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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Die Frau Bürgemcistenn,

den Mittelpunkt gestellt hat, mit dem Verhältnis Marias zu ihrem Gatten.
Dieses aber reicht als Stoff für einen Roman bei weitem nicht aus; es langte
höchstens zu einer Novelle; in einer Novelle, mit sinnigem Ernst und liebevoller
Kleinmalerei im Detail gleichmäßig sauber ausgeführt, könnte es recht hübsch
Wirte". Mehr noch würde der Stoff zu einer humoristischen Behandlung ge¬
eignet sein, denn an den Ernst und die Schwere von Marias Kummer kann
man nicht recht glauben. Bei grübelnden Naturen, die von Außendingen nicht
in Anspruch genommen werden, mag ein -solches Motiv zu wirklich ernstem Kon¬
flikt führen können; bei der Kerngcsundheit der Frau sowohl wie des Mannes
hat man von vornherein keine Sorge; man fühlt sich versucht, ihr zu sagen:
"Liebes Frauchen, machen Sie sich weiter keinen Kummer. Ihr Mann wird
bald sehen, was für eine tüchtige Person Sie sind, die Kopf und Herz auf dem
richtigen Flecke hat, und wird sehr bald von selbst auf den Fuß mit Ihnen
kommen, wie Sie wünschen. Ihre Ungeduld macht's nicht besser." Und es be¬
dürfte sicher nicht der Schrecken der Belagerung von Leyden, um die beiden
Gatten völlig zusammenzuführen.

Zwar droht dem ehelichen Frieden noch eine andre Gefahr. Maria hat
einen jungen Thüringer Edelmann, Georg von Dornburg, bei der Hochzeit ihrer
Schwester kennen gelernt, und es ist zu dein Ansatz eines Liebesverhältnisses
zwischen ihnen gekommen. Jetzt findet Georg, als englischer Söldner nach Lehden
verschlagen, Maria als Frau wieder, und es regen sich in beiden die damals
verschwiegenen Gefühle. Aber der """bändige, mit allen Gaben (?) verschwen¬
derisch ausgestattete Jüngling" will uns keine rechte Gefahr für Maria scheinen.
Fühlte sich die junge Frau um der Staatsgeschäfte willen, für die sie etwa kein
Verständnis hätte, von ihrem Gatten vernachlässigt und sehnte sie sich nach
feuriger Liebe, dann möchte wohl ein solcher Fant ihrem innern Frieden ge¬
fährlich werden; aber "die Schülerin, ja die (hio) Freundin des gelehrten Groot,
die in: Verkehr mit hochgebildeten Männern herangewachsene junge Frau, die
begeisterte Patriotin, die da fühlt, daß sie ihrem Gatte" mehr, weit mehr zu
gewähren imstande sei, als er von ihr begehrt" -- für sie ist besonders unter
den ernsten Zeitverhältnissen eine solche Jugendliebe keine rechte Gefahr. Und
zumal bei dem trotz seiner "Unbändigkeit" ausnehmend ehrbaren Georg. Seine
ganze Leidenschaft gipfelt ja in dem einen Wunsche, daß er Maria einmal sagen
möchte, wie lieb er sie habe; und als sie es in Prosa nicht hören will, ver¬
sucht er es auf den, Wege der Poesie, zieht sich aber trotz des ungeheuer"
Schwunges seines Gedichts eine tüchtige Abweisung zu. Denn bei Maria geht
die Sache nicht sehr tief; steht doch ihr Schmerz darüber, daß sie von ihrem
Gatten nicht verstanden wird, in keiner Wechselwirkung mit einem Fluten und
Ebben ihrer Empfindungen für Georg. Nur daß der Brief ihres Gatten, der
die Hochgespanuten Gefühle der jungen Frau bitter enttäuscht, die Erinnerung
an das Liebesglück ihrer Schwester und damit das Bild des Freundes ihres


Grcnzliott'" I. 1882. 63
Die Frau Bürgemcistenn,

den Mittelpunkt gestellt hat, mit dem Verhältnis Marias zu ihrem Gatten.
Dieses aber reicht als Stoff für einen Roman bei weitem nicht aus; es langte
höchstens zu einer Novelle; in einer Novelle, mit sinnigem Ernst und liebevoller
Kleinmalerei im Detail gleichmäßig sauber ausgeführt, könnte es recht hübsch
Wirte». Mehr noch würde der Stoff zu einer humoristischen Behandlung ge¬
eignet sein, denn an den Ernst und die Schwere von Marias Kummer kann
man nicht recht glauben. Bei grübelnden Naturen, die von Außendingen nicht
in Anspruch genommen werden, mag ein -solches Motiv zu wirklich ernstem Kon¬
flikt führen können; bei der Kerngcsundheit der Frau sowohl wie des Mannes
hat man von vornherein keine Sorge; man fühlt sich versucht, ihr zu sagen:
„Liebes Frauchen, machen Sie sich weiter keinen Kummer. Ihr Mann wird
bald sehen, was für eine tüchtige Person Sie sind, die Kopf und Herz auf dem
richtigen Flecke hat, und wird sehr bald von selbst auf den Fuß mit Ihnen
kommen, wie Sie wünschen. Ihre Ungeduld macht's nicht besser." Und es be¬
dürfte sicher nicht der Schrecken der Belagerung von Leyden, um die beiden
Gatten völlig zusammenzuführen.

Zwar droht dem ehelichen Frieden noch eine andre Gefahr. Maria hat
einen jungen Thüringer Edelmann, Georg von Dornburg, bei der Hochzeit ihrer
Schwester kennen gelernt, und es ist zu dein Ansatz eines Liebesverhältnisses
zwischen ihnen gekommen. Jetzt findet Georg, als englischer Söldner nach Lehden
verschlagen, Maria als Frau wieder, und es regen sich in beiden die damals
verschwiegenen Gefühle. Aber der „»»bändige, mit allen Gaben (?) verschwen¬
derisch ausgestattete Jüngling" will uns keine rechte Gefahr für Maria scheinen.
Fühlte sich die junge Frau um der Staatsgeschäfte willen, für die sie etwa kein
Verständnis hätte, von ihrem Gatten vernachlässigt und sehnte sie sich nach
feuriger Liebe, dann möchte wohl ein solcher Fant ihrem innern Frieden ge¬
fährlich werden; aber „die Schülerin, ja die (hio) Freundin des gelehrten Groot,
die in: Verkehr mit hochgebildeten Männern herangewachsene junge Frau, die
begeisterte Patriotin, die da fühlt, daß sie ihrem Gatte» mehr, weit mehr zu
gewähren imstande sei, als er von ihr begehrt" — für sie ist besonders unter
den ernsten Zeitverhältnissen eine solche Jugendliebe keine rechte Gefahr. Und
zumal bei dem trotz seiner „Unbändigkeit" ausnehmend ehrbaren Georg. Seine
ganze Leidenschaft gipfelt ja in dem einen Wunsche, daß er Maria einmal sagen
möchte, wie lieb er sie habe; und als sie es in Prosa nicht hören will, ver¬
sucht er es auf den, Wege der Poesie, zieht sich aber trotz des ungeheuer»
Schwunges seines Gedichts eine tüchtige Abweisung zu. Denn bei Maria geht
die Sache nicht sehr tief; steht doch ihr Schmerz darüber, daß sie von ihrem
Gatten nicht verstanden wird, in keiner Wechselwirkung mit einem Fluten und
Ebben ihrer Empfindungen für Georg. Nur daß der Brief ihres Gatten, der
die Hochgespanuten Gefühle der jungen Frau bitter enttäuscht, die Erinnerung
an das Liebesglück ihrer Schwester und damit das Bild des Freundes ihres


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/505>, abgerufen am 26.06.2024.