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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Wirtsstube des Peter Quntgclat. Im vierzehnten Kapitel, das von dein Schmause
beim Bürgermeister handelt, lesen sich zwar einige Seiten ganz wie ein Abschnitt
ans einem oiMloAue raisounL, aber hier liegt doch ein direkter Zusammenhang
vor, und vor allein erzählt Herr Ebers selbst, dem wir die Fähigkeit zur Ab¬
fassung eines solchen gern und eher zutrauen als einem Ncitcrknecht, Ein
andres Bild, der Jahrmarkt (Kapitel 16), ist stark mit modernen Farbe" übermalt.
Die Beschreibung des Mgnws im Gasthaus zum "Wechsel" ist mit allerlei
Detail angefüllt, das ohne alle Einwirkung auf den Fortschritt der Handlung
bleibt und das halbe Kapitel füllt: in dem so ausführlich geschilderten Lokal
geschieht bei seiner ersten Erwähnung (Kapitel 23) nichts, als daß der Bürger¬
meister Georg auffordert, in sein Haus zu gehen; zwei Kapitel später werden
wir dann uoch einmal hingeführt, um eine Menge kleiner Anekdoten aus der
Geschichte der beiden Belagerungen aufgetischt zu bekommen.

In solchen Gesprächen übrigens und auch sonst im Roman fallen häufig
altertümlich gefärbte Redewendungen auf, mit denen Herr Ebers seinen Stil
historisch aufzuputzen sucht. Aber auch hier sind es Brocken, die in dem großen
modernen Brei vereinzelt herumschwimmen und das Kraut uicht fett mcichcu.
So ist z. B. gleich der Titel Bürgemeister zwar sprachlich ebenso richtig als
das in der älteren Sprache übliche Burgemeister, das ja auch Goethe gebraucht
("Nein, er gefällt mir nicht, der neue Burgemeister"); aber die Form ist schon
früher selten gebraucht worden (Grimm zitirt sie nur aus Stielers Lexikon und
aus Chr. Welses "Drei klügsten Leuten"), ist jetzt absolut ungebräuchlich und
macht daher nur den Eindruck des Gesuchten. Manche andern Ausdrücke klingen
bedenklich an Freytags Ahuensprache an. Die Mutter des Musikers Wilhelm
hört ihren Sohn spielen und sagt: "Wie das jammert und jauchzt; wenns ihm
die Seele erleichtert, in Gottes Name"! Aber die Därme sind teuer, und zwei
Saiten wird es wenigstens koste"." (S. 107). Der Hausmeister Velotti schil¬
dert den: Musiker Wilhelm seine Heimat: "Ich fürchte fast, daß es nur wenig
gläserne Fenster in Resina giebt" (S. 157.) Der Wirt Aquauus sagt: "Der
deutsche Junker will mir nicht mehr gefallen, aus der singenden Lerche ist ein
mausernder Nachtvogel geworden" (S. 360.) S. 375 heißt es: "Freilich die
Hunde und Katzen hängen auch schon an manchem Spieß und sind in viele
Pfauen gewandert." Ebenda wird die Fechtübuug, die der Junker Georg von
Dornburg leitet, folgendermaßen geschildert: "Mitten im Hof stand eine mit
Werg gefüllte, mit Leder überzogene menschliche Figur, welche an der linken
Seite der Brust ein rotes Blatt in der Form eines Herzens trug. Auf dieses
mußten die Ungeübteren stechen, um Hand und Auge zu üben; die andern stellten
sich einander gegenüber und fochten nnter Georgs Leitung mit stumpfen Rappiereu
unblutige Zweikämpfe aus." Es ist das ganz dieselbe absichtlich knappe, ge¬
sucht schlichte Redeweise, dieselbe Ausführlichkeit in der Schilderung bekannter
Dinge und Vorgänge, als wenn sie allen unbekannt wären und einer auffuhr-


Wirtsstube des Peter Quntgclat. Im vierzehnten Kapitel, das von dein Schmause
beim Bürgermeister handelt, lesen sich zwar einige Seiten ganz wie ein Abschnitt
ans einem oiMloAue raisounL, aber hier liegt doch ein direkter Zusammenhang
vor, und vor allein erzählt Herr Ebers selbst, dem wir die Fähigkeit zur Ab¬
fassung eines solchen gern und eher zutrauen als einem Ncitcrknecht, Ein
andres Bild, der Jahrmarkt (Kapitel 16), ist stark mit modernen Farbe» übermalt.
Die Beschreibung des Mgnws im Gasthaus zum „Wechsel" ist mit allerlei
Detail angefüllt, das ohne alle Einwirkung auf den Fortschritt der Handlung
bleibt und das halbe Kapitel füllt: in dem so ausführlich geschilderten Lokal
geschieht bei seiner ersten Erwähnung (Kapitel 23) nichts, als daß der Bürger¬
meister Georg auffordert, in sein Haus zu gehen; zwei Kapitel später werden
wir dann uoch einmal hingeführt, um eine Menge kleiner Anekdoten aus der
Geschichte der beiden Belagerungen aufgetischt zu bekommen.

In solchen Gesprächen übrigens und auch sonst im Roman fallen häufig
altertümlich gefärbte Redewendungen auf, mit denen Herr Ebers seinen Stil
historisch aufzuputzen sucht. Aber auch hier sind es Brocken, die in dem großen
modernen Brei vereinzelt herumschwimmen und das Kraut uicht fett mcichcu.
So ist z. B. gleich der Titel Bürgemeister zwar sprachlich ebenso richtig als
das in der älteren Sprache übliche Burgemeister, das ja auch Goethe gebraucht
(„Nein, er gefällt mir nicht, der neue Burgemeister"); aber die Form ist schon
früher selten gebraucht worden (Grimm zitirt sie nur aus Stielers Lexikon und
aus Chr. Welses „Drei klügsten Leuten"), ist jetzt absolut ungebräuchlich und
macht daher nur den Eindruck des Gesuchten. Manche andern Ausdrücke klingen
bedenklich an Freytags Ahuensprache an. Die Mutter des Musikers Wilhelm
hört ihren Sohn spielen und sagt: „Wie das jammert und jauchzt; wenns ihm
die Seele erleichtert, in Gottes Name»! Aber die Därme sind teuer, und zwei
Saiten wird es wenigstens koste»." (S. 107). Der Hausmeister Velotti schil¬
dert den: Musiker Wilhelm seine Heimat: „Ich fürchte fast, daß es nur wenig
gläserne Fenster in Resina giebt" (S. 157.) Der Wirt Aquauus sagt: „Der
deutsche Junker will mir nicht mehr gefallen, aus der singenden Lerche ist ein
mausernder Nachtvogel geworden" (S. 360.) S. 375 heißt es: „Freilich die
Hunde und Katzen hängen auch schon an manchem Spieß und sind in viele
Pfauen gewandert." Ebenda wird die Fechtübuug, die der Junker Georg von
Dornburg leitet, folgendermaßen geschildert: „Mitten im Hof stand eine mit
Werg gefüllte, mit Leder überzogene menschliche Figur, welche an der linken
Seite der Brust ein rotes Blatt in der Form eines Herzens trug. Auf dieses
mußten die Ungeübteren stechen, um Hand und Auge zu üben; die andern stellten
sich einander gegenüber und fochten nnter Georgs Leitung mit stumpfen Rappiereu
unblutige Zweikämpfe aus." Es ist das ganz dieselbe absichtlich knappe, ge¬
sucht schlichte Redeweise, dieselbe Ausführlichkeit in der Schilderung bekannter
Dinge und Vorgänge, als wenn sie allen unbekannt wären und einer auffuhr-


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[0512] Wirtsstube des Peter Quntgclat. Im vierzehnten Kapitel, das von dein Schmause beim Bürgermeister handelt, lesen sich zwar einige Seiten ganz wie ein Abschnitt ans einem oiMloAue raisounL, aber hier liegt doch ein direkter Zusammenhang vor, und vor allein erzählt Herr Ebers selbst, dem wir die Fähigkeit zur Ab¬ fassung eines solchen gern und eher zutrauen als einem Ncitcrknecht, Ein andres Bild, der Jahrmarkt (Kapitel 16), ist stark mit modernen Farbe» übermalt. Die Beschreibung des Mgnws im Gasthaus zum „Wechsel" ist mit allerlei Detail angefüllt, das ohne alle Einwirkung auf den Fortschritt der Handlung bleibt und das halbe Kapitel füllt: in dem so ausführlich geschilderten Lokal geschieht bei seiner ersten Erwähnung (Kapitel 23) nichts, als daß der Bürger¬ meister Georg auffordert, in sein Haus zu gehen; zwei Kapitel später werden wir dann uoch einmal hingeführt, um eine Menge kleiner Anekdoten aus der Geschichte der beiden Belagerungen aufgetischt zu bekommen. In solchen Gesprächen übrigens und auch sonst im Roman fallen häufig altertümlich gefärbte Redewendungen auf, mit denen Herr Ebers seinen Stil historisch aufzuputzen sucht. Aber auch hier sind es Brocken, die in dem großen modernen Brei vereinzelt herumschwimmen und das Kraut uicht fett mcichcu. So ist z. B. gleich der Titel Bürgemeister zwar sprachlich ebenso richtig als das in der älteren Sprache übliche Burgemeister, das ja auch Goethe gebraucht („Nein, er gefällt mir nicht, der neue Burgemeister"); aber die Form ist schon früher selten gebraucht worden (Grimm zitirt sie nur aus Stielers Lexikon und aus Chr. Welses „Drei klügsten Leuten"), ist jetzt absolut ungebräuchlich und macht daher nur den Eindruck des Gesuchten. Manche andern Ausdrücke klingen bedenklich an Freytags Ahuensprache an. Die Mutter des Musikers Wilhelm hört ihren Sohn spielen und sagt: „Wie das jammert und jauchzt; wenns ihm die Seele erleichtert, in Gottes Name»! Aber die Därme sind teuer, und zwei Saiten wird es wenigstens koste»." (S. 107). Der Hausmeister Velotti schil¬ dert den: Musiker Wilhelm seine Heimat: „Ich fürchte fast, daß es nur wenig gläserne Fenster in Resina giebt" (S. 157.) Der Wirt Aquauus sagt: „Der deutsche Junker will mir nicht mehr gefallen, aus der singenden Lerche ist ein mausernder Nachtvogel geworden" (S. 360.) S. 375 heißt es: „Freilich die Hunde und Katzen hängen auch schon an manchem Spieß und sind in viele Pfauen gewandert." Ebenda wird die Fechtübuug, die der Junker Georg von Dornburg leitet, folgendermaßen geschildert: „Mitten im Hof stand eine mit Werg gefüllte, mit Leder überzogene menschliche Figur, welche an der linken Seite der Brust ein rotes Blatt in der Form eines Herzens trug. Auf dieses mußten die Ungeübteren stechen, um Hand und Auge zu üben; die andern stellten sich einander gegenüber und fochten nnter Georgs Leitung mit stumpfen Rappiereu unblutige Zweikämpfe aus." Es ist das ganz dieselbe absichtlich knappe, ge¬ sucht schlichte Redeweise, dieselbe Ausführlichkeit in der Schilderung bekannter Dinge und Vorgänge, als wenn sie allen unbekannt wären und einer auffuhr-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/512>, abgerufen am 26.06.2024.