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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Bakchen und Thyrsosträger.
R August Niemann ( oman von Gotha).

Das Recht dir Überhebung vvrbc-
Nachdrnit verboten, (Fortsetzung.)

ber die Verhandlung zeigte sich schwierig. Der Bankier war mit
materiellen Vorteilen allein nicht zufrieden, obwohl er berechnete,
daß das Konsortium etwa zweihundert Millionen Mark an der
Anleihe verdienen würde, von denen ein Viertel ans den Loven-
dalschcn Anteil kommen mußte, sondern er mischte politische Mo¬
mente hinein, welche dem Fürsten nicht gefielen. Er bestand darauf, die russische
Regierung sollte einen Druck auf das Fürstentum Rumänien ausüben, um deu
Verfolgungen der Juden in jenem Lande ein Ende zu machen.

Während in dem ganzen zivilisirtcn Europa, sagte er, eine Toleranz herrscht,
welche die beste Bürgschaft für den guten Verlauf der Geschäfte ist, führt dort
im Winkel eine ungebildete, rohe Bevölkerung offenen Krieg gegen harmlose, fried¬
fertige Bürger, bloß weil sie haben einen andern Glauben, und sie verübt ohne
Scheu die schrecklichsten Greuel. Das kann zu einem bedenklichen Konflikt führen
und die friedliche Lage bedrohen. Die Regierungen von Deutschland, Frankreich
und England haben sich bis jetzt geweigert, die Selbständigkeit Rumäniens an¬
zuerkennen, bloß aus diesem Grunde. Rußland kann nicht seinen Kredit behaupten,
wenn es duldet, daß unter seinen Kanonen solche Greuel geschehen und wenn
sogar in Nußland selbst ungerechte Maßregeln gegen die Jsraeliten genommen
werden.

Der Fürst schloß seine großen Augen zur Hälfte, gleich als wollte er das
Fenster schließen, durch welches man seine Gedanken hätte sehen können, und sagte:
Verzeihen Sie, lieber Baron, aber Sie sind in diesem Falle nicht gut berichtet.
Die Bevölkerung Rumäniens erwehrt sich nur mit Mühe der Juden, welche gleich
Heuschrecken über das Land herfallen. Diese schlauen Händler bringen alles
Land dort unten an sich, und die Kammer sucht vergeblich nach Gesetzen gegen
sie, weil die fremden Residenten hinderlich sind.




Bakchen und Thyrsosträger.
R August Niemann ( oman von Gotha).

Das Recht dir Überhebung vvrbc-
Nachdrnit verboten, (Fortsetzung.)

ber die Verhandlung zeigte sich schwierig. Der Bankier war mit
materiellen Vorteilen allein nicht zufrieden, obwohl er berechnete,
daß das Konsortium etwa zweihundert Millionen Mark an der
Anleihe verdienen würde, von denen ein Viertel ans den Loven-
dalschcn Anteil kommen mußte, sondern er mischte politische Mo¬
mente hinein, welche dem Fürsten nicht gefielen. Er bestand darauf, die russische
Regierung sollte einen Druck auf das Fürstentum Rumänien ausüben, um deu
Verfolgungen der Juden in jenem Lande ein Ende zu machen.

Während in dem ganzen zivilisirtcn Europa, sagte er, eine Toleranz herrscht,
welche die beste Bürgschaft für den guten Verlauf der Geschäfte ist, führt dort
im Winkel eine ungebildete, rohe Bevölkerung offenen Krieg gegen harmlose, fried¬
fertige Bürger, bloß weil sie haben einen andern Glauben, und sie verübt ohne
Scheu die schrecklichsten Greuel. Das kann zu einem bedenklichen Konflikt führen
und die friedliche Lage bedrohen. Die Regierungen von Deutschland, Frankreich
und England haben sich bis jetzt geweigert, die Selbständigkeit Rumäniens an¬
zuerkennen, bloß aus diesem Grunde. Rußland kann nicht seinen Kredit behaupten,
wenn es duldet, daß unter seinen Kanonen solche Greuel geschehen und wenn
sogar in Nußland selbst ungerechte Maßregeln gegen die Jsraeliten genommen
werden.

Der Fürst schloß seine großen Augen zur Hälfte, gleich als wollte er das
Fenster schließen, durch welches man seine Gedanken hätte sehen können, und sagte:
Verzeihen Sie, lieber Baron, aber Sie sind in diesem Falle nicht gut berichtet.
Die Bevölkerung Rumäniens erwehrt sich nur mit Mühe der Juden, welche gleich
Heuschrecken über das Land herfallen. Diese schlauen Händler bringen alles
Land dort unten an sich, und die Kammer sucht vergeblich nach Gesetzen gegen
sie, weil die fremden Residenten hinderlich sind.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/526>, abgerufen am 26.06.2024.