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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Lin Abend bei den musikalischen lNeiningern.

tretend hat spielen lassen. So erst prüsentirt sie sich als das, was sie ist: eine
geniale Caprice des Sinfonienmeisters.

Überhaupt macht Bülow aus diesem Tripelkonzert, was sich nur daraus
machen läßt. Es ist das ungeratene Kind eines großen Mannes, und ist es
schon als solches eine nicht uninteressante Erscheinung, so begegnet man ihm
um so lieber einmal, je seltener es auf den deutschen Kvnzertzetteln auftritt.
Auch ist der Versuch, die drei gegenwärtig noch einzig konzertfähigen Instrumente:
Klavier, Violine und Cello in einem Werke zu verbinden, meines Wissens vor
und nach Beethoven nicht gemacht worden. Dennoch hat es etwas Trauriges,
eine sonst titanische Kraft sich hier fruchtlos so abmühen zu sehen, wie dies in
den meisten Solo- und Kvnzertstellen des Werkes der Fall ist. Da war denn
die fröhliche Frische, der kräftige und flotte Zug, mit welchem Herr von Bülow
die Tutti einsetzen und durchspielen ließ, von doppelt vollendeter Wirkung. Wie
er aber an keinem interessanten Plätzchen gleichgiltig vorbeiging, welches sich in
der Orchesterpartie findet, so schien sich sein belebender Einfluß auch auf die Aus¬
führung der Solopartien zu erstrecken. Die wenige" wirklich musikalischen Reize,
die sie hat, wurden durch den Vortrag so deutlich gezeigt als es möglich ist,
namentlich die zarten, zierlichen, kosenden Stellen suchte das eine Instrument
immer noch einschmeichelnder wiederzugeben als die andern. Unter den drei
Soloinstrumentcn spielt das Cello die undankbarste Rolle; es hat sich mit nichts¬
nutzigen Figuren abzuquälen, die noch dazu sehr schwierig liegen. Wir wollen es
daher Herrn Hilpert nicht im geringsten zum Vorwurf machen, daß ihm dieselben
nicht immer absolut rein gelangen. Herr Hilpert, der durch seine langjährige
Mitwirkung im Florentinerquartett in der Kunstwelt einen sehr geachteten Namen
erworben hat, gehört jetzt seit Jahren der herzoglichen Hofkapelle als ständiges
Mitglied an und macht sich auch um den Chorgesang in Meiningen verdient.
Der Konzertmeister Herr Fleischhauer spielte die Solovioline des Konzertes sehr
lobenswert, und ein junger Engländer Namens Hatton, der bereits den Titel
eines "Hofpianisten" trägt, führte die Piauofortepartie korrekt und elegant.

Auch in den im verflossenen Winter zu Meiningen selbst abgehaltenen
Becthovenkonzerten wechselten die Orchestervorträge mit Sololeistungen ab. Es
ist dies eine notwendige Einrichtung, und man kann sie sich doppelt gern gefallen
lassen, wenn man dabei auf so seltene Gäste stößt wie das Tripelkonzert. Gleich¬
wohl haben diese Solistenvortrcige nur die Bedeutung von Zwischengerichten;
der Schwerpunkt der von den Meiningern veranstalteten Konzerte liegt in der
Wiedergabe von reinen Orchesterkompositionen. Leisten die Meininger hierin
auch nichts außerordentliches in dem Sinne, daß andre Kapellen dasselbe nicht
auch leisten könnten, so ist das ganze Unternehmen der Meininger doch immer
von großer Wichtigkeit deshalb, weil eben jene andern, wie schon oben ausge¬
führt wurde, nicht immer das leisten, was sie könnten. Den großen Kunstverstand,
durch welchen Herr von Bülow sich auszeichnet, besitzen außer ihm noch viele


Lin Abend bei den musikalischen lNeiningern.

tretend hat spielen lassen. So erst prüsentirt sie sich als das, was sie ist: eine
geniale Caprice des Sinfonienmeisters.

Überhaupt macht Bülow aus diesem Tripelkonzert, was sich nur daraus
machen läßt. Es ist das ungeratene Kind eines großen Mannes, und ist es
schon als solches eine nicht uninteressante Erscheinung, so begegnet man ihm
um so lieber einmal, je seltener es auf den deutschen Kvnzertzetteln auftritt.
Auch ist der Versuch, die drei gegenwärtig noch einzig konzertfähigen Instrumente:
Klavier, Violine und Cello in einem Werke zu verbinden, meines Wissens vor
und nach Beethoven nicht gemacht worden. Dennoch hat es etwas Trauriges,
eine sonst titanische Kraft sich hier fruchtlos so abmühen zu sehen, wie dies in
den meisten Solo- und Kvnzertstellen des Werkes der Fall ist. Da war denn
die fröhliche Frische, der kräftige und flotte Zug, mit welchem Herr von Bülow
die Tutti einsetzen und durchspielen ließ, von doppelt vollendeter Wirkung. Wie
er aber an keinem interessanten Plätzchen gleichgiltig vorbeiging, welches sich in
der Orchesterpartie findet, so schien sich sein belebender Einfluß auch auf die Aus¬
führung der Solopartien zu erstrecken. Die wenige» wirklich musikalischen Reize,
die sie hat, wurden durch den Vortrag so deutlich gezeigt als es möglich ist,
namentlich die zarten, zierlichen, kosenden Stellen suchte das eine Instrument
immer noch einschmeichelnder wiederzugeben als die andern. Unter den drei
Soloinstrumentcn spielt das Cello die undankbarste Rolle; es hat sich mit nichts¬
nutzigen Figuren abzuquälen, die noch dazu sehr schwierig liegen. Wir wollen es
daher Herrn Hilpert nicht im geringsten zum Vorwurf machen, daß ihm dieselben
nicht immer absolut rein gelangen. Herr Hilpert, der durch seine langjährige
Mitwirkung im Florentinerquartett in der Kunstwelt einen sehr geachteten Namen
erworben hat, gehört jetzt seit Jahren der herzoglichen Hofkapelle als ständiges
Mitglied an und macht sich auch um den Chorgesang in Meiningen verdient.
Der Konzertmeister Herr Fleischhauer spielte die Solovioline des Konzertes sehr
lobenswert, und ein junger Engländer Namens Hatton, der bereits den Titel
eines „Hofpianisten" trägt, führte die Piauofortepartie korrekt und elegant.

Auch in den im verflossenen Winter zu Meiningen selbst abgehaltenen
Becthovenkonzerten wechselten die Orchestervorträge mit Sololeistungen ab. Es
ist dies eine notwendige Einrichtung, und man kann sie sich doppelt gern gefallen
lassen, wenn man dabei auf so seltene Gäste stößt wie das Tripelkonzert. Gleich¬
wohl haben diese Solistenvortrcige nur die Bedeutung von Zwischengerichten;
der Schwerpunkt der von den Meiningern veranstalteten Konzerte liegt in der
Wiedergabe von reinen Orchesterkompositionen. Leisten die Meininger hierin
auch nichts außerordentliches in dem Sinne, daß andre Kapellen dasselbe nicht
auch leisten könnten, so ist das ganze Unternehmen der Meininger doch immer
von großer Wichtigkeit deshalb, weil eben jene andern, wie schon oben ausge¬
führt wurde, nicht immer das leisten, was sie könnten. Den großen Kunstverstand,
durch welchen Herr von Bülow sich auszeichnet, besitzen außer ihm noch viele


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[0524] Lin Abend bei den musikalischen lNeiningern. tretend hat spielen lassen. So erst prüsentirt sie sich als das, was sie ist: eine geniale Caprice des Sinfonienmeisters. Überhaupt macht Bülow aus diesem Tripelkonzert, was sich nur daraus machen läßt. Es ist das ungeratene Kind eines großen Mannes, und ist es schon als solches eine nicht uninteressante Erscheinung, so begegnet man ihm um so lieber einmal, je seltener es auf den deutschen Kvnzertzetteln auftritt. Auch ist der Versuch, die drei gegenwärtig noch einzig konzertfähigen Instrumente: Klavier, Violine und Cello in einem Werke zu verbinden, meines Wissens vor und nach Beethoven nicht gemacht worden. Dennoch hat es etwas Trauriges, eine sonst titanische Kraft sich hier fruchtlos so abmühen zu sehen, wie dies in den meisten Solo- und Kvnzertstellen des Werkes der Fall ist. Da war denn die fröhliche Frische, der kräftige und flotte Zug, mit welchem Herr von Bülow die Tutti einsetzen und durchspielen ließ, von doppelt vollendeter Wirkung. Wie er aber an keinem interessanten Plätzchen gleichgiltig vorbeiging, welches sich in der Orchesterpartie findet, so schien sich sein belebender Einfluß auch auf die Aus¬ führung der Solopartien zu erstrecken. Die wenige» wirklich musikalischen Reize, die sie hat, wurden durch den Vortrag so deutlich gezeigt als es möglich ist, namentlich die zarten, zierlichen, kosenden Stellen suchte das eine Instrument immer noch einschmeichelnder wiederzugeben als die andern. Unter den drei Soloinstrumentcn spielt das Cello die undankbarste Rolle; es hat sich mit nichts¬ nutzigen Figuren abzuquälen, die noch dazu sehr schwierig liegen. Wir wollen es daher Herrn Hilpert nicht im geringsten zum Vorwurf machen, daß ihm dieselben nicht immer absolut rein gelangen. Herr Hilpert, der durch seine langjährige Mitwirkung im Florentinerquartett in der Kunstwelt einen sehr geachteten Namen erworben hat, gehört jetzt seit Jahren der herzoglichen Hofkapelle als ständiges Mitglied an und macht sich auch um den Chorgesang in Meiningen verdient. Der Konzertmeister Herr Fleischhauer spielte die Solovioline des Konzertes sehr lobenswert, und ein junger Engländer Namens Hatton, der bereits den Titel eines „Hofpianisten" trägt, führte die Piauofortepartie korrekt und elegant. Auch in den im verflossenen Winter zu Meiningen selbst abgehaltenen Becthovenkonzerten wechselten die Orchestervorträge mit Sololeistungen ab. Es ist dies eine notwendige Einrichtung, und man kann sie sich doppelt gern gefallen lassen, wenn man dabei auf so seltene Gäste stößt wie das Tripelkonzert. Gleich¬ wohl haben diese Solistenvortrcige nur die Bedeutung von Zwischengerichten; der Schwerpunkt der von den Meiningern veranstalteten Konzerte liegt in der Wiedergabe von reinen Orchesterkompositionen. Leisten die Meininger hierin auch nichts außerordentliches in dem Sinne, daß andre Kapellen dasselbe nicht auch leisten könnten, so ist das ganze Unternehmen der Meininger doch immer von großer Wichtigkeit deshalb, weil eben jene andern, wie schon oben ausge¬ führt wurde, nicht immer das leisten, was sie könnten. Den großen Kunstverstand, durch welchen Herr von Bülow sich auszeichnet, besitzen außer ihm noch viele

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/524>, abgerufen am 26.06.2024.