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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Die Frau Bürgemeisterin.

als der letzte Roman angekündigt, den der "berühmte Verfasser" auf egyptischem
Boden spielen zu lassen gedächte. Regte sich doch bereits bei den letzten Romanen
eine Opposition, von der zu befürchten stand, daß sie, wenn auch zunächst auf
kleine Kreise beschränkt, an Boden gewinnen würde. Die "Schwestern" gaben
sogar den Stoff zu einer Schrift Heinrich Steinhausens-. "Memphis in Leipzig,"
in der gegen die Eberssche Art, die Vergangenheit zu modernisiren und die
modernsten und subjektivsten Anschauungen in historisches Gewand zu kleiden,
entschieden zu Felde gezogen wurde. Steinhaufen wies z. B. auf die Verzerrung
hin, die dabei herauskommt, wenn Herr Ebers uns schildert, wie er sich die An¬
sichten vorstellt, die Ptolemäus Euergetes darüber ausgesprochen haben könnte,
welches die Auffassung des Psalmisten über göttliche Dinge sei. Auch Sprache
lind Stil des gefeierten Dichters unterzog Steinhaufen einer scharfen, aber
durchaus gerechtfertigten Kritik. Mit andern Waffen unternahm den Angriff
ein Pseudvuymus Chr. v. Hufen (am Ende gar auch Steinhausen?), der in
einem bei O. Wigand erschienenen Roman "Nausikaa" eine scharfe Parodie
auf die ganze Art der Ebersschen Romanfabrikation und ihrer miss-Sir-Sohns
gab. Er wollte offenbar den Versuch machen, was in Bezug auf übertreibende
Modernisirung, Alltäglichkeit der Sprache, Seltsamkeit der Erfindung das Pu¬
blikum sich bieten lasse, ehe es hinter den Scherz käme. Von der Wirkung
dieses Romans konnte nicht viel in die Öffentlichkeit dringen. Die "Kritik"
merkte entweder die Absicht gar nicht, oder wo sie dieselbe merkte, schwieg sie,
mochte es nun sein, weil sie gegen die Tagesströmung nicht ankämpfen, oder
weil sie die Mystifikation, die der Verfasser beabsichtigt, nicht vorzeitig enthüllen
wollte.'") So ist denn die Bedeutung des Namens "Ebers" im großen Pu¬
blikum noch immer keine geringe, wenn auch das Prestige desselben durch die
"Schwestern" und mehr noch den "Kaiser" stark ins Wanken gekommen ist.
Namentlich bei dem letzteren zeigte der Vergleich mit dem gleichzeitig erschienenen
"Antinous" vo" Taylor, wie weit die oberflächliche und flüchtige Art, mit der
Herr Ebers arbeitet, hinter einer wahrhaft ernsten und künstlerischen Produktion
zurücksteht.

Mit welchen Schwierigkeiten freilich ein Umschwung der öffentlichen Meinung
hier zu kcimpscn hat, dafür giebt einen ergötzlichen (und zugleich kläglichen)
Beleg folgende wahre Anekdote. Ein Herr äußert in einer Gesellschaft, daß
ihm der "Kaiser" gar nicht gefallen habe; er habe ihn nicht zu Ende lesen
mögen (wird wohl manchem so gegangen sein und wird bei der "Frau Bürge¬
meisterin" noch viel mehren so gehen). Da tritt eine Dame zu ihm mit den
Worten: "Wie freue ich mich, aus Ihrem Munde dies Urteil zu hören! Mir
ist es ebenso gegangen, ich habe mich aber gescheut, es auszusprechen, ich dachte,



Eine Fortsetzung dieses Rvinnns, die kürzlich erschienen ist, scheint den Zweck zu
haben, die Wirkung noch zu verstärken und die Bombe zum Platzen zu bringen.
Die Frau Bürgemeisterin.

als der letzte Roman angekündigt, den der „berühmte Verfasser" auf egyptischem
Boden spielen zu lassen gedächte. Regte sich doch bereits bei den letzten Romanen
eine Opposition, von der zu befürchten stand, daß sie, wenn auch zunächst auf
kleine Kreise beschränkt, an Boden gewinnen würde. Die „Schwestern" gaben
sogar den Stoff zu einer Schrift Heinrich Steinhausens-. „Memphis in Leipzig,"
in der gegen die Eberssche Art, die Vergangenheit zu modernisiren und die
modernsten und subjektivsten Anschauungen in historisches Gewand zu kleiden,
entschieden zu Felde gezogen wurde. Steinhaufen wies z. B. auf die Verzerrung
hin, die dabei herauskommt, wenn Herr Ebers uns schildert, wie er sich die An¬
sichten vorstellt, die Ptolemäus Euergetes darüber ausgesprochen haben könnte,
welches die Auffassung des Psalmisten über göttliche Dinge sei. Auch Sprache
lind Stil des gefeierten Dichters unterzog Steinhaufen einer scharfen, aber
durchaus gerechtfertigten Kritik. Mit andern Waffen unternahm den Angriff
ein Pseudvuymus Chr. v. Hufen (am Ende gar auch Steinhausen?), der in
einem bei O. Wigand erschienenen Roman „Nausikaa" eine scharfe Parodie
auf die ganze Art der Ebersschen Romanfabrikation und ihrer miss-Sir-Sohns
gab. Er wollte offenbar den Versuch machen, was in Bezug auf übertreibende
Modernisirung, Alltäglichkeit der Sprache, Seltsamkeit der Erfindung das Pu¬
blikum sich bieten lasse, ehe es hinter den Scherz käme. Von der Wirkung
dieses Romans konnte nicht viel in die Öffentlichkeit dringen. Die „Kritik"
merkte entweder die Absicht gar nicht, oder wo sie dieselbe merkte, schwieg sie,
mochte es nun sein, weil sie gegen die Tagesströmung nicht ankämpfen, oder
weil sie die Mystifikation, die der Verfasser beabsichtigt, nicht vorzeitig enthüllen
wollte.'") So ist denn die Bedeutung des Namens „Ebers" im großen Pu¬
blikum noch immer keine geringe, wenn auch das Prestige desselben durch die
„Schwestern" und mehr noch den „Kaiser" stark ins Wanken gekommen ist.
Namentlich bei dem letzteren zeigte der Vergleich mit dem gleichzeitig erschienenen
„Antinous" vo» Taylor, wie weit die oberflächliche und flüchtige Art, mit der
Herr Ebers arbeitet, hinter einer wahrhaft ernsten und künstlerischen Produktion
zurücksteht.

Mit welchen Schwierigkeiten freilich ein Umschwung der öffentlichen Meinung
hier zu kcimpscn hat, dafür giebt einen ergötzlichen (und zugleich kläglichen)
Beleg folgende wahre Anekdote. Ein Herr äußert in einer Gesellschaft, daß
ihm der „Kaiser" gar nicht gefallen habe; er habe ihn nicht zu Ende lesen
mögen (wird wohl manchem so gegangen sein und wird bei der „Frau Bürge¬
meisterin" noch viel mehren so gehen). Da tritt eine Dame zu ihm mit den
Worten: „Wie freue ich mich, aus Ihrem Munde dies Urteil zu hören! Mir
ist es ebenso gegangen, ich habe mich aber gescheut, es auszusprechen, ich dachte,



Eine Fortsetzung dieses Rvinnns, die kürzlich erschienen ist, scheint den Zweck zu
haben, die Wirkung noch zu verstärken und die Bombe zum Platzen zu bringen.
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[0515] Die Frau Bürgemeisterin. als der letzte Roman angekündigt, den der „berühmte Verfasser" auf egyptischem Boden spielen zu lassen gedächte. Regte sich doch bereits bei den letzten Romanen eine Opposition, von der zu befürchten stand, daß sie, wenn auch zunächst auf kleine Kreise beschränkt, an Boden gewinnen würde. Die „Schwestern" gaben sogar den Stoff zu einer Schrift Heinrich Steinhausens-. „Memphis in Leipzig," in der gegen die Eberssche Art, die Vergangenheit zu modernisiren und die modernsten und subjektivsten Anschauungen in historisches Gewand zu kleiden, entschieden zu Felde gezogen wurde. Steinhaufen wies z. B. auf die Verzerrung hin, die dabei herauskommt, wenn Herr Ebers uns schildert, wie er sich die An¬ sichten vorstellt, die Ptolemäus Euergetes darüber ausgesprochen haben könnte, welches die Auffassung des Psalmisten über göttliche Dinge sei. Auch Sprache lind Stil des gefeierten Dichters unterzog Steinhaufen einer scharfen, aber durchaus gerechtfertigten Kritik. Mit andern Waffen unternahm den Angriff ein Pseudvuymus Chr. v. Hufen (am Ende gar auch Steinhausen?), der in einem bei O. Wigand erschienenen Roman „Nausikaa" eine scharfe Parodie auf die ganze Art der Ebersschen Romanfabrikation und ihrer miss-Sir-Sohns gab. Er wollte offenbar den Versuch machen, was in Bezug auf übertreibende Modernisirung, Alltäglichkeit der Sprache, Seltsamkeit der Erfindung das Pu¬ blikum sich bieten lasse, ehe es hinter den Scherz käme. Von der Wirkung dieses Romans konnte nicht viel in die Öffentlichkeit dringen. Die „Kritik" merkte entweder die Absicht gar nicht, oder wo sie dieselbe merkte, schwieg sie, mochte es nun sein, weil sie gegen die Tagesströmung nicht ankämpfen, oder weil sie die Mystifikation, die der Verfasser beabsichtigt, nicht vorzeitig enthüllen wollte.'") So ist denn die Bedeutung des Namens „Ebers" im großen Pu¬ blikum noch immer keine geringe, wenn auch das Prestige desselben durch die „Schwestern" und mehr noch den „Kaiser" stark ins Wanken gekommen ist. Namentlich bei dem letzteren zeigte der Vergleich mit dem gleichzeitig erschienenen „Antinous" vo» Taylor, wie weit die oberflächliche und flüchtige Art, mit der Herr Ebers arbeitet, hinter einer wahrhaft ernsten und künstlerischen Produktion zurücksteht. Mit welchen Schwierigkeiten freilich ein Umschwung der öffentlichen Meinung hier zu kcimpscn hat, dafür giebt einen ergötzlichen (und zugleich kläglichen) Beleg folgende wahre Anekdote. Ein Herr äußert in einer Gesellschaft, daß ihm der „Kaiser" gar nicht gefallen habe; er habe ihn nicht zu Ende lesen mögen (wird wohl manchem so gegangen sein und wird bei der „Frau Bürge¬ meisterin" noch viel mehren so gehen). Da tritt eine Dame zu ihm mit den Worten: „Wie freue ich mich, aus Ihrem Munde dies Urteil zu hören! Mir ist es ebenso gegangen, ich habe mich aber gescheut, es auszusprechen, ich dachte, Eine Fortsetzung dieses Rvinnns, die kürzlich erschienen ist, scheint den Zweck zu haben, die Wirkung noch zu verstärken und die Bombe zum Platzen zu bringen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/515>, abgerufen am 26.06.2024.