Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.Die Frau BiKgemeistcnn, Schwagers in ihr wachruft -- sonst bleiben die beiden Hanptströmnngen ihrer Aber selbst wenn der Verfasser durch eine kunstvollere Verschlingung der Aus dem großen Kampfe der Niederländer um ihre Unabhängigkeit, aus Ist das nun wirklich der Fall? Entschädigt uns der Dichter für die Abmin- Wir erhalten freilich eine breite Schilderung der Belagerung, und die ein¬ Die Frau BiKgemeistcnn, Schwagers in ihr wachruft — sonst bleiben die beiden Hanptströmnngen ihrer Aber selbst wenn der Verfasser durch eine kunstvollere Verschlingung der Aus dem großen Kampfe der Niederländer um ihre Unabhängigkeit, aus Ist das nun wirklich der Fall? Entschädigt uns der Dichter für die Abmin- Wir erhalten freilich eine breite Schilderung der Belagerung, und die ein¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0506" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/86627"/> <fw type="header" place="top"> Die Frau BiKgemeistcnn,</fw><lb/> <p xml:id="ID_2082" prev="#ID_2081"> Schwagers in ihr wachruft — sonst bleiben die beiden Hanptströmnngen ihrer<lb/> Seele fast ohne Berührung mit einander. Man sieht, es ist alles sehr lose<lb/> und locker angelegt; kein tieferes Problem spannt unser Interesse, kein Hauch<lb/> einer starken Leidenschaft trübt die Seelen dieser guten Menschen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2083"> Aber selbst wenn der Verfasser durch eine kunstvollere Verschlingung der<lb/> Fäden und eine tiefere psychologische Begründung den Leser etwas mehr für<lb/> seine Geschichte zu interessiren verstanden hätte, auf die Dauer hätte es ihm<lb/> kaum gelingen können. Denn solche Herzensgeschichten verlangen unsre unge¬<lb/> lenke Aufmerksamkeit; unser Blick darf von diesen kleinen Dingen nicht durch<lb/> größere Ereignisse abgelenkt werden; man darf keine erschütternden Begeben¬<lb/> heiten daneben stellen, wenn diese Dinge uns nicht als klein und unbedeutend<lb/> vorkommen sollen. Und in welche Umgebung hat Herr Ebers diesen Stoff<lb/> gebracht?</p><lb/> <p xml:id="ID_2084"> Aus dem großen Kampfe der Niederländer um ihre Unabhängigkeit, aus<lb/> dem heldenhaften Ringen eines kleinen Volkes gegen gewaltige Übermacht, aus<lb/> diesem erschütternden Schauspiel hat er den ergreifendsten Akt ausgewählt als<lb/> „Spalier, um das sich die Ranken seiner Erzählung schlingen sollen." Wahrlich,<lb/> es wäre kein Wunder, wenn die Feuersbrunst des gewaltigen Kampfes die kleinen<lb/> flackernden Flämmchen dieser bescheidenen Ehestands- und Herzcngeschichten so<lb/> mächtig überstrahlte, daß sie völlig daneben verschwänden.</p><lb/> <p xml:id="ID_2085"> Ist das nun wirklich der Fall? Entschädigt uns der Dichter für die Abmin-<lb/> dcrnng des Interesses an seinen Helden und ihren Herzenstampfeu durch anderes,<lb/> was er uns dafür bietet? Wenn wir nicht Muße und Stimmung haben, uns<lb/> an den kleinen Blüten seiner poetischen Ranken zu ergötzen, wird uns dafür<lb/> Ersatz durch eine packende Schilderung jener großen Ereignisse? Reißt er uns<lb/> mit fort in die Begeisterung jener Tage? Zeigt er uns in ergreifenden Bil¬<lb/> dern das Wüten der Spanier, ihr Brennen und Sengen, ihr Plündern und<lb/> Morden? Führt er uns die fanatische Begeisterung der Holländer vor, jene<lb/> verzweifelte Stimmung, jenen unbeugsamen Tvdesmut, der seineu Ausdruck findet<lb/> in jener wilden Prahlerei der Leydener, mit der sie in der Zeit der äußersten<lb/> Not deu Spaniern zuriefen: „Wir wollen uns jeder den linken Arm abschneiden<lb/> und essen, und mit dem rechten uns weiter wehren." Sehen wir die Bilder<lb/> grausamen Elends vor uns, die den Vcrzweiflungskcnnpf der unglücklichen Stadt<lb/> begleiten, Hunger und Not, Krankheit und Tod? Jene bestialische Erbitterung,<lb/> die das Herz des getöteten Feindes verzehren will, aber es wieder ausspeit,<lb/> weil es zu bitter sei?</p><lb/> <p xml:id="ID_2086" next="#ID_2087"> Wir erhalten freilich eine breite Schilderung der Belagerung, und die ein¬<lb/> zelnen Stadien des Kampfes machen wir alle mit durch: wir erfahren von den<lb/> Ausfällen der Bürger (wenn auch nicht von dem Preise, der für jeden Kopf<lb/> eines getöteten Feindes ausgesetzt war); wir begleiten die Flotte der Geusen,<lb/> die den Entsatz bringen soll, von einem durchstochenen Damme zum andern,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0506]
Die Frau BiKgemeistcnn,
Schwagers in ihr wachruft — sonst bleiben die beiden Hanptströmnngen ihrer
Seele fast ohne Berührung mit einander. Man sieht, es ist alles sehr lose
und locker angelegt; kein tieferes Problem spannt unser Interesse, kein Hauch
einer starken Leidenschaft trübt die Seelen dieser guten Menschen.
Aber selbst wenn der Verfasser durch eine kunstvollere Verschlingung der
Fäden und eine tiefere psychologische Begründung den Leser etwas mehr für
seine Geschichte zu interessiren verstanden hätte, auf die Dauer hätte es ihm
kaum gelingen können. Denn solche Herzensgeschichten verlangen unsre unge¬
lenke Aufmerksamkeit; unser Blick darf von diesen kleinen Dingen nicht durch
größere Ereignisse abgelenkt werden; man darf keine erschütternden Begeben¬
heiten daneben stellen, wenn diese Dinge uns nicht als klein und unbedeutend
vorkommen sollen. Und in welche Umgebung hat Herr Ebers diesen Stoff
gebracht?
Aus dem großen Kampfe der Niederländer um ihre Unabhängigkeit, aus
dem heldenhaften Ringen eines kleinen Volkes gegen gewaltige Übermacht, aus
diesem erschütternden Schauspiel hat er den ergreifendsten Akt ausgewählt als
„Spalier, um das sich die Ranken seiner Erzählung schlingen sollen." Wahrlich,
es wäre kein Wunder, wenn die Feuersbrunst des gewaltigen Kampfes die kleinen
flackernden Flämmchen dieser bescheidenen Ehestands- und Herzcngeschichten so
mächtig überstrahlte, daß sie völlig daneben verschwänden.
Ist das nun wirklich der Fall? Entschädigt uns der Dichter für die Abmin-
dcrnng des Interesses an seinen Helden und ihren Herzenstampfeu durch anderes,
was er uns dafür bietet? Wenn wir nicht Muße und Stimmung haben, uns
an den kleinen Blüten seiner poetischen Ranken zu ergötzen, wird uns dafür
Ersatz durch eine packende Schilderung jener großen Ereignisse? Reißt er uns
mit fort in die Begeisterung jener Tage? Zeigt er uns in ergreifenden Bil¬
dern das Wüten der Spanier, ihr Brennen und Sengen, ihr Plündern und
Morden? Führt er uns die fanatische Begeisterung der Holländer vor, jene
verzweifelte Stimmung, jenen unbeugsamen Tvdesmut, der seineu Ausdruck findet
in jener wilden Prahlerei der Leydener, mit der sie in der Zeit der äußersten
Not deu Spaniern zuriefen: „Wir wollen uns jeder den linken Arm abschneiden
und essen, und mit dem rechten uns weiter wehren." Sehen wir die Bilder
grausamen Elends vor uns, die den Vcrzweiflungskcnnpf der unglücklichen Stadt
begleiten, Hunger und Not, Krankheit und Tod? Jene bestialische Erbitterung,
die das Herz des getöteten Feindes verzehren will, aber es wieder ausspeit,
weil es zu bitter sei?
Wir erhalten freilich eine breite Schilderung der Belagerung, und die ein¬
zelnen Stadien des Kampfes machen wir alle mit durch: wir erfahren von den
Ausfällen der Bürger (wenn auch nicht von dem Preise, der für jeden Kopf
eines getöteten Feindes ausgesetzt war); wir begleiten die Flotte der Geusen,
die den Entsatz bringen soll, von einem durchstochenen Damme zum andern,
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