fuhren vom Diner bei mir nach Hause, und


Bakchen i»it Thyrsosträger.

In diesem Augenblicke meldete ein Diener Seine Excellenz Herrn Finanz¬
minister Müller.

Der Botschafter erhob sich.

Sie haben wichtige Geschäfte, sagte er. Überlegen Sie meine Vorschläge.

O, bitte, Excellenz, sagte der Baron, ihn am Arme festhaltend, es ist nur
unser Finanzminister. Excellenz haben ja noch nicht einmal ausgetrunken. —
Führen Sie Seine Excellenz herein, fügte er hinzu, sich zu dein Diener wendend.

Ein rosig blühender, lächelnder Herr zeigte sich in der Thür und ward vom
Bankier aufs freundschaftlichste begrüßt.

Es ist mir eine ganz besondre Freude, mein lieber alter Lovendal, sagte
er, mit meinem herzlichen Glückwunsch zugleich den Seiner Majestät zu ver¬
einigen, welche Ihnen durch mich den Titel „Geheimer Kommerzienrat" über¬
sendet und außerdem in Anerkennung Ihrer großen Verdienste dieses äußere
Zeichen allerhöchster Anerkennung.

Mit diesen Worten übergab er dem Bankier ein Pergament und schlang
ihm ein breites seidenes Band mit glänzendem Stern um den Hals.

Und wie ich glaube, fügte der Minister hinzu, wird diese Auszeichnung nicht
allein neben den: hohen russischen Orden bleiben, denn, wie nur schien, folgte der
Wagen des portugiesischen Gesandten dem meinigen.

Friedrich, rief der Bankier einem der Diener zu, sagen Sie dem Kammer¬
diener, er soll mir meine Orden bringen, die große Garnitur.

Wenn das doch meine Rebekka noch erlebt hätte, dachte er, vor eine riesige
silberne polirte Platte auf dem Büffet tretend und sich lächelnd darin spiegelnd,
indem er in seinem Witwertum der Illusion nachgab, es könne einen Gegenstand
geben, über welchen seine Ehehälfte, wenn sie noch lebte, mit ihm derselben
Meinung sein würde.

Danke, mein guter Müller, danke.

Er schüttelte den: Minister die Hand. — Und auch den Ausdruck meiner
Anerkennung für Ihre ausgezeichnete Rede in der gestrigen Sitzung. Das war
nun einmal so ganz mir aus der Seele gesprochen! Ob nur die Leute es nicht
endlich satt bekommen werden, die Regierung zu tadeln und eine andre Wirt¬
schaftspolitik zu verlangen! Aber Unzufriedene giebt es ja freilich immer. Alle
die trägen und ungeschickten Leute, die es zu nichts gebracht haben, geben dem
System die Schuld anstatt sich selber. Aber mir ist nicht bange. So lange
Männer wie unser Müller und der wackere Schulze an der Spitze der Ver¬
waltung sind, so lange werden die Geschäfte gut gehen. Sind unsre Finanzen
nicht blühend?

Der Herr Finanzminister wenigstens sieht sehr blühend aus, sagte der Fürst
Tschitschaschew lächelnd.

Dabei fällt mir eine kleine Geschichte vom Herrn Finanzminister ein, sagte
der Bankier. Seine Excellenz fuhren vom Diner bei mir nach Hause, und


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[0527] Bakchen i»it Thyrsosträger. In diesem Augenblicke meldete ein Diener Seine Excellenz Herrn Finanz¬ minister Müller. Der Botschafter erhob sich. Sie haben wichtige Geschäfte, sagte er. Überlegen Sie meine Vorschläge. O, bitte, Excellenz, sagte der Baron, ihn am Arme festhaltend, es ist nur unser Finanzminister. Excellenz haben ja noch nicht einmal ausgetrunken. — Führen Sie Seine Excellenz herein, fügte er hinzu, sich zu dein Diener wendend. Ein rosig blühender, lächelnder Herr zeigte sich in der Thür und ward vom Bankier aufs freundschaftlichste begrüßt. Es ist mir eine ganz besondre Freude, mein lieber alter Lovendal, sagte er, mit meinem herzlichen Glückwunsch zugleich den Seiner Majestät zu ver¬ einigen, welche Ihnen durch mich den Titel „Geheimer Kommerzienrat" über¬ sendet und außerdem in Anerkennung Ihrer großen Verdienste dieses äußere Zeichen allerhöchster Anerkennung. Mit diesen Worten übergab er dem Bankier ein Pergament und schlang ihm ein breites seidenes Band mit glänzendem Stern um den Hals. Und wie ich glaube, fügte der Minister hinzu, wird diese Auszeichnung nicht allein neben den: hohen russischen Orden bleiben, denn, wie nur schien, folgte der Wagen des portugiesischen Gesandten dem meinigen. Friedrich, rief der Bankier einem der Diener zu, sagen Sie dem Kammer¬ diener, er soll mir meine Orden bringen, die große Garnitur. Wenn das doch meine Rebekka noch erlebt hätte, dachte er, vor eine riesige silberne polirte Platte auf dem Büffet tretend und sich lächelnd darin spiegelnd, indem er in seinem Witwertum der Illusion nachgab, es könne einen Gegenstand geben, über welchen seine Ehehälfte, wenn sie noch lebte, mit ihm derselben Meinung sein würde. Danke, mein guter Müller, danke. Er schüttelte den: Minister die Hand. — Und auch den Ausdruck meiner Anerkennung für Ihre ausgezeichnete Rede in der gestrigen Sitzung. Das war nun einmal so ganz mir aus der Seele gesprochen! Ob nur die Leute es nicht endlich satt bekommen werden, die Regierung zu tadeln und eine andre Wirt¬ schaftspolitik zu verlangen! Aber Unzufriedene giebt es ja freilich immer. Alle die trägen und ungeschickten Leute, die es zu nichts gebracht haben, geben dem System die Schuld anstatt sich selber. Aber mir ist nicht bange. So lange Männer wie unser Müller und der wackere Schulze an der Spitze der Ver¬ waltung sind, so lange werden die Geschäfte gut gehen. Sind unsre Finanzen nicht blühend? Der Herr Finanzminister wenigstens sieht sehr blühend aus, sagte der Fürst Tschitschaschew lächelnd. Dabei fällt mir eine kleine Geschichte vom Herrn Finanzminister ein, sagte der Bankier. Seine Excellenz fuhren vom Diner bei mir nach Hause, und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/527>, abgerufen am 26.06.2024.